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Geplatzer Frieden

 
     
 
José Luis Rodríguez Zapatero ist gestern durch die Trümmer seiner eigenen Anti-Terror-Politik spaziert", resümierte die Madrider Zeitung "ABC" bitter nach dem Besuch des spanischen Ministerpräsidenten in den Ruinen des Parkhauses hinter dem Terminal 4 des Hauptstadtflughafens Barajas. Peinlicher hätte es für den sozialistischen Regierungschef in der Tat nicht kommen können. Nur einen Tag vor dem Anschlag der baskischen Terrorgruppe Eta vom 30. Dezember, bei dem zwei Ekuadorianer im Alter von 19 und 35 Jahren ihr Leben ließen und 26 weitere Personen verletzt wurden, hatte sich Rodríguez Zapatero noch euphorisch über den Fortgang des von ihm initiierten "Friedensprozesses" mit der Eta geäußert - eine Blamage
sondergleichen.

Die oppositionelle konservative "Volkspartei" (PP) hatte Verhandlungen mit den baskischen Terroristen stets abgelehnt und statt dessen eine harte Linie verfolgt. Nachdem es Rodríguez Zapateros konservativem Amtsvorgänger José Maria Aznar gelungen war, die in den Jahren zuvor eher schleppend funktionierende Zusammenarbeit mit dem Nachbarn Frankreich deutlich zu verbessern, konnten bis zum Machtwechsel in Madrid nach den Märzwahlen 2004 reihenweise wichtige Eta-Terroristen verhaftet werden - oft auf dem Territorium des nördlichen Nachbarn, das die Bande zuvor als regelrechten Rückzugsraum genutzt hatte.

Die linke Nachfolgeregierung warf das Ruder jedoch herum und setzte auf Gespräche. Als die Eta Anfang 2006 einen "unbefristeten Waffenstillstand" verkündete, schien der Erfolg der weichen Linie unbestreitbar. Ebenso deutlich aber, wie Rodríguez Zapatero diesen "Waffenstillstand" als seinen persönlichen politischen Sieg in Szene setzte, ist der blutige Anschlag von Barajas jetzt seine tiefe persönliche Niederlage.

Kritiker werfen dem Sozialisten denn auch vor, sich angesichts des Desasters mehr um sein eigenes politisches Schicksal zu sorgen als um die politische Antwort auf den Ausbruch terroristischer Gewalt. Mit Verwunderung nahm die spanische Öffentlichkeit zur Kenntnis, daß sich der Regierungschef erst am 4. Januar, mehrere Tage nach der Bombenanschlag, am Tatort blicken ließ, nachdem sein Innenminister, die Präsidentin der Region Madrid, der Bürgermeister der Hauptstadt sowie der konservative Oppositionsführer Mariano Rajoy längst dort gewesen waren.

Vor der versammelten Presse vermied es Rodríguez Zapatero strikt, Wörter wie "Terrorismus" oder "Niederlage" (seiner Verständigungspolitik) in den Mund zu nehmen. Statt dessen sprach er unverdrossen von seiner "Entschlossenheit", den Prozeß zum "Frieden" fortzusetzen. Fragen von Journalisten beantwortete er nicht, was den Eindruck von Verstocktheit nur noch verstärkte. Für die Ratlosigkeit der sozialistischen Regierung spricht zudem, daß Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba den Friedensprozeß bereits für "liquidiert" erklärte, während sein Ministerpräsident Rodríguez Zapatero die Verhandlungen lediglich "aussetzen" möchte.

Wie zum endgültigen Beweis, daß der Regierungschef mit seinem "Friedensprozeß" einen toten Gaul reitet, entdeckten Ermittler des baskischen Innenministeriums in einem Höhlenversteck auf dem Gebiet der baskischen Provinz Viscaya just an jenem 4. Januar ein Sprengstoffdepot der Eta. Von 100 Kilogramm Sprengmaterial in Kanistern ist die Rede; nur der Zünder habe noch gefehlt, und man hätte mit den Bomben ein Blutbad anrichten können, verlautet aus Sicherheitskreisen.

Nervös versuchen prominente Sozialisten ihrem Ministerpräsidenten Brücken zu bauen, über die er sich aus der verfahrenen Lage befreien kann. José Bono, Verteidigungsminister von 2004 bis 2006, versucht der aufgewühlten Volksmeinung mit harten Worten entgegenzukommen: "Der Eta müßte man ernst und demokratisch die Zähne zeigen, damit sie wissen, daß sie mit erhobenen Händen kommen müssen, wenn sie verhandeln wollen, und daß, wenn sie das nicht tun, sie auch die Konsequenzen zu tragen haben", zitiert ihn die Zeitung "El Mundo".

Indes keimt die Frage auf, wer "sie" überhaupt sind. Berichte über eine tiefgreifende Führungskrise innerhalb der Terrorgruppe machen die Runde. Der "offizielle" Eta-Boß Josu Ternera sei von dem Attentat womöglich gar nicht informiert gewesen, heißt es. Er sei auf Betreiben des "militärischen Führers" Garikoitz Aspiazu Rubina, genannt "Txeroki", im "Exekutivkomitee" überstimmt worden. Hardliner Aspiazu habe von Ternera "greifbare Ergebnisse" der geheimen Gespräche mit Madrid gefordert, die der Eta-Chef nicht habe liefern können, so ein Bericht der Zeitung "El País". Terneras Macht zerfalle seitdem. Ebenso in Auflösung scheint das Bündnis zwischen der Eta und ihrem "politischen Arm", der als verbotenen Partei Batasuna. Batasuna gab sich von dem Anschlag überrascht und forderte von der Eta eine Begründung für ihr Vorgehen. Was auf den ersten Blick wie ein billiges Manöver erscheinen mag, um seinen Ruf zu retten, deutet Sicherheitskreisen zufolge tatsächlich darauf hin, daß der Kontakt zwischen Batasuna und Eta schwer gestört, wenn nicht gar gänzlich unterbrochen ist. Welchen Wert aber hätten Abkommen mit der Batasuna oder Ternera, wenn deren Einfluß auf die Terroristen dahin ist?

Damit nicht genug: Fraglich ist nämlich nicht bloß, mit wem Ministerpräsident Rodríguez Zapatero seine "Friedensgespräche" fortsetzen will, sondern auch, worüber eigentlich verhandelt werden soll. Als Aspiazu Rubina von Ternera "Greifbares" forderte, wird er mit hoher Sicherheit Madrider Zugeständnisse in Richtung einer vollständigen Abspaltung des Baskenlandes von Spanien im Sinn gehabt haben. Darunter machen es die fanatischen Separatisten nicht. Mit derlei Konzessionen aber kann die Regierung von König Juan Carlos schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht dienen - ganz zu schweigen davon, daß schon der Hauch von einem Entgegenkommen dieser Art das politische Ende jeder spanischen Regierung nach sich zöge.

Mit Bangen blicken die Sozialisten von José Luis Rodríguez Zapatero nun auf die anstehenden Kommunalwahlen im Mai.

Foto: Vor den Trümmern seiner Friedenspolitik mit der Eta: Der spanische Ministerpräsident Rodrígue
 
     
     
 
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