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Gedenkstätten: Das selektive Gedächtnis

 
     
 
Seit Monaten hangelt sich die rot-grüne schleswig-holsteinische Landesregierung am Rande einer Haushaltskatastrophe entlang. Überall hat man die Ausgaben zusammengestrichen, trotzdem werden die Finanzierungs- lücken immer größer. Tatsächlich soll im Landeshaushalt 2003 eine Deckungslücke von 608 Millionen Euro klaffen, wie die oppositionelle CDU-Fraktion errechnet hat.

In dieser Zeit tiefster finanzieller Krise wird auf Initiative der links-sozialdemokratisch
en Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave eine „Bürgerstiftung schleswig-holsteinischer Gedenkstät- ten“ ins Leben gerufen, die das Ziel hat, Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus zu finanzieren. Das Land stellt dafür 255.000 Euro zur Verfügung. Sie sollen der Anfang sein für ein Stiftungskapital, das auf mindestens 1,25 Millionen Euro anwachsen soll. Jan Philipp Reemtsma hat bereits einen bedeutenden Betrag in Aussicht gestellt. Die unter zunehmender Finanznot leidende Nordelbische Evangelische Kirche ist ebenso dabei wie das katholische Erzbischöfliche Amt, die Industrie- und Handelskammer, Gewerkschaften, die „Kieler Nachrichten“ sowie einzelne Personen der Bundeswehr und der eine oder andere Historiker, vermutlich von dem antifaschistischen staatlichen „Institut für Zeit- und Regionalgeschichte“, dem vor Jahren bereits von der FDP-Landtagsfraktion vorgeworfen wurde, es wecke vor allem den „Eindruck von Kungelei und Kumpanei unter guten Freunden und (linken) Genossen“.

Nun könnte man glauben, Schleswig-Holstein leide unter einem Mangel an Erinnerungsstätten an Opfer des Nationalsozialismus. Die vor sechs Jahren von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegebene Dokumentation über Gedenkstätten weist aber für das nördlichste Bundesland die stattliche Zahl von 123 solcher Denkmale aus.

Jeder Mensch, der aufgrund seiner nationalen oder religiösen Zugehörigkeit Opfer wurde, verdient Würdigung und Pietät. Was aber bedenklich stimmt, ist die offenkundige Einseitigkeit. Vor kurzem mußte Schleswig-Holsteins einzige Gedenkstätte für die Flucht und Vertreibung der Deutschen, ein kleiner Dampfer, der am Transport der Flüchtlinge über die Ostsee beteiligt war und nun bei Damp als Museum hergerichtet war, schließen, weil keine öffentliche Stelle bereit war, die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Da muß der Verdacht aufkommen, daß es keineswegs um die Erinnerung an die Opfer politischer Gewalt geht, sondern um Propaganda.

Das permanente demonstrative Hervorkehren deutscher Gewalttaten läßt die Frage logisch erscheinen, warum man in Deutschland als einzigem Land in der Welt so rigoros eigene Untaten und eigene Schuld plakatiert. Im Zeitalter der Globalisierung ist auch zu fragen, wie andere Völker mit den von ihnen zu verantwortenden Greueltaten umgehen.

Da läuft seit einigen Wochen durch mehrere dritte Programme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens ein zweiteiliger Dokumentarfilm mit dem Titel „Im Namen des Tenno - Japan im Zweiten Weltkrieg“. Wir erfahren darin aus dem Munde von amerikanischen Veteranen, wie die Truppen der USA den Krieg im Pazifik geführt haben. Ein US-Marine-Offizier sagt: „Man hat uns beigebracht, daß die Japaner Un- termenschen seien.“ Ein ehemaliger Soldat der US-Marineinfanterie spricht in die Kamera: „Wir haben nie japanische Gefangene gemacht. In meinen zwei Jahren in Übersee habe ich nie gesehen, wie ein Gegner gefangengenommen wurde. Einmal kam einer mit 30, 40 Mann, alle hatten die Hände hoch. Sie wurden an Ort und Stelle erschossen. Wir machten eben keine Gefangenen.“

Ein ehemaliger Soldat der US-Luftwaffe erzählt, daß sie gefallenen Japanern „den Gewehrkolben auf den Hinterkopf schlugen, um an die Goldzähne heranzukommen. „Ich sah Soldaten, die eine ganze Papiertüte voller Goldzähne hatten, schätzungsweise zehn oder fünfzehn Pfund. Das war die Freizeitbeschäftigung. Es kümmerte keinen.“ Und einer von der US-Marineinfanterie wußte eine noch bessere Methode, um an die japanischen Goldzähne heranzukommen: „Wenn man sie mit der 45er (Pistole) in den Kopf schießt, geht automatisch der Mund auf. Und dann lachen einen all die Goldzähne an. Ich nahm dann die Zange. Ich hatte eine ganze Feldflasche voll.“ Und in der großen US-amerikanischen Illustrierten „Life“ erschien damals das Foto einer blonden Schönheit, die versonnen auf ihren Schreibtisch blickt. Auf ihm liegt der Totenschädel eines gefallenen Japaners, den ihr boy-friend, der an der Pazifik-Front kämpfte, präpariert hatte, um ihn, versehen mit den Unterschriften seiner Kameraden, als Souvenir zu schicken.

Das alles wird in dem Täterland wie auch in Europa kommentarlos hingenommen. Kein Millionär organisiert eine Ausstellung „Verbrechen der US-Army“, keine Gedenkstätten werden errichtet, keine Kriegsverbrecherprozesse in die Wege geleitet.

Handeln nun die Deutschen richtig, wenn sie ständig und immer wieder an die eigenen Untaten erinnern, oder die Sieger, die die Verbrechen ihrer Soldaten dem Vergessen überantworten?

 
     
     
 
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