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Was ist deutsch? Gartenzwerg oder Goethe? Kuckucksuhr oder Kant? Pickelhaube oder Pünktlichkeit? In kaum einem anderen Land wird die Frage nach der eigenen Identität so intensiv gestellt wie in Deutschland. Und je mehr Menschen man befragt, umso vielfältiger fallen die Antworten aus.
Das Germanische Nationalmuseum (GNM) in Nürnberg geht mit der großen Ausstellung "Was ist deutsch?" dieser Frage nach und nimmt dabei natürlich auch das Nationalgefühl der Fußball-Weltmeisterschaft ins Visier. Die Ausstellung unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten Dr. Horst Köhler ist eine Kooperation mit dem "Kunstpädagogischen Zentrum der Museen" in Nürnberg (KPZ).
In einer anregenden Mischung aus Ernst und Leichtigkeit werden in der Ausstellung fünf Themenfelder behandelt ("Sehnsucht", "Vaterland", "Glaube", "Charakter", "Geist") und Antworten auf die zentrale Frage gesucht, die jedoch dem Besucher nicht aufgedrängt werden. Im "Geist" geht es um den Begriff der Kulturnation. Dort werden nicht nur die Stützen der Kulturnation, das Konzept der Dichter und Denker, beleuchtet, sondern auch kulturelle Leitmotive der letzten 200 Jahre. Der "Charakter" spürt den Facetten der deutschen Mentalität zwischen Leistungsdenken und Gemütlichkeit nach. Dabei kommt "Made in Germany " ebenso vor wie die deutsche Kaffeerunde, der Verein oder die Frage, ob Pünktlichkeit noch eine deutsche Tugend darstellt.
Das Thema "Glaube" reicht von der Bedeutung Luthers über die Religiosität unserer Tage bis hin zum christlich-jüdischen Verhältnis und der Herausforderung, die der Dialog mit dem Islam heute darstellt. In der "Sehnsucht" geht es um das Verhältnis der Deutschen zum Wald, um ihre Liebe zu Italien und um den Wunsch nach dem guten Herrscher, der leicht in den Ruf nach dem starken Mann umschlagen konnte.
Das "Vaterland" widmet sich der Lebenserfahrung in den beiden deutschen Staaten, thematisiert die Begriffe Grenzen, Heimat, Freiheit und Zerrissenheit, spart aber auch den Holocaust als Bezugspunkt in der Frage der nationalen Identität nicht aus.
Ohne den Besuchern vorgefertigte Antworten vorzusetzen, strebt die Ausstellung an, Diskussionen anzuregen. Im Fokus stehen die letzten zwei Jahrhunderte deutscher Kulturgeschichte von den Befreiungskriegen bis zur Gegenwart, eingeschlossen auch Rückblicke auf die Traditionslinien bis zur Dürerzeit.
"Was ist deutsch?" nähert sich der Frage mit einer vielschichtigen Auswahl von etwa 700 Objekten, die sowohl der heutigen Alltagskultur als auch Museumssammlungen entstammen. Mit ihren Werken sind unter anderem so bedeutende Künstler vertreten wie Albrecht Dürer, Hans Baldung Grien und Lukas Cranach, Moritz von Schwind, Philip Otto Runge und Karl Friedrich Schinkel, Christian Rohlfs, Lyonel Feininger und Karl Hofer, Jörg Immendorff, Gerhard Richter und Wolfgang Mattheuer. Diese illustre Runde trifft auf Dinge des deutschen Alltags: das Sandmännchen, den Schäferhund, den Schrebergarten, aber auch auf Themen wie Heimat, Muslime in Deutschland oder die neue Modesportart Nordic Walking.
Im geschichtsträchtigen Umfeld Nürnbergs und in einem Museum, das 1852, nach der gescheiterten politischen Einigung der deutschen Staaten, gegründet wurde, um die Einheit des "germanischen", das heißt deutschsprachigen Kulturraums zu dokumentieren, hat eine fundierte Auseinandersetzung mit den Aspekten deutscher Identität ihre besondere Bedeutung. Prof. Dr. G. Ulrich Großmann, Generaldirektor des GNM, stellt dazu fest: "Als Nationalmuseum können wir wie kein anderes Museum in diesem Land unsere Sammlungen als Fundus nutzen, um Fragen zu stellen und Antworten zu suchen."
"Wir gehen nicht deutsch-grüblerisch an die Frage heran, sondern zeigen eine spannende, zur Diskussion anregende Präsentation, mit Witz und auch provokant", erläutert Matthias Hamann, der zusammen mit Thomas Brehm (KPZ) das Ausstellungsteam leitet, das Konzept. Eine einheitliche Antwort auf die Frage "Was ist deutsch?" wird es kaum geben. Also: Gartenzwerg und Goethe, Kuckucksuhr und Kant ...
Die Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, 90402 Nürnberg, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr geöffnet, Eintritt 4 / 3 Euro, bis
3. Oktober. Zur Ausstellung erschienen ein umfangreicher, farbig bebilderter Katalog (272 Seiten) und ein Band mit den Beiträgen zu einer 2005 abgehaltenen wissenschaftlichen Tagung (132 Seiten, 16 farbige., zahlr. schwarzweiße Abbildungen, im Museum je 18 Euro). |
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