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Wer würde sich nicht gerne einmal über Gesetze hinwegsetzen, besser noch, sich selber Gesetze schreiben? Früher war dies ein "Vorrecht" von Königen, heute von Diktatoren.
Der einfache Bürger kann das nicht. Er muß sich an die Gesetze halten, die das Zusammenleben in einem Staat regeln. Im "Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland" ist so etwas zudem - und überhaupt - nicht vorstellbar. So zumindest denkt der brave deutsche Michel zwischen Flensburg und Oberammergau und verachtet zutiefst den "Paten" Berlusconi, der dies in Italien gerade probiert.
Die deutschen Medien überbieten sich mit Verurteilungen der Verhältnisse im Land der Corleones. Man hatte es ja schon immer gewußt - Italien, eine unendliche Geschichte der Mafia. Bei uns, in unserem Rechtsstaat mit unseren strengen Staatsanwälten, könnte so etwas nie passieren. Der Staatsanwalt gilt bei uns als Institution. Der Bürger weiß, ein Staatsanwalt bringt unnachgiebig jeden Gesetzesbrecher, der ihm bekannt wird, zur Strecke, ohne Ansehen der Person. Vor keinem Beamten hat der brave deutsche Bürger mehr Respekt als vor dem Staatsanwalt. Im Umkehrschluß bedeutet dies natürlich für den braven Bundesbürger: Wenn der Staatsanwalt nichts tut, ist "alles paletti".
Es ist in letzter Zeit nahezu alles "paletti" in diesem unserem Lande. Todesfälle bei Müllkraftwerken, Leuna, Spürpanzer, Korruption, Bestechung, Erpressung, Untreue, Geldwäsche, schwarze Millionen bei der WestLB und auf den Konten von Politikern und Spitzenbeamten. "Alles paletti!"
Ist im real existierenden Rechtsstaat Deutschland wirklich "alles paletti"? Ein Fallbeispiel:
Am 16. November 2000 habe ich als Ex-Vorstand der Preussag AG in Hannover deutsche Staatsanwälte "live" erlebt. Sie waren schon nach kurzem Verhör fix und fertig. Die Herren rieten mir, ich solle mir ganz genau überlegen, was ich sage. Ich könne mich in allergrößte Schwierigkeiten bringen. Weiter - ob man alle Fakten, wie von mir vorgebracht, aufnehmen solle. Wohlgemerkt, ich war Organ der Firma, um deren Betrügereien es ging, und alle Aussagen waren juristisch eindeutig nachprüfbar.
Mir war die Vorgehensweise der Herren sofort suspekt. Sie unternahmen noch nicht einmal den Versuch, die kriminellen Abläufe seriös zu beleuchten. Statt dessen waren sie darauf bedacht, selbst schwerste Betrugsvorgänge, so gut es ging, zu vertuschen. Ihr pflichtwidriges Nichtstun führte letztlich sogar zum Fünf-Milliarden-Euro-Konkurs der Babcock AG. Der Grad ihrer Angst nahm Ausmaße an, der mich befürchten ließ, die Wächter des Rechts in unserem Staat würden auf der Welle ih- res Angstschweißes den Raum schwimmend verlassen.
Dabei war der Hintergrund ganz simpel. WestLB-Chef Neuber hatte als Aufsichtsrats-Vorsitzender der Preussag/TUI nicht nur die Staatsanwälte "im Sack". Sei es mit Geld oder Lustbarkeiten zu Lande, zu Wasser und in der Luft: Empfängen mit Staatsanwälten und Steuerfahndern auf Schlössern und auf Rheindampfern sowie Flügen im Privatjet mit intimster Damen-Betreuung - nach Ex-Ministerpräsident Wolfgang Clement "Luftnummern".
Für die Süddeutsche Zeitung ist Neuber schlicht "der Pate". In Italien ist das der Boss der Bosse.
Wegen der Männerfreundschaft Rau/Neuber endet genau hier der Zugriff der Anwälte des Staates. Der frühere Ministerpräsident und heutige Bundespräsident ist Schutzpatron des Genossen-Paten. Er kann - die politische Abhängigkeit unserer Staatsanwälte nutzend - ganz offensichtlich sich und auch einen kriminellen Genossen vor dem Zugriff der Justiz bewahren. Einige Staatsanwaltschaften sind Teil dieses Systems - nicht nur in NRW. Und nicht nur den Spiegel (7/2000) erinnert dies an Mafia. Sich vorzustellen, daß ein Politiker wie Rau Staatsanwälte "legal" stoppen kann, ist nachgerade pervers.
Der Richterbund will diese Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte nun ändern, denn "es schadet der Justiz". Recht haben sie, die deutschen Richter. Wir brauchen keine Polit-Mafia. In Deutschland ist längst nicht "alles paletti". |
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