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Siemens übernimmt die VA Tech, Österreichs größten Technologie-Konzern mit 17.000 Beschäftigten. Siemens hatte schon seit längerem Minderheitsanteile, aber Anläufe zur vollständigen Übernahme waren im vorigen Jahr gescheitert - weniger wegen breitgestreuter Kritik als vielmehr wegen eines zu niedrigen Angebots an die übrigen Aktionäre. Hinter den Kulissen ging das Tauziehen allerdings weiter. "Institutionelle Anleger " trieben den Börsenkurs in die Höhe, und statt des ursprünglichen Angebots von 55 Euro je Aktie, dem die staatliche Industrie-Holding ÖIAG bereits zugestimmt hatte, wurden schließlich 65 Euro je Aktie geboten. Damit konnte Siemens die erforderlichen 90 Prozent erwerben, um die VA-Tech-Aktie von der Börse zu nehmen. Die VA Tech soll vollständig im Siemens-Konzern aufgehen. Siemens Österreich finanziert die Transaktion sogar aus Eigenmitteln - ein beachtlicher Umstand, denn Großübernahmen werden meist auf Kredit finanziert, was den Handlungsspielraum des Kreditnehmers einschränkt und ihn nicht selten selbst zum Übernahmekandidaten macht. Siemens hat aber bereits angekündigt, den Kaufpreis in etwa sieben Jahren wieder einspielen zu wollen, weshalb die Rentabilität der erworbenen Produktionsstätten drastisch gesteigert werden müsse. Daß befristete Standort- und Arbeitsplatzgarantien nur soviel wert sind, wie der Markt zuläßt, ist ohnehin bekannt.
Der schwarze Peter für unpopuläre Maßnahmen könnte Siemens aber durch Dritte abgenommen werden, denn auch die Großkunden der VA Tech und die Brüsseler Wettbewerbshüter haben ein Wörtchen mitzureden - kartellrechtliche Einwände kommen primär vom französischen Siemens-Konkurrenten Alstom. Stimmt Brüssel der Transaktion vollinhaltlich zu, wird General Electric dann wohl kaum die bisher von der VA Tech bezogenen Großturbinen und Kraftwerksausrüstungen vom Erzrivalen Siemens kaufen - und solche Umsatzeinbußen werden schwerlich wettzumachen sein. Wegen seiner "marktbeherrschenden Stellung" gerade in diesen Bereichen könnte Siemens von Brüssel aber die Auflage bekommen, diese Teile der VA Tech weiterzuverkaufen. Dann gehen die betreffenden Standorte erst recht einer ungewissen Zukunft entgegen.
Die Privatisierung von Staatsbetrieben ist nun weitestgehend abgeschlossen, denn außer kleineren Restbeteiligungen verbleiben der ÖIAG nur noch die "Großen Brocken" Bahn, Post und Telekom. Daß bei der Privatisierung nicht alles optimal ablief, kann wenig verwundern: Ein politischer Auftrag zum Verkauf ist eine Sache, die Maximierung von Verkaufserlösen eine andere - und eine für die gesamte Volkswirtschaft ideale Lösung eine dritte. Derzeit werden Pläne diskutiert, die ÖIAG in eine Infrastruktur-Holding umzuwandeln - daß bei Infrastruktureinrichtungen die "freie Marktwirtschaft" ohne jede Eingriffsmöglichkeit der öffentlichen Hand zu Auswüchsen führt, ist mittlerweile erwiesene Tatsache.
Ein Kuriosum am Rande: Eine "Werkstatt für Frieden und Solidarität" mit Sitz in Linz hat Klage gegen die ÖIAG eingereicht wegen "Verschleuderung der VA Tech an einen Rüstungs- und Atomkonzern", was den Tatbestand der "Untreue" erfülle. Na ja. RGK |
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