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Das Präsidium und der Bundesvorstand des BdV haben am 20. März 1999 einstimmig den Willen bekundet, ein Zentrum gegen Vertreibungen zu schaffen. Deutschland braucht für diesen einschneidenden Teil der gesamtdeutschen Geschichte eine zentrale Informations-, Dokumentations-, Archiv- und Begegnungsstätte in Berlin mit einer Dauerausstellung und Wechselausstellungen über den Leidensweg und das Sterben der Vertreibungsopfer.
In der Konzeption des BdV für das Zentrum war von Anfang an der gesamteuropäische Aspekt der Vertreibungen im 20. Jahrhundert enthalten. Dies war zwangsläufig, da Vertreibungen von Deutschen nicht nur aus den deutschen Ostprovinzen erfolgten. Man denke an die große Zahl der vertriebenen Deutschen aus ihren jahrhundertealten südosteuropäischen Siedlungsgebieten, man denke an die Vertreibung oder besser Deportation der Wolga deutschen oder an die Zwangsumsiedlung der Baltendeutschen. Dabei kommt der Leidensweg anderer europäischer Volksgruppen ins Blickfeld, die ebenfalls vom Vertreibungsschicksal betroffen waren. Sie sollen nicht ausgeblendet werden.
Klar ist aber auch, daß die Vertreibung der Deutschen und die dabei zu beklagenden 2,5 Millionen Toten den Schwerpunkt im Zentrum gegen Vertreibungen bilden werden. Die gewaltsame Massenaustreibung von mehr als 15 Millionen Deutschen aus ihren jahrhundertealten angestammten Siedlungsgebieten in Ostdeutschland und in Ost- und Südosteuropa, nur weil sie Deutsche waren, ist bisher in dieser Dimension einmalig in der Menschheitsgeschichte. Die Trauerarbeit für diese menschliche Tragödie ist noch zu leisten, wobei der mit der Vertreibung einhergegangene Verlust von alten deutschen Kultur- und Siedlungsräumen der Tragödie eine apokalyptische Dimension verleiht. Das Zentrum gegen Vertreibungen in Berlin wird optisch der Platz werden, an dem Deutsche und Nichtdeutsche ihr "Nie wieder Vertreibungen" den nachwachsenden Generationen mit auf den Weg geben werden. Der am 15. Juli publizierte Aufruf für ein europäisches Zentrum gegen Vertreibungen, Zwangsaussiedlungen und Deportationen wurde vom SPD-Bundestagsabgeordneten Meckel initiiert und bisher von 65 Personen unterzeichnet. Die Mehrheit der Unterzeichner sind Polen und Tschechen. Die deutschen Unterzeichner sind fast alle der sogenannten deutschen Polenlobby zuzuordnen. Allen Unterzeichnern ist zueigen, daß sie nicht ein einziges Mal für Verständnis, Rücksichtnahme und Unterstützung für die Positionen der deutschen Heimatvertriebenen eingetreten sind. Das gemeinsame Ziel der Unterzeichner ist es, das Vorhaben Zentrum gegen Vertreibungen nach der Konzeption des BdV zum Scheitern zu bringen. Da dies mit einer destruktiven Verweigerungshaltung nicht möglich sein wird, versucht man mit einem völlig anderen Vorhaben, die BdV-Konzeption zu unterlaufen. Man wirbt für ein europäisches Zentrum gegen Vertreibungen, Zwangsumsiedlungen und Deportationen. Eine Konzeption dafür, die noch nicht vorhanden ist, sollte von verschiedenen europäischen Partnerstaaten erarbeitet werden. Über den Sitz einer solchen Institution, ihre Trägerschaft und Organisationsstruktur solle gemeinsam entschieden werden. Einig ist man sich, daß die Einrichtung keineswegs in Deutschland ihren Platz haben dürfe. Die Gestaltung eines solchen Zentrums als vorwiegend nationales Projekt, wie es nach der Konzeption des BdV geplant sei, rufe das Mißtrauen der Nachbarn hervor und könne nicht im gemeinsamen Inte-resse unserer Länder sein. Es berge die Gefahr, daß Leid der einen gegen das Leid der anderen aufzurechnen und die sehr unterschiedlichen Ursachen von Vertreibungen zu vernachlässigen. Einzelne Unterzeichner des Aufrufes sind bisher mit polemischen persönlichen Erklärungen zur Thematik an die Öffentlichkeit getreten, wie zum Beispiel, der BdV wolle mit dem Zentrum den Holocaust relativieren.
Die Absicht der Unterzeichner tritt klar zutage. Mit bemerkenswert wohlfeilen Formulierungen wird gegen die BdV-Konzeption für ein deutsches Zentrum gegen Vertreibungen agiert, um es zu Fall zu bringen.
Die politischen und gesellschaftlichen Eliten der Deutschen haben sich mehr als 50 Jahre mit dem Image als Täter von Verbrechen und als Kriegsanstifter identifiziert.
Das Ausland, besonders auch die Vertreiberstaaten, haben das wohlwollend zur Kenntnis genommen. Die Verbrechen an Deutschen - von wem auch immer begangen - konnten vor dem Hintergrund der Stigmatisierung der Deutschen als Tätervolk relativiert und tabuisiert werden. Nun beginnen die Deutschen, sich ihrer eigenen Opfer in der Kriegs- und Nachkriegszeit zu erinnern.
Offensichtlich gefällt dies bestimmten Kreisen in Polen und Tschechien nicht. Die beachtliche Agitation von dort gegen das BdV-Vorhaben ist ein Ärgernis, weil es sich hier um eine Einmischung in eine rein innerdeutsche Angelegenheit handelt. Man spricht den Deutschen die Fähigkeit ab, alleine und verantwortungsbewußt über das Thema Vertreibung Geschichtsschau halten zu können. Der ehemalige polnische Außenminister Bartoszewski hat bedauerlicherweise bei der Kampagne eine besondere Negativrolle übernommen.
Das deutsche Zentrum gegen Vertreibungen könnte sicherlich nicht der heute durchweg gängigen Schwarz-Weiß-Geschichtsbetrachtung folgen: Hier die Deutschen als Täter, dort die Polen und Tschechen als Opfer. Das Zentrum würde informieren und dokumentieren, daß es Täter und Opfer hüben und drüben gab. Anscheinend wollen die Unterzeichner des Aufrufes diese differenzierte Geschichtsbetrachtung nicht. Vermutlich verhindern sie damit die Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte in den Nachbarstaaten. Dies aber ist eine Voraussetzung für ein partnerschaftliches Miteinander in der EU. Wahrheit macht frei. Wer wüßte das nicht besser als die Deutschen. (Erika Steinbach ist der Sprecher der Freundeskreis Ostdeutschland/LO)
Die Ideen der Kritiker sind Einmischungen in eine innerdeutsche Angelegenheit |
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