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Fehlentscheidungen führten zum Fiasko

 
     
 
Nach der Festigung der Ostfront zu Beginn des Frühjahrs 1943 stand die deutsche Seite vor der schwerwiegenden Frage, wie angesichts des Kräftezuwachses der Roten Armee und der verschärften Luftoffensive der Westalliierten weitere schwere Rückschläge vermieden werden könnten. Noch bestand Aussicht, den Krieg trotz der Forderung nach bedingungsloser Kapitulation
so zu führen, daß er nicht mit einer totalen Niederlage endete. Noch bestand Aussicht, im Osten dem Gegner so schwere Verluste zuzufügen, daß er sogar zu einer "Remislösung" bereit wäre, im Süden und Westen hingegen die Invasion der Alliierten zurückzuschlagen. Daß die Gesamtlage der "Achsenmächte" nach dem Verlust Nordafrikas bedeutend schwieriger geworden war, lag auf der Hand, doch wäre es übertrieben, von einer Aus- sichtslosigkeit zu sprechen, die geradewegs in die Kapitulation führen müßte.

Im besetzten Teil Rußlands bot sich eine "elastische" Defensive an, welche die deutschen Kräfte schonte, hingegen durch schnelle Angriffe mit begrenztem Ziel die Rote Armee schwer schädigte. Noch konnte man die Tiefe des Raumes vorteilhaft nutzen. So trat etwa v. Manstein, der Befehlshaber der Heeresgruppe Süd, für Operationen "aus der Nachhand" ein: man sollte zunächst dem Gegner die Initiative überlassen, bestimmte Gebiete räumen und ihm dann, wenn er diese Gebiete besetzt hätte, mittels geschickter Gegenangriffe schwere Niederlagen beibringen. Das würde möglicherweise Stalin zur Einsicht bringen, daß ein Kompromißfrieden zweckmäßiger sei als ein äußerst verlustreiches Ringen, das vor allem den Westmächten nütze. Doch Hitler und einige seiner Berater hielten dagegen, daß man nicht abwarten könne, bis der Gegner angreifen würde; man müsse selbst aus der "Vorhand" schlagen, um die Front offensiv zu begradigen und wertvolle Reserven freizumachen, die zur Abwehr der Westalliierten benötigt würden. So nahmen die Vorbereitungen für das Unternehmen "Zitadelle", die Abschnürung des russischen Frontvorsprunges beiderseits von Kursk, ihren Lauf. Dieser Frontbogen ragte weit nach Westen vor, wurde von neun russischen Armeen gehalten, bot also ein lohnendes Angriffsziel. Allein die erhoffte Gefangennahme von 500.000 bis 600.000 Mann hätte einen wertvollen Zuwachs an Arbeitskräften bedeutet.

In der Zeitspanne bis Angriffsbeginn, dem 5. Juli 1943, lag es durchaus in der Hand der deutschen Führung, dem steigenden Druck vom Osten, vom Mittelmeer und aus der Luft wirksam zu begegnen. Ende Mai erreichte die Zahl der zivilen Arbeitskräfte (einschließlich der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter), aber auch der Wehrmachtssoldaten ihren bisherigen Höchststand. Eine "ökonomische" Kriegführung, die dem Gegner schwere Niederlagen zufügte, gleichzeitig aber die eigenen Ressourcen schonte, wäre angezeigt gewesen. Die modernsten Panzer- und Sturmgeschützmodelle wie "Tiger", "Panther" und "Ferdinand" liefen in Serienproduktion und stärkten zunehmend die Ostfront, wo man dem Gegner nochmals das Gesetz des Handels aufzwingen wollte.

Demgegenüber setzte der Luftkrieg die Reichsluftverteidigung heftig unter Druck. Wenn auch die verbesserten Modelle der Tag- und Nachtjäger (Me 109 F, FW 190 D, Ju 88 G) in steigenden Stückzahlen aus der Produktion liefen, lag das Schwergewicht nach wie vor bei den Angriffsflugzeugen zugunsten der Heeresunterstützung. Obwohl Speer und Milch, der Generalluftzeugmeister, auf eine drastische Erhöhung der Jägerproduktion drängten, verfügte die Luftwaffe Ende Mai nur über knapp 2.300 Jäger, von denen nur 800 im Reichsgebiet eingesetzt waren. Auch die Zersplitterung der Entwicklung auf zahlreiche Typen schwächte die Massenproduktion. Dazu kam der massive Ausbau der Flak-Verbände, was zu Lasten der Abwehr mit Tag- und Nachtjägern ging.

Erst für September 1943, zu einem reichlich späten Termin, hatte man die Herstellung von monatlich 1.000 Jägern vorgesehen. Denn nur eine Überlegenheit von drei zu eins seitens der Jäger gegenüber den Angreifern hätte eine Wende zugunsten der Verteidiger bewirken können. Die heftigen Nachtangriffe gegen Städte im Ruhrgebiet durch die Briten und die beginnenden Tageseinsätze der 8. US-amerikanischen Luftflotte von England unterstrichen die Bedrohung Deutschlands aus der Luft; diese mußte um so größer werden, je besser die überlegenen Alliierten ihre Angriffe gegen Rüstungs- und Treibstoffwerke koordinierten. Die Luftkriegsweisung an die westlichen Luftflotten vom 21. Januar 1943 sah eine Zerstörung der Produktionsstätten bei gleichzeitiger Zermürbung der Wehrmoral unter der Bevölkerung vor. Neue Navigations- und Zielaufklärungsgeräte ("Rotterdamgerät") verbesserten die Treffgenauigkeit erheblich. Die Zerstörung der Möhne- sowie der Edertalsperre am 16. Mai ließ beispielsweise die Verletzlichkeit der Energieversorgung erkennen. Noch war aber der Kampf um die Luftherrschaft nicht entschieden.

Trotz dringender Einwände von seiten der Heimatluftverteidigung hielt Hitler am Vorrang der Landkriegführung und an der Vorbereitung der Schlacht um Kursk fest. Obwohl der Wehrmachtführungsstab nach der Niederlage in Tunesien für die Stärkung der Abwehr in Sizilien und Italien eintrat, wo mit einem baldigen Angriff General Eisenhowers gerechnet wurde, wollte Hitler zunächst einen Sieg im Osten erringen, um auch seine politische Position zu festigen. Eine Rücknahme der Front auf eine verkürzte Linie lehnte er ab, da dies die Preisgabe wichtiger Gebiete bedeutet hätte. Auch verwarf er den Vorschlag, alle willigen russischen Kriegsgefangenen zum Einsatz gegen die Rote Armee zu organisieren. Dieser Vorschlag, der von Admiral Canaris und hohen Offizieren des Heeres ausging, unterstützte die Aufstellung einer Russischen Befreiungsarmee unter General Wlassow, indem man betonte, daß Russen nur durch Russen besiegt werden können.

Mit fortschreitender Zeit kam jedoch die deutsche Seite immer mehr in Nachteil, da die Rote Armee die Atempause fieberhaft zum Stellungsbau, zum Heranführen von Reserven und zu Neuaufstellungen nutzte. Ein Angriff gegen den Frontbogen von Kursk, der bis Mitte Mai relativ gute Chancen gehabt hätte, wurde immer bedenklicher, je weiter man den Termin hinausschob. Die für die Offensive vorgesehenen Führungsstäbe erhoben nur schwache Einwände gegen die Verzögerung, obwohl ihnen bekannt war, daß die Rote Armee gewaltige Anstrengungen zur Abwehr unternahm. Außerdem wurden sowjetische Gegenangriffe an gefährdeten Abschnitten befürchtet. Der Zuwachs an modernen Waffen, die den Durchbruch ermöglichen sollten, konnte den Vorsprung der russischen Rüstung nicht mehr ausgleichen.

Die Offensive vom 5. Juli kam trotz heftigster Anstrengungen bereits nach wenigen Tagen zum Stillstand, erzielte nur mäßigen Geländegewinn und drohte zu einer verlustreichen Abnutzungsschlacht zu werden, bei der die Vorteile eindeutig auf russischer Seite lagen. Die Landung der Westalliierten auf Sizilien am 10. Juli und die erfolgreichen russischen Angriffe gegen den exponierten "Bogen von Orel" bewogen Hitler sehr bald zum Abbruch der Schlacht. Auch wenn man deutscherseits noch nicht die letzten Reserven eingesetzt hatte, so waren die Chancen, doch noch einen Sieg zu erzwingen, entscheidend gesunken. Obwohl die Verluste der drei angreifenden Armeen keineswegs so schwer waren, wie das russische Oberkommando behauptete, so reichten die Kräfte keineswegs aus, um die Schlacht durchzufechten und gleichzeitig die russischen Angriffe an anderen Frontteilen abzuwehren. Somit hatten der falsche Zeitpunkt, die starke Verteidigung und die zahlenmäßige Überlegenheit der Roten Armee den Ausschlag gegeben.

Seit diesem Zeitpunkt befand sich das Ostheer im Mittel- und Südabschnitt auf dem Rückzug, wurde in schweren Schlachten in Richtung Dnjepr zurückgedrängt, mußte aber gleichzeitig Jagdverbände ins Reichsgebiet abgeben. Denn dort hatte das "Unternehmen Gomorrha", die vom 24. bis 30. Juli stattfindenden verheerenden Luftangriffe auf Hamburg, nicht nur die Schwächen der Abwehr aufgedeckt, sondern auch zu unerhörtem Leiden der Bevölkerung geführt, das nicht mehr hingenommen werden konnten. Weitere schwere Angriffe auf Städte im Ruhrgebiet und im Rheinland unterstrichen die Bedrohung. Erst der verlustreiche US-amerikanische Tagesangriff auf Regensburg und Schweinfurt vom 17. August, der auf heftigsten Widerstand stieß, ließ erkennen, was eine zahlenmäßig ebenbürtige Jagdabwehr erreichen konnte. Eine Rüstungskonzentration auf Tag- und Nachtjäger wäre das Gebot der Stunde gewesen, um Bevölkerung und Industrie vor den Bomberströmen zu schützen. Der britische Nachtangriff auf die Raketenversuchsanstalt Peenemünde am 18. August warf die Entwicklung von V-1 und V-2 um Monate zurück, so daß die Hoffnungen schwanden, rechtzeitig überlegene Waffen zur Abwehr der Invasion im Westen herzustellen. Die Überforderung der Jagdverbände war mehr als deutlich geworden. Am Morgen danach beging Generaloberst Jeschonnek, der Generalstabschef der Luftwaffe, Selbstmord, auch er ein menschliches Opfer der Überforderung.

Durchbruchversuch: Hitler hoffte auf einen schnellen Sieg im Osten.

Zurückgedrängt: Der unerwartete Kräftezuwachs der Roten Armee überraschte die deutsche Seite. Graphiken (2): Stierschneider

Legende: VII. Armeekorps, III.Pz. - III. Panzerkorps, II.SS-Pz. - II. SS-Panzerkorps, 10. - 10 Armee (sowjetisch), 4.A. - 4. Armee, 1. Pz.A. - 1. Panzerarmee, 4. Gd.A. - 4. Gardearmee, 5. Gd.Pz.A. - 5. Gardepanzerarmee, A. Abt. - Armee-Abteilung, HGr. - Heeresgruppe
 
     
     
 
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