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Ach du lieber Gott!" Wie oft benutzt man diesen Ausruf, ohne nachzudenken. "Lieber Gott", "Gott" - hat Er für den heutigen Menschen überhaupt noch eine Bedeutung? Leben wir nicht vielmehr in einer gottlosen Zeit? In einer Zeit, da nur das Wohlleben des einzelnen zählt, der Kommerz, der Konsum an erster Stelle steht, da innere Werte kaum noch gefragt sind. Sind wir tatsächlich zu ei- ner Spaßgesellschaft verkommen? Liest man in der Tageszeitung die Veranstalt ungstips für das Wochenende, kann man zu keinem an- deren Schluß kommen: Flohmärkte, Stadtteil- oder Straßenfeste, Sportveranstaltungen, Pop-Konzerte, Kunsthandwerkermarkt ... Nun ja, der eine oder andere Gottesdienst wird auch angezeigt. Als Randnotiz sozusagen. Aber etwas Besonderes muß da schon geboten werden - ein Konzert, die Lesung eines Literaten, ein Gottesdienst unter einem bestimmten Motto.
In der Ellenbogengesellschaft zählt eben nur das Besondere, das Aufmerksamkeit erregt. Gott, Jesus und die Bibel haben da nur einen ganz geringen Stellenwert. War das der Grund, das Jahr 2003 zum "Jahr der Bibel" auszurufen? Dem Zeitgeist entgegenzuwirken und zu zeigen, was die Bibel uns Heutigen noch zu sagen hat? - Sogar eine Briefmarke macht aufmerksam auf dieses besondere Jahr.
Kein anderes Buch hat die abendländische Kultur geprägt wie die Bibel, und doch sind die Texte vielen Menschen unbekannt. Nur wenige werden täglich nach der Heiligen Schrift greifen, um sie zu lesen, sich mit ihren Texten auseinanderzusetzen, einige für den einzelnen wichtige Textstellen gar abzuschreiben, um sie auf diese Weise zu verinnerlichen. 60 prominente Hamburger haben eben dies getan, sie haben nach einem Text gesucht, der ihnen persönlich wichtig ist, haben ihn von Hand abgeschrieben und kommentiert. Diese Sammlung ist nun in Buchform erschienen, "ein Schatzkästchen ganz besonderer Art", wie Helge Adolphsen, Hauptpastor an St. Michaelis (Michel), und der Pastor und Autor Bernd Lohse im Vorwort des Buches betonen: Von Hamburgern und Heiligen (Friedrich Wittig Verlag, Kiel. 128 Seiten mit vielen sw Abb., brosch., 9,90 Euro; 1 Euro pro verkauftes Buch geht an die Hamburger Obdachlosen-Initiative Hinz und Kunzt).
Das Alte und das Neue Testament gleichermaßen hat die 60 prominenten Hamburger zum Abschreiben und Kommentieren angeregt. Witta Pohl, die Schauspielerin, deren Wiege im ostpreu- ßischen Königsberg stand und die seit langem in der Hansestadt lebt, wählte einen Text aus 1. Mose 32, 23-32: Jakobs Kampf am Jabbok. Ihr Kommentar: "Man muß mit Gott ringen und bekommt ihn dann nie mehr los. In unseren eigenen Grenzen fordert er uns heraus ... Der Glaube wird zur tiefen Wurzel, die mich trägt auch in den Stürmen der Zeit ..."
Arno Surminski, Schriftsteller aus Jäglack, Kreis Rastenburg, und seit Ende der 50er Jahre in Hamburg ansässig, wählte das Hohelied Salomos, 8, 6-7: "Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod ..." Surminski: "In der Bibel habe ich ein Buch voller Poesie gefunden, das, wäre es nicht die ‚Heilige Schrift , als ein Werk größter Dichtkunst angesehen würde ..." Die Volksschauspielerin Heidi Kabel (Ohnsorg-Theater) schrieb aus dem Brief Paulus an die Römer einen Abschnitt ab (12, 18+21): "Laß dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem. Ist s möglich, soviel an Euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden." Kabel: "Das, was da drin steht, entspricht meinem Leben. So hab ich selbst es immer versucht zu halten, so gut es eben ging."
Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Ole v. Beust griff zum Stift und schrieb eine Stelle aus dem Paulus-Brief an die Philipper ab (4, 7): "Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, wird eure Herzen und Gedanken bewahren in Jesus Christus." - "Überall in der Gesellschaft, auch in der Politik", so v. Beust, "stößt man gelegentlich an die Grenzen des Machbaren. In diesen Situationen hilft die Gewißheit, daß wir mit unseren Gedanken und Sorgen bei Jesus Christus gut aufgehoben sind ..."
Politiker, Kirchenleute beider Konfessionen, Wissenschaftler, aber auch Schauspieler, Schriftsteller, Journalisten und Musiker - alle mit einem Foto und einer Kurzbiographie noch einmal vorgestellt - haben Texte aus "ihrer" Bibel abgeschrieben. Der Leser begegnet so nicht nur der Heiligen Schrift neu, sondern auch den Prominenten auf eine ganz besondere, unkonventionelle Weise. "Mit der Hand die Bibel abzuschreiben ist eine alte Kunst, die besonders in Klöstern vervollkommnet wurde", so die Herausgeber. "Wenn im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung das Schreiben mit der Hand scheinbar bedeutungslos wird, so will dieses Buch ein Zeichen setzen für die Originalität und die individuelle Schönheit der Handschrift. Vielleicht reizt es seine Leser/innen zum eigenen Schreiben oder Abschreiben ..." Eines aber wird diese Veröffentlichung zweifellos bewirken - die Neugier auf das Werk zu wecken, das allen als Quelle gedient hat, die Bibel ... Peter van Lohuizen
Christliches Bekenntnis: In der Reihe bekannter Hamburger Persönlichkeiten, die Texte aus der Bibel abschrieben, sind auch Witta Pohl, Arno Surminski, Heidi Kabel und Ole v. Beust zu finden. Fotos: aus dem besprochenen Buch |
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