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Die Verbraucherschützer haben uns gewarnt: Fallt nicht auf bunte Briefchen herein, die euch weismachen wollen, ihr hättet ohne eigenes Zutun irgend etwas Tolles gewonnen! Eine "Traumreise" beispielsweise. Das sei alles Schmu, der den vermeintlichen Glückspilz teuer zu stehen komme.
Alles muß für viel Geld extra bezahlt werden: Die Anreise zum Abreisehafen, das gammelige Essen und sogar die dreckigen Kabinen. Das "romantische Kreuzfahrtschiff" entpuppt sich als verrostetes Todesurteil unter liberianischer Flagge, das nur vom Seemannsgarn des Veranstalt ers zusammengehalten wird. Die "malerischen Häfen" auf der Route erweisen sich als lebensgefährliche Piratennester, an denen die vorbestrafte Besatzung nur festmacht, um Schmuggelware an Bord zu nehmen usw. Man hat uns gewarnt, und doch fallen immer wieder welche auf den Schwindel herein.
Wenn Kanzler Schröder aus seinem Urlaub (in Hannover, der Arme) zurückkommt, wird er auch so ein windiges Schreiben vorfinden. Absender: Washington. Vom Gewinn einer wunderbaren Freundschaft wird darin geflötet, der von George Bush nämlich. Wir müssen nichts bezahlen, heißt es, weil wir so nett mitgemacht haben in Afghanistan. Des Kanzlers Stallwachen in der Hauptstadt sind ganz aus dem Häuschen vor Freude. Das Kleingedruckte haben sie offenbar übersehen. Da nämlich lüftet der Rattenfänger seine hübsche Maske: Das Ziel der versprochenen Liebestour ist die Hölle von Bagdad. Schröder sucht jetzt nach einem Weg, wie er den Gewinn einheimsen kann, ohne die Zeche zu bezahlen. Wir werden sehen, wohl ist uns nicht.
Verteidigungsminister Struck hingegen geht es prächtig. Der blasse Mann muß bei seinem Anflug auf Kabul ein bißchen viel von den Opiumschwaden über Nord-Afghanistan eingeatmet haben. Im Rausch packte ihn das Reisefieber, weshalb er Bush postwendend zusagte. Bagdad soll ja auch seine schönen Seiten haben. Um aber dorthin fliegen zu können, muß Struck zuvor ein paar Bundeswehrsoldaten an den Tigris geschickt haben. Erst dann darf auch der Wehrminister mal hinfliegen, um die Überlebenden zu besuchen.
Wenn der Kanzler zurückkehrt, wird er sich um seinen Struck kümmern müssen. Vielleicht hat dem ja auch bloß die Hitze zugesetzt. Sogar die Spree ist fast fast verdunstet, und SPD-Generalsekretär Scholz müht sich, der SPD das gleiche Schicksal zu bereiten, indem er die "soziale Gerechtigkeit" zusammen mit dem ganzen ande- ren Sozen-Quatsch in den Müllschlucker gestopft hat. Ein spannender Wettlauf ist da in Gang gekommen, nachdem JU-Chef Mißfelder die Alten komplett zur Abschaffung vorgeschlagen hatte. Nein, er will sie nicht einfach alle über die Klippen schubsen. Was gäbe das für häßliche Bilder in der Zeitung, jetzt, wo Wahlen anstehen in Bayern. Nehmt ihnen bloß die Zähne, die Gelenke und ihre Pillen weg. Der Rest wird dann schon. Gegen soviel Fortschrittlichkeit von Jungunions-Seite mußte Scholz erst mal ankommen. Das ist ihm gelungen. Jetzt müßte die Union wieder nachlegen. Wie wär s mit der Idee, die albern herumkaspernden Kindergartenkinder endlich einer gemeinnützigen Tätigkeit zuzuführen? In Pakistans Webereien klappt das doch auch? Wir haben es im Fernsehen gesehen.
So eine Debatte könnte uns eine ganz Weile bei Laune halten. Sie kommt nur leider zu spät, das Sommerloch ist so gut wie durchschritten. Daher gelangen nun wieder jene Fragen aufs Tapet, die unser Schicksal wirklich bestimmen. Etwa: Wer wird nächster Bundespräsident? Daß in diesem Zusammenhang sogar schon der Name Klaus Kinkel fiel, macht selbst dem Genügsamsten klar, daß die Not groß sein muß.
Daher sollten wir von vorn beginnen und zunächst fragen: Wie wird man eigentlich Bundespräsident. Am geeignetsten erscheint die Methode Rau. Sie lautet schlicht: Werde lästig. Wie ein glitschiger Sumpfparasit hatte sich der 2004 scheidende Staatschef an seinem Ministerpräsidentenstuhl in NRW festgesogen, so daß den entnervten Genossen gar nichts anders übrigblieb, als ihm das Schloß Bellevue als neues Biotop anzudienen. Aber Lästigkeit allein reicht natürlich nicht. Man muß schon ein paar Fähigkeiten mitbringen für das höchste Amt.
Eine gewisse noble Blindheit ist neben anderem Voraussetzung. Es gab mal einen Kandidaten Heitmann, dem fehlte die. Nach einem Besuch in Stuttgart, wo er offenbar allzu genau hingeguckt hatte, sagte der Sachse, er habe sich ob der vielen Ausländer gar nicht mehr wie in Deutschland gefühlt. Das war s dann. Was sollen die ausländischen Mitbürger denken? Der Türke Ali zum Beispiel? Aber der war ja kein Türke, sondern Günter Wallraff, wie wir erst später erfuhren. Wallraff hatte in den 70ern als Türke Ali "ganz unten" verdeckt die Ausländerfeindlichkeit ermittelt. Also Ali ist Wallraff, aber - wer ist Wallraff?
Ein begnadeter Buchautor, soviel ist sicher. Vor lauter Bücherschreiben hat er vollkommen vergessen, uns von ein paar Freunden zu erzählen, für die er ebenfalls fleißig geschrieben haben soll. Leider sind die Texte wohl verschüttgegangen. Man speist uns mit den Protokollen von Wallraffs Freunden aus der Ostberliner Magdalenenstraße ab. Für Liebhaber guter Literatur eine herbe Enttäuschung. Für den Autoren Wallraff nicht minder: der will nach der langen Zeit von seinem interessanten Frühwerk gar nichts mehr wissen. Schade. Aber wir werden eben alle nicht jünger. Früher war alles einfacher. Gut und Böse waren noch genauso klar getrennt wie heute nur noch auf der Weltkarte von Donald Rumsfeld.
Am 11. September gedenken wir dieser schönen Zeit. Am 11. September vor dreißig Jahren hat dieser widerliche Pinochet Chiles Präsident Allende ermorden lassen und dem lateinamerikanischen Kontinent somit das Geschenk einer zweiten Sowjetrepublik vermasselt. Das war schlimm, doch die Jahre danach waren wunderbar. Mit dem Rücken entspannt an die Berliner Mauer gelehnt, konnten wir von morgens bis abends auf diese schreckliche Diktatur hinter den Anden eindreschen. Und keiner tat uns was. So ist das eben mit dem Widerstand gegen Diktaturen. Richtig Spaß machen tut das nur, wenn der Despot entweder schon lange tot ist, oder ganz weit weg. |
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