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Beginn einer Reise: Papstpuppen brannten in der Türkei zwar keine, aber das fehlende Willkommen - sagen wir es ruhig deutlicher - die demonstrative Ablehnung der Reise des katholischen Kirchenoberhauptes in die zwar laizistische, aber eben islamische Türkei, war schon ein Feuerwerk für sich. Die Regensburg-Affäre schwelte in den muslimischen Köpfen. Auch in deutsch-türkischen Diskussionsrunden im Internet schwang eine ordentliche Portion Haß gegen Rom mit. Aufkleber mit der Aufschrift "Gott verfluche den Papst" prangen in mehreren türkischen Städten an Hauswänden. "Er kommt nicht mit guten Absichten", wetterte die fundamentalistische türkische Zeitung "Vakit" denn auch nach Eintreffen des Papstes in Ankara. Die Organisation eines katholisch-orthodoxen Kreuzzuges unterstellten ihm andere.
Es bedurfte also keiner brennenden Papstpuppen, um seine Reise mit mehr Sicherheitspersonal zu schützen als zuvor jene des US-Präsidenten George Bush.
Desinformation prägte die Stimmung zu Beginn von Ratzingers Reise in die Türkei.
So deuteten Journalisten von "Yeni Safek" und der Tageszeitung "Hurriyet" den gelegentlichen Griff des Kirchenoberhauptes an das Brustkreuz - eine bei vielen Geistlichen häufige Geste der Verbindung zu Gott - im Scheinwerferlicht der Kameras von 150 live berichtenden Fernsehsendern als Schwäche, als ein Verstecken des Kreuzes und des Glaubens.
Wie herzlich wenig Papst Benedikt XVI. sich jedoch - von Anbeginn an - versteckte, bewies er als er am ersten Tag in einer Ansprache gezielt mit dem Satz anhub: "Ich möchte einige Sätze von Papst Gregorius VII. aus dem Jahr 1076 zitieren, an einen muslimischen Prinzen aus Nordafrika gerichtet ...". Mitten im Satz eine kleine Pause, ein Lächeln auf seinem Gesicht ... - so mancher dachte an dieser Stelle wohl an ein zweites Regensburg - doch Gregorius sprach nicht über das Übel des Islams, sondern über Liebe zwischen Christen und Muslimen, die den gleichen, den einen Gott anbeten.
Der rhetorische Kniff Benedikts XVI., der nicht nur von einem tiefen religiösen Selbstbewußtsein zeugt, sondern auch von einer ordentlichen Portion Humor, ließ insbesondere deutsche Journalisten durchatmen, die in ihm immer noch den Dogmatiker, ja sogar den Großinquisitor gesehen haben.
Bei Benedikt XVI. - der, kaum im Amt, seinen wissenschaftlich schärfsten Gegner, Hans Küng, nach Rom eingeladen hatte, der als Deutscher die Polen im Handumdrehen für sich gewinnen konnte - bei diesem Papst darf man eigentlich nicht von überraschenden Gesten überrascht werden.
Eine solche Geste war sein gemeinsames Gebet mit dem Großmufti von Istanbul Mustafa Cagrici in der blauen Moschee. Benedikt XVI. war nach Johannes Paul II. damit der zweite Papst überhaupt in der Geschichte des Christentums, der eine Moschee besuchte. Damit brach er die letzte Reserviertheit bei den meisten Muslimen auf.
Der Papst hat durch seine entwaffnende Nächstenliebe alle Zweifler von seiner Aufrichtigkeit überzeugt. Ein Kreuzzug? Im übertragenen Sinne: Ja, aber einer auf samtenen Pfötchen!
"Überraschung" titelten tags drauf die meisten türkischen Zeitungen. Doch schon kurz vor dem Besuch der Blauen Moschee hatten nur noch 20 türkische Fundamentalisten, von mehr als 50 Journalisten und 20 Fernsehkameras beobachtet, vor der Hagia Sophia gegen die päpstliche Visite des einst größten Kirchenbaus des Christentums demonstriert. "Die Hagia Sophia ist türkisch und wird türkisch bleiben", lautete ihr wirres Motto zu einem von niemandem bezweifelten Sachverhalt.
Die Hagia Sophia ist nicht nur ein Symbol des oströmischen Imperiums, des alten Konstantinopels, sondern auch des Schismas zwischen katholischer und orthodoxer Kirche.
Als am 28. Mai 1453 die Osmanen zum letzten blutigen Sturm auf die Mauern der Stadt ansetzten, beteten Christen der beiden verfeindeten Kirchen in Eintracht zum letzten Mal in der Hagia Sophia. Zwei Tage später war sie eine Moschee.
Der Fall Konstantinopels ist die Geschichte einer verweigerten militärischen Unterstützung aus Rom. Benedikt XVI. ist ein Mann, der in historischen Dimensionen denkt, er weiß das. Er strebt die Überwindung des 1000jährigen Schismas an und will seinen Teil dazu beitragen.
Seine Teilnahme an der Liturgie zum orthodoxen Andreasfest des Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus I. in Istanbul war ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Erst jetzt, nach dem Ende der apostolischen Reise in die Türkei, wird sich allerdings nach und nach zeigen, was von der christlich-muslimischen Annäherung (in der Türkei) bleiben und was aus der katholisch-orthodoxen Verständigung werden wird, mit welchem Willen und welcher Nachhaltigkeit sich der Islam von Gewalt und Terrorismus zu distanzieren vermag und inwieweit Katholiken und Orthodoxe bereit sind, Strukturen und Glaubenskultur des Gegenübers innerhalb der einst geeinten Kirche zu akzeptieren.
Benedikt XVI. hat in der Türkei zwei mehrfach verriegelte Tore aufgestoßen, Tore, die leicht auch wieder zufallen könnten. |
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