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Frankreich gründete Schule für den Wirtschaftskrieg

 
     
 
James Woolsey, der frühere CIA-Direktor, wird in einer der jüngsten "Spiegel"-Ausgaben (15/00) mit dem bemerkenswerten Eingeständnis zitiert, daß die US-Geheimdienste ihre kontinentaleuropäischen Freunde ausgespäht hätten. Die wenig diplomatische Begründung, die Woolsey lieferte, dürfte für nachhaltig
e Irritationen im transatlantischen Verhältnis sorgen: Die kontinentaleuropäischen Unternehmen, so Woolsey, arbeiteten mit Bestechung, um sich Wettbewerbsvorteile zu beschaffen.

Überraschend ist diese Offenheit Woolseys keineswegs. Bereits im Juli 1994 wies er darauf hin, daß der entscheidende Grund für den Einsatz von US-Geheimdiensten zum Zwecke der Wirtschaftsspionage die Aufdeckung von Bestechungsversuchen durch Konkurrenten amerikanischer Unternehmen sei. Woolsey damals gegenüber dem US-Sender NBC (NBC News, 18. Juli 1994) wörtlich: "Eine Reihe von Staaten in anderen Teilen der Welt, eingeschlossen einige unserer ältesten Freunde, versuchen, im Geschäftsleben über Bestechung an Vertragsabschlüsse heranzukommen, an die sie aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit sonst nicht herankommen würden." Durch den Einsatz der US-Geheimdienste, so Woolsey, würden Milliarden von Dollar in Form von getätigten Vertragsabschlüssen aufgrund erfolgreicher Aufklärung für die US-Industrie gerettet. Woolseys Argumente sind in der Tat nicht so leicht von der Hand zu weisen. So gab der ehemalige französische Geheimdienstchef Pierre Marion zu, daß Frankreich ein "sehr korrupter Standort" sei ("Spectator", 9. April 1994).

Frankreichs Empörung über das anglo-amerikanische Abhörkartell mit dem Decknamen "Echelon" wirkt aber noch aus einem anderen Grund wenig überzeugend. Frankreich ist keineswegs ein Musterknabe im Hinblick auf Wirtschaftsspionage, sondern, wenn auch aufgrund finanzieller Restriktionen im kleineren Maßstab, ähnlich aktiv wie die USA.

Dabei überläßt die französische Regierung nichts dem Zufall. So wurde vor zwei Jahren allen Ernstes eine "Schule für den Wirtschaftskrieg" ins Leben gerufen, mittels derer Frankreich generalstabmäßig die globale Schlacht um Marktanteile zu gewinnen versucht. Derzeit 30 Studenten werden von Informatik- und Ökonomiespezialisten sowie ehemaligen Militärs für den, so die französische Lesart, internationalen "Weltwirtschaftskrieg" gedrillt. "Wir stehen schon längst in einem Krieg ohne Kriegserklärung, der eben nicht mit klassischen Waffen geführt wird", erklärte der Gründer der Schule, Jean Pichot-Duclos, ehemals Leiter der Straßburger Schule für Nachrichtendienste ("Südwestpresse", 25. November 1999).

Als Feinde Frankreichs sieht Duclos vor allem die USA und Japan. Insbesondere gegen die Angriffe dieser Staaten sollen die Absolventen der "Wirtschaftskriegsschule" eingesetzt werden. Ähnlich unmißverständlich äußerte sich der stellvertretende Schuldirektor Benoit Saint-Sernin, der sich für die Übertragung militärischer Taktik auf die Wirtschaft ausspricht. Folgerichtig wird den Absolventen der Schule vermittelt, wie sich via Boykottaufrufen Käufer manipulieren lassen, Schmutzkampagnen gegen die Konkurrenz im Internet geführt werden oder die Gegner mit den Mitteln der psychologischen Kriegführung ausgehorcht werden können.

Auch andere EU-Mitglieder, wie z. B. Großbritannien, sind nicht zimperlich, wenn es um die Erringung von Wettbewerbsvorteilen mittels Wirtschaftsspionage geht. Pikant an der andauernden Affäre um das anglo-amerikanische Abhörsystem "Echelon" ist vor allem die Tatsache, daß auch das EU-Mitglied Großbritannien zum Echelon-Abhörkartell gehört. Eine gemeinsame Sprachregelung hat die britische Regierung im Hinblick auf ihre Echelon-Aktivitäten bisher nicht gefunden.

Während Premierminister Tony Blair die Kooperation mit den USA vor kurzem verteidigte, bestritt das britische Außenministerium kategorisch die von dem britischen Journalisten Ducan Campbell im April 1999 veröffentlichten Bericht "Interception Capabilitites" erhobenen Vorwürfe, die jüngst Thema einer Anhörung des Ausschusses für Bürgerrechte des Europäischen Parlamentes waren.

Während um Deutschland die Auseinandersetzung um das Thema "Wirtschaftsspionage" voll entbrannt ist, herrscht in Deutschland erwartungsgemäß offiziell das große Schweigen. Geheimdienstkoordinator Uhrlau und BND-Chef Hanning versicherten, nachdem sie im November letzten Jahres durch den NSA-Horchposten Bad Aibling geführt wurden, keine Indizien für irgendeinen Verdacht gefunden zu haben.

Sachkundige kommen zu ganz anderen Schlüssen. So kritisierte z. B. der Abhörspezialist Hans-Georg Wolf in einem Interview mit dem Computermagazin "CT", daß Wirtschaftsspionage in vielen Staaten höchste Priorität zukomme. "Deutschland", so Wolf, "wird international in vielen Bereichen als weiße Fläche im Sicherheitsatlas der Welt betrachtet, zusammen mit ein paar anderen Ländern der Europäischen Union".

Stefan Gellner
 
     
     
 
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