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Ein Flugzeug kommt schon ziemlich niedrig über die Kuppen Masurens geflogen, zieht in langgezogener Kurve um einen tiefblauen ostdeutschen See, um dann zur Landung anzusetzen. Kaum ist die Maschine gelandet, rollt eine startende Maschine auf die Piste.
Gut gelaunte Urlauber werden zügig abgefertigt und schlendern unter strahlendem ostdeutschem Sommerhimmel zu ihren Bussen, während schon die nächste Maschine zur Landung ansetzt. Laut geht es hier zu, einhundert Dezibel Lautstärke beim Start sind keine Seltenheit, aber dafür werden immerhin allein auf diesem Flughafen 100 000 Passagiere im Jahr abgefertigt.
Spinnerei? Vielleicht, aber ziemlich genau so sehen es die Pläne vor, die Maciej Kalita, Direktor der staatlichen polnischen Flughafengesellschaft, anläßlich eines Treffens mit dem Allensteiner Wojewodschaftsmarschall, Andrzej Rynski und den Vorsitzenden der Aeroklubs der Region der staunenden Öffentlichkeit vorstellte.
Die Flughafengesellschaft PPL, die alle zugelassenen Flugplätze des Landes verwaltet, plant den Aufbau eines Netzes von Flugplätzen und Flughäfen im südlichen Ostdeutschland. Bis Ende Juni sollen die Vorplanungen und Finanzierungsanalysen des im Volksmund "Flugzeugträger Masuren" genannten Großprojekte s abgeschlossen sein.
Derzeit gibt es im südlichen Ostdeutschland neun Flugplätze und Landebahnen, deren größter Teil noch auf eine Rückführung zur bestimmungsgemäßen Nutzung warten, sagte Janusz Soroka, Pressesprecher des Marschallamtes der polnischen Presse. Es sind dies die Flugplätze und Flugfelder Groß Schiemanen (Kreis Ortelsburg), Elbing, Wilhelmsdorf bei Rastenburg, Grieslienen bei Stabigotten (Kreis Allenstein), Allenstein-Deuthen, Treuburg, Goldap, Sensburg, die bis auf Schiemanen alle der Aeroklub-Organisation gehören. Zu den genannten kommt als neunter Flugplatz noch der Privatflugplatz bei Lyck.
Fünf von diesen Flugplätzen sind heute noch in Betrieb, nämlich Schiemanen, Allenstein-Deuthen, Wilhelmsdorf und Elbing sowie Lyck. Bis auf Schiemanen handelt es sich bei allen Flugplätzen um kleine Flugfelder in der Art des Elbinger oder Allensteiner Flugplatzes, die Landebahnen mit Beton- oder Graspisten haben, auf denen Segel- und Motorflugzeuge bis etwa fünf Tonnen Gewicht starten und landen können.
Besonderes Interesse hat die Flughafengesellschaft an den Flugfeldern bei Rastenburg und den ehemaligen Fliegerhorsten Grieslienen, Treuburg, Goldap und Sensburg.
Was Grieslienen betrifft, hat es ja von seiten der Selbstverwaltung schon im Sommer einen Versuch gegeben, auf dem 130 Hektar großen Gelände des alten, ungenutzten Fliegerhorstes einen Passagierflugplatz zu errichten. Große Entwicklungspläne wurden in Stabigotten schon geschmiedet, auch auf Hilfe aus Osnabrück vertraute man und sah schon Touristenstenströme ins Ermland kommen, die bisher nach Masuren in den Urlaub flogen.
Gemeindevorsteher Teodozy Marcinkiewicz suggerierte Aufbruchstimmung, sprach von den europäischen Strukturen, denen man sich nähere, sah die Grenzen nach Westen überwunden, besonders wo man so gute Beziehungen zur Bundesrepublik habe. Nur die Bevölkerung war nicht halb so begeistert von den Plänen ihrer Gemeindevertreter und legte Protest ein, bei aller Zuversicht der Gemeinde, ob dieses Vorstoßes der Flughafengesellschaft noch ist nichts entschieden.
Immer wieder weisen interessierte Kreise auf den Bedarf an solchen kleinen Flugplätzen für Touristen, Geschäftsleute, Wirtschaftsvertreter und Politiker hin, besonders wenn Polen erst EU-Mitglied sei. Solche kleinen Flugplätze, wie der Erfolg des einzigen Privatflugplatzes der Region bei Lyck beweise, werden dann den geplanten internationalen Flugplatz Schiemanen ergänzen.
Mit Schiemanen hat man allerdings Großes vor. Der Flugplatz, der schon zur PLL gehört, soll modernisiert und ausgebaut werden. Der 58 Kilometer von Allenstein entfernt und südlich von Ortelsburg liegende Flughafen kann als einziger in der ganzen Region heute schon von Passagiermaschinen angeflogen werden. Er ist aber derzeit noch nicht für den Linienverkehr zugelassen und eine Art Bedarfsflugplatz hauptsächlich für die Sommersaison.
Ein hochmodernes Passagierterminal soll hier errichtet werden, und Marschallamts-Pressesprecher Soroka sieht eben hier schon Linienflüge von LOT und Eurolot ankommen und damit Touristenmassen. Ziel des Ausbauplanes ist ein Fluggastaufkommen von 100 000 Passagieren jährlich.
Arbeitsplätze sieht man in Mengen entstehen um den in einer für Investoren steuerbegünstigten Sonderwirtschaftszone liegenden Flughafen. Das Marschallamt zeigt sich da ganz optimistisch. Marschall Andrzej Rynski hält den Bau eines solchen Flughafens für "eine gewaltige Chance für die Region", und laut Planzielen würden schon bald 60 000 Passagiere das neue Angebot jährlich nutzen.
Der Marschall sieht gemäß Entwicklungsstrategie einen Investitionsschwerpunkt in der Entwicklung lokaler kleiner Flugplätze, die nach dem EU-Beitritt ein großer Pluspunkt für die Umgebung seien, nicht nur was den Tourismus angehe, sondern besonders was Investitionsentscheidungen betreffe.
Der Wojewode Zbigniew Babalski allerdings beurteilt die Pläne nicht so rosig, wie sein Pressesprecher Witold Strobel verkündete. Das sei ein langfristiger Plan, auf wenigstens dreihundert Jahre angelegt, kommentierte er sarkastisch. Er kenne nicht alle Details der Planungen, aber für logisch halte er das Ganze nicht, meinte Strobel. Es gebe ja einen funktionierenden, aber nicht einmal ausgelasteten Flughafen in Schiemanen, gab er zu bedenken. Es sei gut, einen gut funktionierenden internationalen Flugplatz in jeder Großregion zu haben, für mehr gebe es derzeit absolut keinen Bedarf, fügte Strobel an.
Wirft man einmal einen Blick auf das derzeitige Passagieraufkommen, zweifelt man tatsächlich am Bedarf. Nach Zahlen des Hauptinspektorats für die Zivilluftfahrt in Polen beläuft sich das jährliche Passagieraufkommen in Schiemanen seit Jahren ziemlich konstant auf 2500 Abfertigungen pro Jahr. Bei einer tatsächlich dringend notwendigen Anbindung an das Linienverkehrsnetz könnte das sicherlich um einiges gesteigert werden, aber die angestrebten 100 000 Passagiere (mehr als halb so viel wie in Kattowitz oder Breslau) erscheinen da doch als zu ehrgeizig.
Aber wenn sie denn kämen und mit ihnen Mengen von Investoren, würde die sonstige Verkehrsinfrastruktur in Ostdeutschland das wohl kaum bewältigen. BJ
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