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Die grüne Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck, schlägt vor, man müsse den Zuwanderern einen "Patriotismus anbieten" - wie ein Schnäppchen auf dem Flohmarkt? Nein, nein: Sie sollen lernen, daß Männer und Frauen "gleich" sind (!) und vom Grundgesetz hören, meint Beck damit. Andere gehen weiter: In einem Einführungskurs solle man den Einwanderern nicht nur die deutsche Sprache, sondern auch die deutsche Geschichte erläutern. Deutsche Geschichte? Die ist, politisch korrekt betrachtet, schnell erzählt: Am Anfang war Armin der Cherusker, der ein uneinsichtiger Aufrührer war, dann kam Adolf der Hitler, der ein Verbrecher war, und dann kam Joschka Fischer - der ist die Strafe.
Aber halt stopp: Frau Beck und "Patriotismus? Wie geht das plötzlich? Keine Aufregung, sie meint es gut, sie hat aus der Geschichte gelernt. Deshalb will sie einen Patriotismus ohne Vaterland, einen, der sich je nach Lage von weisen Führern hinmodeln läßt. Einen, der alles mögliche ist, nur auf keinen Fall "deutsch". Doch, fragen sich ihre Bewunderer, warum hat ausgerechnet sie dann dieses gräßliche Wort benutzt? Sie hätte wissen können, daß Generationen von Politikern sich vergeblich bemüht haben, dem ungehobelten Volk ihren jeweils ganz persönlichen, "zeitgemäßen" Patriotismus einzutrichtern. Die Masse aber blieb meist uneinsichtig und praktizierte ihre naive Vaterlandsliebe stur weiter.
Auch heute scheint die Erziehung zum richtigen, also vaterlandslosen "Patriotismus" erneut schiefzugehen. Die Redakteure des Spiegel wollten es genau wissen und sind durchs Unterholz geschlichen auf der Suche nach Deutsch-Verdächtigem in der modernen Kunstwelt. Dort haben sie schreckliches entdeckt: Bei den jungen Malern und Musikern rollt eine deutschnationale Flutwelle, die alle Errungeschaften von 1968 hinwegzuspülen droht, wenn wir nicht alle wachsam sind und energisch draufschlagen. "Sie trauen sich wieder", läßt das Magazin Alfred Hilsberger, einen 57jährigen Veteran des Punkrock, grollen. "Sie" sind allesamt 20 bis 30 Jahre jünger als der fortschrittliche Alt-Punker und scheren sich einen Dreck um all die gesicherten Erkenntnisse, die er und seine Kollegen auf Kolloquien, Mahnwachen, Antidies- und Antidas-Demos oder "Rock-gegen-Rechts"-Konzerten verbreitet haben. "Sie" sind da offenbar gar nicht hingegangen und produzieren heute trotzig Lieder, in denen Deutschland in "dreister, leichtfertiger und geschichtsverdrängender" Art (so der Punk-Senior im Spiegel) positiv besungen wird. Eine neue Plattenfirma nennt sich gar frech "Sing deutsch!".
Auf der politischen Ebene ist das alles ja noch handhabbar. Dort bemühen sich die Beteiligten gerade erfolgreich, die uneinsehbare Suppe des unkontrollierten "Patriotismus" soweit zu verdünnen, daß eine wäßrige Plörre entsteht, in die außer dem Grundgesetz und der Gleichheit von Mann und Frau nichts hineinkommt. Aber diese jungen Künstler wollen allem Anschein nach gar nicht über Patriotismus reden, bis ein Deutschlandbild herauskommt, das auf einen Bierdeckel paßt. Sie praktizieren ihre Vaterlandsbejahung einfach und ohne zu fragen, ob ihr Tun auch dem Stand der öffentlich-rechtlichen Diskussion entspricht. Hilsberger sieht sich lauter "provokativen Elementen" ausgesetzt. Eine menschliche Tragödie: Er, der einstige Rebell mit dem Exklusivrecht auf Provokation, muß sich nun seinerseits von jungen Schnöseln provozieren lassen.
Das Unerträgliche an dem Ganzen ist die Geschwindigkeit und Breite. Erst gestern noch war die Welt in Ordnung. Deutsch war per se schlecht, deutsch singen durfte man wohl - aber wenn es im deutschen Text um Deutschland ging, war der Inhalt selbstverständlich "kritisch" zu gestalten. Und heute? Bis in die Massenunterhaltung hinein spielen sie mit deutschen Themen, ohne die unendliche Bestrafung für den Holocaust anzumahnen, ohne Deutschland an sich als Irrweg durch die Jahrtausende zu enttarnen. Wie auf Bestellung der neuen Patrioten sendete Sat.1 Anfang der Woche "Die Nibelungen". Wenigstens hatten die Macher das Ur-Stück grausam verstümmelt. Doch die irritierten Aufpasser sind sich einig: Vor ein paar Jahren noch hätte es kein TV-Produzent gewagt, diesen unerträglich deutschen Stoff auch nur anzufassen. Einen "Neuanfang ohne nationale Skrupel" diagnostiziert der Spiegel angesichts der Fernseh-Germanen.
Manche Übereifrige geben jetzt dem Bundeskanzler eine Mitschuld an dem Fiasko. Mit seinem Versprechen im Wahlkampf 2002, den "deutschen Weg" beschreiten zu wollen, habe er das Stichwort gegeben. Ja sicher: Stich-"Wort"! Seit wann aber ist es üblich, daß Wörtern vor den Wahlen entsprechende Taten danach folgen? Das hätte Schröder nicht wissen können, daß ausgerechnet ihm, dem einstigen Kämpfer für die deutsche Zweistaatlichkeit, jemand seinen "Patriotismus" abkauft. Und das hat ja auch kaum jemand: Der "deutsche Weg" war nach vorliegenden Erkenntnissen schon lange vor Schröders Ausrutscher proppevoll. Nur haben wir das kaum wahrgenommen.
Wie konnte die Generation der 20- bis 40jährigen der Vergangenheitsbewältigung nur derart durch die Lappen gehen? Nun, von "der" Generation kann glücklicherweise keine Rede sein. Noch immer stehen - von ihren progressiven Leh-rern aufgeklärte - Menschen dieses Alters Schlange, um sich für ihr mutiges Einschreiten gegen das Gefallenenehrenmal im Dorf öffentlich ehren zu lassen. Noch rackern sich zivilcouragierte Studenten ab, um politische Abweichler zu stellen und dem Verfassungsschutz zu melden.
Um der patriotischen Bedrohung Herr zu werden, empfiehlt es sich, zu bewährten Mitteln zu greifen und die "gefährliche Nähe" solcher Strömungen zu "rechtem Gedankengut" zu entlarven. Man müßte sie nur ordentlich mit den richtigen Nazis verrühren und dann zusammen wegkippen. Das hat bislang gut funktioniert. Denken wir an das große Jahr 2000, als der "Aufstand der Anständigen" herausfand, daß sogar die CDU irgendwie rechts ist. Fangen wir also bei echten Nazis an und leiten dann bruchlos über zu den anderen, die wir auch noch loswerden wollen.
Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hat darin Übung und er weiß: Erfolgreiche Erziehung beginnt bei den ganz Kleinen. Deshalb geben die Verfassungsschützer jetzt ein Comic-Heft heraus, das jedem Dreikäsehoch erläutert, was Nazis sind, noch bevor er überhaupt weiß, was "Politik" bedeutet. Jung und unverbraucht wird er dann artig verallgemeinern und alles "Deutsche" mit seiner Knallkorkenpistole über den Haufen schießen.
Wie der Patriotismus an die Schulen zurückkehrte
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