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Friedrich von Schiller: Wir handeln wie wir müssen

 
     
 
Friedrich Schiller (1759–1805), neben Goethe der Inbegriff der "Weimarer Klassik", mußte lange um seinen Anschluß an das literarisch Leben kämpfen. Dieser Kampf setzte bereits auf der herzoglichen Karlsschule auf de Solitude und in Stuttgart ein, wo Schiller zunächst Jura, später Medizin studierte. Nu heimlich konnten die Karlsschüler die Werke der "Sturm und Drang"-Dichte Goethe, Klopstock oder Albrecht von Haller lesen.

Die Uraufführung von Schillers fünfaktigem Schauspiel "Die Räuber" a Mannheimer National
theater am 13. Januar 1782 sollte entscheidend zum Ruhm Schillers be den Zeitgenossen beitragen. Ein Augenzeuge kommentierte die Aufführung wie folgt "Das Theater glich einem Irrenhaus, rollende Augen, geballte Fäuste, stampfend Füße, heisere Aufschreie im Zuschauerraum! Fremde Menschen fielen einander schluchzen in die Arme, Frauen wankten, einer Ohnmacht nahe, zur Türe. Es war eine allgemein Auflösung wie im Chaos, aus dessen Nebeln eine neue Schöpfung hervorbricht!"

Schiller brachte diese Aufführung 14 Tage Arrest wegen unerlaubter Entfernung au Stuttgart ein. Dieser bekannte einmal, die "Räuber" hätten ihn "Famili und Vaterland" gekostet. Bis heute wird an den "Räubern" sowohl dere Freiheitspathos als auch deren Opposition gegen den herrschenden Absolutismus gerühmt was wohl mit dazu beigetragen hat, daß sich das Stück durch die Zeit hin auf dem Theate behaupten konnte.

Kurz nach der Aufführung der "Räuber" verließ Schiller Stuttgart. Nur de Mutter eines Stuttgarter Freundes, Henriette von Wolzogen, die Schiller nach kurze Aufenthalten in der Kurpfalz und in Frankfurt/Main auf ihrem Gut aufnahm, war es zu verdanken, daß Schiller in dieser Phase vor dem seelischen und materiellen Ruin bewahr wurde. Materielle Sorgen sollten ein bestimmendes Motiv des Lebens Schillers bleiben Diese zwangen ihn, nachdem er zwischenzeitlich als Theaterdichter in Mannheim tätig war 1785 nach Dresden, wo sich ein Freundeskreis seiner annahm. Mit Georg Göschen aus Leipzi konnte Schiller darüber einen neuen Verleger gewinnen. In der Leipziger Zeit entstande neben dem "Don Carlos" u.a. das Romanfragment "Der Geisterseher" un die berühmte "Hymne an die Freude".

1787 zog es Schiller zum ersten Mal an den Ort, der bis heute eine geradezu mythisch Bedeutung in der deutschen Geistesgeschichte einnimmt: Weimar. Schiller pflegte in diese Zeit insbesondere mit Wieland und Herder Kontakte. Goethe spielte noch keine bedeutend Rolle. Im Mittelpunkt der literarischen Arbeit Schillers standen historisch Untersuchungen, aus denen 1788 die "Geschichte des Abfalls der Vereinigte Niederlande" hervorging. Diese Untersuchungen brachten Schiller auf Betreiben Goethe und der Frau von Stein eine Geschichtsprofessur in Jena ein, für die er freilich kei Gehalt erhielt. Seine Antrittsvorlesung "Was heißt und zu welchem Ende studiert ma Universalgeschichte?" vom 26. Mai 1789 erschien 1789 in Wielands Zeitschrif "Der teutsche Merkur" und als Sonderdruck der akademischen Buchhandlung in Jena Schiller thematisierte in dieser Vorlesung den Unterschied zwischen de "Brotgelehrten" und dem "philosophischen Kopf". Seine Absage an da "unfruchtbare Einerlei der Schulbegriffe" richtete sich aber nicht, wie vielfac geglaubt, an die professoralen Kollegen, sondern an die Studenten. Wenn de Universalhistoriker, so argumentierte Schiller, vor allem nur das interessiere, was zu gegenwärtigen Vervollkommnung der Welt beigetragen habe, so vermag er doch die Bestandteile des historischen Wissens "zum System, zu einem vernunftmäßi zusammenhängenden Ganzen" zu ordnen. Schillers Vorlesung gipfelt in der These "Unser menschliches Jahrhundert herbeizuführen haben sich – ohne es zu wisse oder zu erzielen – alle vorhergehenden Jahrhunderte angestrengt."

Für seine Vorlesung hat Schiller auf bekannte universalhistorische Abhandlungen wi Edward Gibbons "The History of the Decline and Fall of the Roman Empire" (1776 oder Herders "Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit" (1784 ff. zurückgegriffen. Bereits an dieser Auswahl läßt sich erkennen, daß seine Vorlesun weniger historisch als geschichtsphilosophisch angelegt war.

Zum Hauptwerk seiner historiographischen Phase wurde die "Geschichte de Dreißigjährigen Krieges" (1790–1792), das Schiller auf Anregung von Gösche in Angriff nahm. Die Arbeit an diesem Werk hat Schiller alles abverlangt. Mehrfach durc schwere Krankheit unterbrochen, sprach dieser des öfteren von der "Geschichte" als einer drückenden Last. Wohl auch deshalb geriet der dritte Teil nur zu einem meh oder weniger summarischen Abschluß.

Zwei zentrale Figuren dieses Krieges, Wallenstein und König Adolf, hatten scho früher die Aufmerksamkeit Schillers gefunden. Schiller leitet dieses Werk mit eine Betrachtung der Wechselbeziehungen zwischen Glaubensbewegungen und Politik ein Ausgangspunkt der Überlegungen ist der Augsburger Religionsfriede (25. September 1555) Zweierlei ist aus der Sicht Schillers von besonderer Bedeutung: Das Auseinanderbrechen de katholischen Kirche habe zu einer sonst kaum denkbaren Vereinigung von Staaten gleiche Glaubens geführt. Den protestantischen Fürsten wuchs dabei eine militärisch Streitmacht zu, die ihre Legitimation aus ihrer religiösen Überzeugung ableitete. Dies wurde im Verlauf des Krieges mehr und mehr zur Erreichung rein politischer Ziel instrumentalisiert.

Erstes führte aus der Sicht Schillers dazu, daß in Europa zum ersten Male "ein zusammenhängende Staatengesellschaft" erkennbar wurde. Letzteres kumulierte in eine Paradoxon, über das er sagte: "Was den Regenten bloß als Mittel zu ihrem Zweck wichtig war, war der Zweck ihrer Untertanen; was der Zweck der Regenten war, war de Untertanen das Mittel, den ihrigen zu erreichen."

Schillers Arbeit am "Dreißigjährigen Krieg" war durch eine äußers gewissenhafte Quellenarbeit gekennzeichnet. Es ist in diesem Zusammenhang aufschlußreich auf welche Quellen Schiller im einzelnen zurückgriff. Als Grundlage diente ihm Michae Ignaz Schmidts "Geschichte der Teutschen" (1785 ff.). Als Quelle für die Person Wallensteins diente ihm Sarasins Werk "Conspiration de Valstein" (1645) Für die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges griff er u.a. auf Christoph von Murr "Beiträge zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges" (1790) und Samuel vo Pufendorfs Werke "Commentarium des rebus Suecicis libri XXVI" (1686) bzw "Histoire de Suède" (1732) zurück. Im Gegensatz zur "Geschichte de Abfalls der Vereinigten Niederlande" (1786), in der Schiller eindeutig Partei nahm befleißigt er sich in der "Geschichte des Dreißigjährigen Krieges" trot seiner eindeutigen Sympathie für den Protestantismus der Unparteilichkeit.

Lag der Aspekt zu Anfang der Arbeit zunächst auf den Ereignissen, verschiebt sich de Fokus der Betrachtung schließlich mehr und mehr auf die Charaktereigenschaften de "dramatis personae" Wallenstein und Gustav Adolf von Schweden. Hier bricht sic mehr und mehr der Dichter Schiller Bahn, der bereits während der Arbeit an seine "Geschichte" Pläne für sein Drama "Wallenstein" entwickelte. Es wa wohl die undurchsichtige Person Wallenstein, dessen Verrat nie eindeutig belegt werde konnte, die den Dichter Schiller reizte, sich an dieser und keiner anderen Gestalt zu versuchen.

Die dreiteilige Tragödie "Wallenstein" gelangte in drei Etappen zu Uraufführung. "Das Lager" wurde am Weimarer Hoftheater am 12. Oktober 1798, die "Piccolomini" am 30. Januar 1799 und "Wallensteins Tod" am 20. Apri 1799 in Weimar uraufgeführt. "Wallenstein" kann als Beginn der klassische Phase des Dramatikers Schiller betrachtet werden. Im Vergleich zu seinem Jugenddram "Don Carlos" stellte Schiller in einem Brief an Wilhelm von Humboldt fest "Wallenstein ist ein Charakter, der – als echt realistisch – nur im Ganzen aber nie im Einzelnen interessieren kann ... Er hat nichts Edles, er erscheint in keine einzelnen Lebensakt groß, er hat wenig Würde u. dgl., ich hoffe aber nichtsdestowenige auf rein realistischem Wege einen dramatisch großen Charakter in ihm aufzustellen, de ein echtes Lebensprinzip in sich hat."

Neben den Quellen, die Schiller bereits für seinen "Dreißigjährigen Krieg" verarbeitet hatte, griff dieser für den "Wallenstein" insbesondere au Herchenhahns "Geschichte Albrechts von Wallenstein, des Friedländers" sowie au Murrs "Beiträge zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges" zurück.

Der Prolog lenkt die Aufmerksamkeit auf den "finstern" Hintergrund de Tragödie, vor dem Wallenstein als "des Glücks abenteuerlicher Sohn" bewunder und geschmäht hervortritt. Dieser erscheint als Machtrealist, der, von einem dämonische Impuls und einem maßlosen Ehrgeiz getrieben, den Gang der Weltgeschichte mitzubestimme versucht. Letztlich ist sein Tun aber nicht Ausfluß des freien Willens, sondern de Schicksals. "Wir handeln", so Wallenstein, "wie wir müssen". So mu auch Wallsteins Hang zur Astrologie verstanden werden. Er ist Ausdruck des Glaubens an die Naturnotwendigkeit aller Dinge. Wallensteins eigentlicher Gegenspieler ist nicht Octavi Piccolomini, sein Vertrauter, sondern dessen Sohn: Max Piccolomini. Dieser wird als reine Idealist geschildert, der auf Frieden, Liebe, Freiheit und Menschlichkeit hofft: " schöner Tag! wenn endlich der Soldat ins Leben heimkehrt, in die Menschlichkeit."

Wallensteins Versuch, vom Kaiser abzufallen, beantwortet der kaisertreue Octavi Piccolomini mit einer Gegenintrige. Er ist vom Kaiser ausersehen, nach der Niederwerfun des Verrats der neue Feldherr zu werden. Octavio zieht seinen Sohn Max ins Vertrauen, de in einen dramatischen Gewissenskonflikt gerät. Max wendet sich sowohl gegen den Verra Wallensteins als auch gegen die feingesponnene Intrige seines Vaters. Max versuch freilich vergeblich, Wallenstein vom Verrat abzuhalten. Er fällt schließlich im Kamp gegen die Schweden, während Wallenstein mit Zustimmung Octavios ermordet wird. Diese wird schließlich per kaiserliches Dekret in den Fürstenstand erhoben.

In mancherlei Hinsicht ist auch der " Wallenstein" eine Variation auf da Schillersche Grundthema vom "gigantischen Schicksal", das den Menschen erhebt indem es ihn zerschmettert. Max Piccolomoni hält sich inmitten einer Welt von Intrige unter Aufopferung seines Lebens rein. ("O – die Menschen sind grausam!")

Die Uraufführung des "Wallenstein" in Weimar war ein überragender Erfolg der darüber hinaus wie kaum ein anderes Stück Schillers das Interesse d Fachwissenschaft fand. Die Fragestellungen der Forschung kreisten und kreisen dabei um die "Tragödie der Nemesis" (von Wiese), um den Begriff de "Geschichtsdramas" (Dilthey) oder um die Tragödie eines machtbessenen Realiste (Fricke). Daneben wird Schillers "Wallenstein" auch als Kommentar zum späte 18. Jahrhundert und seinem Schlüsselereignis, der Französischen Revolution, gelesen Walter Hinderer stellte zum "Wallenstein"-Drama fest, daß die Transzendierun der Geschichte von Schiller im Wallenstein ebenso idealistisch wie realistisch gemein sei. "Das Ziel der neuen politischen Ordnung, nämlich "Freiheit zu geben durc Freiheit", ließ sich angesichts der realen historischen Verhältnisse laut Hindere nur im Vorschein des Ästhetischen andeuten, "im Bereich der Liebe und de Schönen". Nach Lessing ist die Tragödie "ein Gedicht ..., welches Mitlei erregt". Ihrem Geschlecht nach sei sie die Nachahmung einer Handlung, ihrer Gattun nach aber vorrangig die Nachahmung einer mitleidswürdigen Handlung.

Schillers Neuerung besteht darin, daß er das traditionell gemischte Gefühl de Mitleids auf die Bahnen der "negativen Lust" (Kant) des Erhabenen lenkt. E projiziert die beiden Elemente dieses Mitgefühls auf die sinnlich-sittlich Doppelnatu des Menschen. Die Tragödie schillersche Prägung kann von daher als Selbsterfahrung de sinnlich-sittlichen menschlichen Doppelwesens, als Erfahrung des "reinen Dämon "in uns bestimmt werden. Schillers Wallenstein ist vor dem Hintergrund diese Bestimmung das Paradigma seiner klassischen Tragödie
 
     
     
 
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