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Er führte zusammen was zusammengehört

 
     
 
Vor mehr als 20 Jahren besuchte der Verfasser dieser Zeilen - damals junger Reserveoffizieranwärter - einen befreundeten Stabsoffizier an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg. Das Wiedersehen nahm eine überraschende Wendung. Der Akademiekommandeur höchstselbst kam durch die Tür der Offiziersmesse, steuerte zielsicher den Tisch in der Ecke an, fragte, ob er Platz nehmen dürfe, und ließ sich gewichtig neben dem jungen Besucher nieder. Der Admiral nahm ihm schnell seine Scheu vor dem hohen Dienstgrad, und es wurde noch ein langer und unterhaltsam
er Abend. So kannte man Dieter Wellershoff: freundlich, humorvoll, warmherzig und im Umgang immer menschlich. Am 16. Juli ist "der Dicke", wie ihn seine Mitarbeiter keinesfalls respektlos nannten, überraschend gestorben.

Eine militärische Karriere war dem am 16. März 1933 in Dortmund geborenen Dieter Wellershoff keineswegs in die Wiege gelegt. So begann der Sohn eines Bergbauingenieurs nach dem Abitur auf Anraten der Eltern ein Maschinenbaustudium. Das Studium mochte dem jungen Mann indes keine rechte Freude machen, und er liebäugelte mit der gerade erst aufgestellten Bundeswehr. Doch erst der Ungarn-Aufstand gab Wellershoff, der als Angehöriger eines sogenannten "weißen Jahrganges" nicht wehrpflichtig war, 1956 den Anstoß, Soldat zu werden. Gegen den Willen seiner Eltern trat er am 1. April 1957 in die Bundesmarine ein.

Der Grundausbildung schloß sich die Ausbildung zum Seeoffizier und Minensuchspezialisten an. Die Admiralstabsausbildung an der Führungsakademie absolvierte der Träger des "Heusinger-Bestenpreises" mit Bravour. Nachdem der Generalinspekteur Ulrich de Maizière auf ihn aufmerksam geworden war, kam Wellershoff als Hilfsreferent ins Verteidigungsministerium, wo er sich erstmals mit Militärpolitik befaßte - eine Materie, die ihn für den Rest seines Lebens beschäftigen sollte.

Anschließend wurde Wellershoff Kommandant des Zerstörers "Hessen" und durchlief verschiedene Stabs- und Kommandeurverwendungen in der Flotte. Dabei fiel der ruhige Marineoffizier vor allem durch sein betont unkonventionelles und progressives Verhalten auf. Den Zorn vieler älterer Kameraden zog er sich zu, als er in derben Worten die Abkehr von alten Marinetraditionen forderte. Doch Wellershoffs Karriere war nicht mehr aufzuhalten. Gerade einmal 44 Jahre alt, wurde er 1977 als Stabsabteilungsleiter auf der Hardt-höhe zum Flottillenadmiral befördert. Vier Jahre später wurde er Konteradmiral und Kommandeur der Führungsakademie. Es war die Zeit der Nachrüstungsdebatten und der internen Querelen an der "Generalsschmiede" der Bundeswehr. Mit seiner verbindlichen Art gelang es dem Admiral, die Akademie wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Auch in der Öffentlichkeit konnte er sich profilieren, indem er die Sicherheitspolitik der Bundesregierung überzeugend vertrat.

Am 1. April 1984 wurde Wellershoff Chef des Führungsstabes der Marine und Stellvertreter des Marineinspekteurs, den er bereits ein Jahr später beerbte. Damit war Vizeadmiral Wellershoff der jüngste Inspekteur in der Geschichte dieser Teilstreitkraft und zugleich der erste, der nicht kriegsgedient war. In Bonn erwartete ihn eine undankbare Aufgabe: die Reduzierung der Marine um zehn Prozent.

Nach nur eineinhalb Jahren erfolgte der letzte Karriereschritt. Wellershoff wurde am 1. Oktober 1986 zum Admiral befördert und trat als Generalinspekteur an die Spitze der Streitkräfte. Wieder war er der Jüngste, und wieder war er der Erste ohne Kriegserfahrung. Mit Wellershoffs Ernennung trat so ein Generationswechsel in der Bundeswehrführung ein.

Die Aufgaben indes blieben zunächst die gleichen. Wellershoff setzte den von seinem Vorgänger begonnenen Umbau der Streitkräfte fort. Mit großem Engagement widmete er sich dieser Aufgabe auch auf Kosten der eigenen Gesundheit. Die zunehmende Wehrunwilligkeit, militärfeindliche Strömungen in der Gesellschaft, eine schwelende Legitimationskrise der Bundeswehr, die Diskussion um eine Verlängerung des Wehrdienstes, spektakuläre Flugzeugunglücke und schließlich das politische Tauwetter setzten den Rahmen für seine Arbeit.

Der 3. Mai 1989 war einer der bewegendsten Tage im Leben des Admirals. 44 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges betrat mit ihm erstmals ein deutscher Spitzenmilitär sowjetischen Boden. Die anschließenden Truppenbesuche und militärpolitischen Gespräche forderten sein ganzes diplomatisches Geschick.

Die Vereinigung seines Vaterlandes stellte den Generalinspekteur bald darauf vor eine neue, epochale Aufgabe: die Zusammenführung der Streitkräfte beider deutscher Staaten und die Schaffung einer neuen "Armee der Einheit". Wellershoff verstand es in dieser schwierigen und von Ungewißheit bestimmten Zeit, die verbliebenen Teile der NVA in die Bundeswehr zu integrieren und den drastisch reduzierten deutschen Streitkräften ein neues Gesicht zu geben.

Nach seiner Pensionierung am 30. September 1991, dem Ende einer einzigartigen militärischen Karriere, widmete sich Wellershoff der sicherheitspolitischen Arbeit und Bildung. Als Gründungspräsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik und Initiator der an seinem Wohnort stattfindenden "Flamersheimer Gespräche" hatte er maßgeblichen Anteil an der Etablierung zweier wichtiger Foren zur Erörterung sicherheitspolitischer Fragestellungen.

Sein früher Tod hat Wellershoffs Wirken ein jähes Ende bereitet. Ihm bleibt ein herausragender Platz in den Annalen der Marine, der Bundeswehr und unseres Landes.
 
     
     
 
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