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Eine Zensur findet nicht statt

 
     
 
Eine Zensur findet nicht statt - so steht es kurz und bündig geschrieben in Artikel 5, Absatz 1 unseres Grundgesetzes. Ebenso kurz und bündig beschreibt der Große Brockhaus Zensur als "staatliche Aufsicht über Veröffentlichungen in Druck und Bild, um unerwünschte Veröffentlichungen auszuschalten und die Publizistik im Sinne der Staatsführung zu beeinflussen".

Soweit die schöne, uns alle - Verleger und Herausgeber
, Redakteure und Lektoren und nicht zuletzt die Leser - beglückende Verfassungstheorie: In Deutschland gibt es keine Zensur im Sinne des Brockhaus. Daß die Verfassungswirklichkeit gelegentlich ganz anders aussehen kann, darüber belehrt uns in diesen Tagen eine für politischen Nachhilfeunterricht besonders prädestinierte Institution, nämlich die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Diese Behörde untersteht direkt dem Bundesinnenminister, der ja auch als "Hüter der Verfassung" zu sehen ist.

Die Bundeszentrale gibt - bereits im 37. Jahrgang - die Zweimonatszeitschrift Deutschland Archiv heraus, die sich rühmt, "differenziert und exemplarisch über Befindlichkeiten, Identitäten und deutsche Zeitgeschichte" zu berichten und zu diskutieren. In diesem Sinne erschien in der jüngsten Ausgabe ein Beitrag des renommierten Politologie-Professors Konrad Löw zum Thema "Deutsche Identität in Verfassung und Geschichte". Der Autor, dessen persönliche Integrität ebenso wenig anzuzweifeln ist wie seine wissenschaftliche Seriosität, hat sich jahrzehntelang mit extremistisch-totalitären Systemen auseinandergesetzt und ist darüber zum energischen Kritiker nicht nur des Nationalsozialismus, sondern glei-chermaßen des internationalsozialistischen Marxismus geworden.

Das aber scheint heute nicht mehr in die politisch korrekte Landschaft zu passen. So wurden die Bezieher des Deutschland Archivs jetzt von einem Herausgeber-Rundschreiben überrascht, dem sie staunend entnehmen konnten, Löws "Ansichten zum Antisemitismus im 20. Jahrhundert in Deutschland" seien mit dem Selbstverständnis der Bundeszentrale für politische Bildung und des W. Bertelsmann-Verlags, der die Zeitschrift im Auftrag des Bundesinnenministeriums gestaltet, "nicht vereinbar". Daher werde die noch nicht versandte Restauflage "makuliert", also eingestampft.

Da ist sie also, die angeblich nicht stattfindende Zensur, das "Ausschalten unerwünschter Veröffentlichungen". Geradezu makaber: In jener Zeit, um die es in dem fraglichen Beitrag geht, wurde "verbrannt", heute wird "makuliert". Das klingt vielleicht weniger martialisch, bewirkt aber im Endeffekt so ziemlich dasselbe: ein Autor, der sich nicht dem Zeitgeist anpaßt, wird mundtot gemacht, wird seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung und auf Freiheit der Forschung und Lehre beraubt.

Daß die Zensurarbeit erstmals ganz offiziell von einer Bundesbehörde übernommen wird, ist ein Alarmsignal. Wir sollten es sehr ernst nehmen, auch wenn wir noch nicht so weit sind, daß dem "Verbrennen" oder "Makulieren" von Druckwerken eine adäquate "Behandlung" der Autoren folgt - wehret den Anfängen! Das politisch und menschlich verwerfliche Vorgehen gegen den Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann zeigte ja, welche Vielfalt an Methoden zu Gebote steht, wenn man sich erst einmal von gewissen Grundrechten verabschiedet hat.

PS: In ihrem Rundbrief bittet die Bundeszentrale Leser, die sich "durch den Beitrag von Löw verunglimpft fühlen", um Entschuldigung. Sollte sich daraufhin jemand durch das Vorgehen der Bundeszentrale verunglimpft fühlen, wird sich deren oberster Dienstherr gewiß bei ihm entschuldigen. Oder etwa nicht?

 
     
     
 
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