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Wenn Nguyen T., in dessen Restaurant ich hin und wieder fernöstliche Kochkunst genieße, den Namen "Cap Anamur" hört, leuchten seine Augen: Ein Schiff dieses Namens hatte ihn 1980 aus dem südchinesischen Meer gefischt. In Deutschland fand der vietnamesische Waisenjunge eine neue Heimat, konnte sich eine Existenz aufbauen und eine Familie gründen. Er ist fleißig, stolz darauf, unser Sozialsystem nie in Anspruch genommen zu haben, ist ansonsten Deutschland und den Deutschen dankbar, insgesamt also unauffällig - einer von denen somit, die in deutschen Medien nomalerweise nicht vorkommen. Über solche "Boat People" gibt es nichts Negatives, eigentlich also gar nichts zu berichten.
Umso intensiver wurde in den letzten Tagen über jene "Boat People" berichtet, die zwischen Tunesien und Italien von der heutigen "Cap Anamur" aus dem Mittelmeer gefischt wurden. Die Wirkung beim Publikum blieb nicht aus: Diese armen, gerade noch vor dem sicheren Tode erretteten Kreaturen! Dieser kühne, edelmütige Kapitän, der selbstlos zur rettenden Tat schreitet! Und dann diese herzlosen Italiener, die Krieg gegen hungernde Flüchtlinge führen! Angeheizt wurde die Stimmung noch, als die italienischen Behörden zwar die "Cap Anamur" nach Porte Empedocle einlaufen ließen, dort aber an die Kette legten, die 37 Flüchtlinge in Abschiebehaft nahmen und den Kapitän festnahmen. Für die Gemütslage deutscher Gutmenschen paßte das alles bestens zusammen.
Zu gut, befand manch aufmerksamer Beobachter. War es wirklich nur "Zufall", daß gerade ein ZDF-Aufnahmeteam an Bord der "Cap Anamur" war? War es "Zufall", daß bei optimalen Aufnahmebedingungen - klare Sicht, spiegelglattes Wasser - ein vollbesetztes Schlauchboot den Weg des Hilfs-Frachters kreuzte? Merkwürdig: Ganz "zufällig" war gerade die Hunger- und Flüchtlingskatastrophe im westlichen Sudan ins Blickfeld der europäischen Öffentlichkeit geraten. Und ebenso "zufällig" stand in Berlin die abschließende parlamentarische Beratung des Zuwanderungsgesetzes auf der Tagesordnung. Allzu viele "Zufälle" auf einmal, finden Sie nicht auch?
War man erst einmal stutzig geworden, dann fielen beim genaueren Betrachten der Fernsehbilder weitere Ungereimtheiten auf: Das Schlauchboot, das da "wie bestellt" ins Blickfeld dümpelte, sah für den der Seefahrt Kundigen keineswegs wie unmittelbar vom Sinken bedroht aus. Seine Insassen unterschieden sich deutlich von jenen bedauernswerten Geschöpfen, die wir in diesen Tagen in den Berichten aus Sudan sahen. Die Aufnahmen an Bord wirkten inszeniert. Und die arrogante Siegerpose des Kapitäns mußte von den Italienern als Provokation empfunden werden.
Dann die Ernüchterung: die 37 Flüchtlinge stammten gar nicht aus den sudanesischen Hungergebieten, sondern aus Ghana und Nigeria, Regionen also, die in der deutschen Kriminalitätsstatistik (bei Delikten wie Drogenhandel, Prostitution, Menschenhandel, illegale Einreise, Sozialbetrug) ganz oben, auf der Liste der anerkannten Verfolgten aber ganz unten stehen. Diese Menschen werden von Menschenhändlerbanden in die EU eingeschleust, bei sommerlicher Witterung vorzugsweise über den Seeweg zwischen Afrika und Sizilien. Die Preise sind bekannt: 15.000 bis 50.000 Dollar, selbstverständlich bar. Wer über soviel Geld verfügt, zählt weder im Sudan noch sonstwo in Afrika zu den Hungerleidern. Fazit: Hier wurde wieder einmal das schreckliche Schicksal von Flüchtlingen und Vertriebenen politisch und ideologisch instrumentalisiert. Dahinter steht die Illusion, die Ursachen von Flucht und Vertreibung da zu lösen, wo es diese Menschen hin verschlagen hat - Deutschland als "Sozialamt der ganzen (Dritten) Welt". Nein, der Schlüssel zur Lösung (oder wenigstens zur Heilung der Folgen) liegt da, wo sie herkommen, in der geraubten Heimat. Das gilt für den Sudan, genauso aber für Ostdeutschland, Schlesien oder Pommern.
Dichtung und Wahrheit: Hungernde Flüchtlinge im Westsudan , angebliche Sudan-Flüchtlinge auf der "Cap Anamur" in Süditalien.
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