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Seit fast zwei Wochen ist Robert Redeker auf der Flucht. Nachdem er in der Zeitung "Le Figaro" am 19. September einen kritischen Beitrag über den Islam geschrieben hatte, erhielt er mehrere anonyme Morddrohungen. Sein Artikel schlug in der islamischen Welt hohe Wellen: In Tunesien und Ägypten wurde die betreffende Nummer von "Le Figaro" ebenso wie eine Ausgabe der "FAZ" verbote n, nachdem der einflußreiche radikale Fernsehprediger Jussuf als Karadawi ihre Berichterstattung im Sender "El Dschasira" verdammt hatte. Besonders der Autor des "Figaro" geriet darauf ins Visier militanter Muslime, die eine "Fatwa" über ihn verhängt haben.
"Ich bin in einer katastrophalen Lage", schrieb Redeker dem befreundeten Philosophen André Glucksmann. Im Internet werden auf Seiten, die El Kaida nahestehen, Fotos von ihm, Wegbeschreibungen zu seinem Haus und seiner Schule veröffentlicht. "Es gibt keinen sicheren Ort für mich, ich muß mich durchbetteln, zwei Tage hier, zwei Tage da", klagt Redeker, der zwar unter Polizeischutz steht, aber die Kosten für seinen Unterschlupf selbst tragen muß. Redeker ist nicht irgendein Lehrer in Toulouse, wie es in manchen Pressemeldungen hieß. Er gehört dem Redaktionsrat der vom existentialistischen Philosophen Jean-Paul Sartre begründeten Zeitschrift "Les Temps modernes" an, schreibt regelmäßig für meist eher linksliberale Zeitungen wie die "Libération" und hat zahlreiche Bücher zu kulturellen Themen publiziert.
Sein Artikel im "Figaro" nahm Stellung zur gesteuerten muslimischen Empörung über die Vorlesung von Papst Benedikt XVI. in Regensburg, wo dieser Gewalt im Namen der Religion verurteilt hatte. Er wandte sich in scharfer Form gegen islamische "Einschüchterung" und warnte: "Der Islam will Europa seine Regeln aufzwängen." Der polemische Aufsatz im "Figaro" und die "Fatwa" gegen den Autor könnten nun Auftakt zu einer offenen Debatte über den Islam werden. Bei den Rassenunruhen in den Vorstädten 2005 war bereits zu spüren, wie sich die Ressentiments der randalierenden Jugendlichen aus sowohl sozialen wie auch religiösen Motiven speisten.
Medien und Politik ist bewußt, welcher Sprengstoff im "Fall Redeker" steckt. Einige biederten sich sofort den protestierenden Muslimen an. Peinlich war etwa der Kniefall des Chefs des "Figaro" im Sender "El Dschasira", der den Abdruck des Artikels als "Fehler" bedauerte, während sich die Organisation "Reporter ohne Grenzen" klar auf die Seite des verfolgten Autors stellte. Erst spät hat Innenminister Nicolas Sarkozy die Morddrohungen gegen Redeker verurteilt, dann ließ sich Premierminister Dominique de Villepin zu einer Erklärung herab.
Währenddessen versteckt sich Redeker weiter an wechselnden Orten. Die "Fatwa" gegen ihn hat schlagartig die faktischen Grenzen der Meinungsfreiheit im heutigen Frankreich klargemacht. "Es ist traurig", schreibt er an Glucksmann: "Ich habe nur meine verfassungsmäßigen Rechte ausgeübt und werde nun dafür bestraft, selbst auf dem Territorium der Republik." |
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