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Einer der Streikführer vom 17. Juni 1953 erinnert sich an die Vorgänge

 
     
 
Siegfried Berger, Jahrgang 1918, erlebte den 17. Juni 1953 als Streikführer. Drei Tage nach dem Aufstand wurde er verhaftet und zu sieben Jahren Arbeitslager verurteilt. Jedoch schon 1955 wurde er aus dem berüchtigten sowjetischen Strafgefangenen- und Arbeitslager Workuta von der Bundesrepublik Deutschland in den Westen freigekauft. Sein Erlebnisbericht sowie die vieler anderer Zeitzeugen sind im Interne
t auf der Seite www.17juni53.de nachzulesen. Der nachfolgende Text ist ein Auszug aus seinem Bericht.

"Als dann im Frühjahr/Frühsommer 1953 von der SED gefordert wurde, auf ,freiwilliger Basis einer allgemeinen Normerhöhung um zehn Prozent zuzustimmen, die einen Angriff auf die Lohntüten meiner Kollegen bedeutete, wuchs der Unwillen in der Bevölkerung und unter meinen Kollegen immer mehr. Am Morgen des 17. Juni forderten mich Mitarbeiter und Kollegen im Funkwerk auf, eine Betriebsversammlung zu leiten, auf der über einen Streik und über eine Demonstration entschieden werden sollte. Da meine politische Einstellung bekannt war, glaubte ich, nicht ablehnen zu dürfen, obwohl ich der Überzeugung war, daß dieser Streik niedergeschlagen werden würde. Meine pessimistische Einschätzung unserer Chancen rührte daher, daß ich am frühen Morgen dieses Tages aus unserem Schlafzimmerfenster in Berlin-Karlshorst eine größere Zahl russischer Panzer beobachten konnte. Von den ungefähr 2.000 Versammelten auf dem Werkshof stimmten etwa 17-20 Personen gegen Streik und Demonstration. Ich übernahm die Führung des Demonstrationszuges und forderte alle Teilnehmer auf, den Anweisungen unserer Kollegen, die den Ordnungsdienst übernahmen, Folge zu leisten und keinerlei Ausschreitungen oder Beschädigungen irgendwelcher Art zuzulassen. Der Zug von mehr als 2.000 Teilnehmern verlief ruhig und diszipliniert. Allerdings wurde er immer länger, denn weitere Einzelpersonen und Gruppen schlossen sich an. ... Auf der Warschauer Straße weiter in Richtung S-Bahnhof kam uns eine größere Zahl von Volkspolizisten mit ihren Gewehren im Anschlag entgegen. Wir in der ersten Reihe hakten uns gegenseitig ein und versuchten, den Zug zu stoppen, was natürlich sehr schwer gelang. Als die Polizisten uns ihre Gewehrläufe auf die Brust drückten und riefen: "Zurück, oder wir schießen!", kam der Zug langsam zum Halten. Ich erklärte den Vopos, daß wir Arbeiter aus Köpenick wären, aber sie sagten, wenn wir nicht zurückgingen, hätten sie Befehl zu schießen. Langsam bewegte sich die Masse hinter uns zurück. Als die Entfernung zur Polizistenkette etwa gut 50 Meter betrug, schossen sie doch. Wir hatten einige Verletzte, die wir alle mit in den Westsektor nehmen konnten. ... Meine Westberliner Genossen wollten, daß ich im Westsektor bleibe, aber ich ging zu meiner Familie zurück. Auf Schleichwegen, über Hinterhöfe gelangte ich nach Hause. Ich wollte meine Familie nicht im Stich lassen. In den folgenden Tagen waren die Grenzen nahezu total abgesperrt. Und Hoffnung, mich und meine Familie in Ostberlin oder in der DDR so lange verstecken zu können, bis die Grenzen eventuell wieder offener wurden, hatte ich nicht. So blieb ich in Ostberlin, obwohl ich mit meiner Verhaftung rechnete." 
 
     
     
 
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