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Ostdeutschlands Beitrag zur abendländischen Kultur sei beachtlich. Viele Impulse hätten von dort auf alle anderen deutschen Länder gewirkt, betonte der Sprecher der Freundeskreis Ostdeutschland (), Erika Steinbach, bei der feierlichen Eröffnung des Deutschlandtreffens in Leipzig.
Im Mittelpunkt dieser Eröffnungsveranstalt ung am vergangenen Sonnabend, die musikalisch umrahmt wurde vom Leipziger Blechbläser Quintett und bereits Hunderte von Landsleuten in ihren Bann zog, stand die Verleihung der diesjährigen Ostdeutschen Kulturpreise. Ausgezeichnet wurden der Maler Rudolf Kimmina und der Völkerrechtler Alfred de Zayas. (Über die Verleihung des Preises an de Zayas berichten wir an anderer Stelle.) Die Träger des Ostdeutschen Kulturpreises, so der Sprecher, praktizierten in bestem Sinne ostdeutsche Denkungsart. Er begrüßte in diesem Zusammenhang auch die Preisträger der Vorjahre, Professor Siegfried Matthus und Professor Eike Funck sowie Gerhard Rautenberg.
Vor der Preisverleihung jedoch sprach Hans-Günther Parplies, Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen, zum Thema "Kultur am Scheideweg - Gedanken zur aktuellen Lage der Vertriebenenförderung des Bundes". Parplies beklagte eindringlich, daß der ostdeutsche Anteil an der gesamtdeutschen Kultur schwinde; er nannte als Beispiel etwa einen Beitrag in der von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz herausgegebenen Zeitschrift "Monu-mente" über die Königskrönung vor 300 Jahren in Königsberg. Darin sei Königsberg nur einmal beiläufig erwähnt, eine Abbildung der Krönungszeremonie, geschweige denn vom Ort des Geschehens suche man vergeblich.
Eine Förderung ostdeutscher Kultur sei notwendiger denn je; unter der jetzigen Regierung jedoch würden viele Einrichtungen von der staatlichen Förderung ausgeschlossen oder gar aufgelöst. Das sei ein "glatter Rechtsbruch", so Parplies und verwies dabei auf den § 96 des Bundesvertriebenengesetzes (BFVG), nach dem ostdeutsche Kultur zu fördern sei. Parplies forderte jede künftige Regierung auf, diese rechtswidrige Praxis endlich zu beenden.
Die Laudatio für Rudolf Kimmina hatte Volker Schmidt, stellvertretender Vorsitzender der ostdeutschen Kulturstiftung, übernommen. Es habe eine Tücke, so Schmidt, einen Maler vorzustellen. "Denn ein Maler spricht durch seine Bilder, da ist jede noch so gut konstruierte Worterklärung nicht hinreichend." Kimmina, der die Bildsprache des Bauhauses gelernt hat, erhielt seine künstlerische und damit notwendige handwerkliche Ausbildung im westfälischen Münster an der dortigen Werkkunstschule. Obwohl 1944 in Westfalen geboren, gehört Kimmina zu der Generation der Flüchtlingskinder - Schmidt nannte ihn humorvoll ein "ostdeutsches Vorfluchtkind".
"Rudolf Kimmina ist ein ostdeutscher Maler", so Schmidt; "er befaßt sich mit dem Land heute, wählte es zu seiner Lebensregion." Zwischen Westfalen und der Kurischen Nehrung pendelt der Künstler hin und her. Schmidt wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß Kimmina seine Familie mit einbeziehe in seine Künstlerheimat. "Seine Frau trägt viele praktische Aufgaben des Doppelhaushalts, sein Sohn vollzieht die Arbeit des Vaters mit den Mitteln der Fotografie nach, überprüft sie gleichsam in Doppelausstellungen." Kimmina sei es gelungen, die Tradition weiterzugeben. "Wer Erinnerungen und Bewußtsein über Ostdeutschland weiterreicht, aktiv umsetzt für die folgende Generation, ist Glied der Tradition."
Dennoch sei er kein Heimatmaler und habe sich nicht auf Ostdeutschland kapriziert, er erarbeitete sich die Mark Brandenburg, bereiste Frankreich und Skandinavien. In Ostdeutschland aber liege deutlich sein Schwerpunkt. Seine Arbeiten fanden Aufnahme in die Museen von Graudenz, Tilsit und Memel, wo sie schon bald nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gezeigt wurden. In Lettland, Litauen, Estland, in Frankreich und in den Niederlanden waren seine Bilder zu sehen. Das Goethe-Institut in Riga fand eine gelungene Deutung der Arbeiten: "Beim Malen beginnt er einen Dialog, genauer gesagt, seinen gespiegelten Monolog, der sich ausschließlich der Bildsprache bedient."
Zum Abschluß seiner Ausführungen schilderte Volker Schmidt eine Begebenheit, "eine Schnurre", wie er es nannte, die ihm für den Preisträger und für Ostdeutschland beispielhaft schien: "In Preil", so Schmidt, "teilt die Familie Kimmina sich das Sommerhaus am Haff zur Hälfte mit ihrer Nachbarin Felicia Schröder. Der Name Kimmina ist schamaitischen Ursprungs und heißt soviel wie Feuchtniederung. Die Nachbarin ist Litauerin aus Schaulen, lebt winters in Vilnius und verbringt seit Jahrzehnten den Sommer in Preil. Sie heißt Schröder. Beide Partien bewohnen das vormalige Haus der Familie Rademacher, stehen in gutem Einvernehmen mit den Nachkommen. So verschränken sich die Namen und die Nationaliät. So entstammt aus Vertreibung doch wieder ein guter Wille für eine gemeinsame Zukunft Ostdeutschlands."
Nachdem Erika Steinbach den Text der Verleihungsurkunde verlesen hatte, in dem die Verdienste des Preisträgers um die ostdeutsche Kultur und deren Verbreitung in aller Welt gewürdigt wurden, ergriff Rudolf Kimmina das Wort. Auch er verwies darauf, daß die Sprache des Malers nicht das Wort, sondern das Bild ist, und machte in diesem Zusammenhang auf die kleine Ausstellung seiner Arbeiten auf dem Deutschlandtreffen aufmerksam. "Sie finden dort Bilder mit altvertrauten Namen, in den Bildern altvertraute Gegenstände. Es sind nicht impressionistische Darstellungen ostdeutscher Landschaften, es sind Gedanken, Meinungen, Erinnerungen, aber auch Empfindungen, die den Betrachter zu eigenen Gedanken und Empfindungen anregen sollen." Der Künstler läßt den Betrachter allein, gibt ihm aber die Chance wiederzuentdecken, sich selbst einzubringen. So entsteht ein Dialog zwischen Maler und Betrachter. "Ein Dialog mit dem Betrachter über Malerei als künstlerisches Phänomen, aber immer auch über das kleine, aber wichtige Fleckchen Europas, das wir Ostdeutschland nennen."
Bei einem anschließenden Rundgang durch die Ausstellung in der Messehalle 3 konnten sich Kunstinteressierte von den Worten des Preisträgers überzeugen. Ölbilder und Gouachen zeugten von dem reichen Schaffen des Künstlers, der eine eigene Bildsprach entwickelt hat. Während die ausgestellten, kleinformatigen Gouachen meist Landschaften oder Ausschnitte aus Landschaften zeigten, präsentierten die Ölbilder den typischen Stil Kimminas.
Meist erinnern die dargestellten Motive an einen Blick durch ein Kaleidopskop, das, wie von Zauberhand bewegt, immer wieder neue Ein- und Ausblicke offenbart. Verschiedene farbige Flächen in zarten Farbtönen - bei den in Leipzig ausgestellten Arbeiten meist in Blau - verweben sich zu einem Ganzen; Linien trennen und verbinden. Vieles entwickelt sich vor dem Auge des Betrachters erst nach und nach. Da sind dann plötzlich Archi- tekturfragmente zu entdecken, menschliche Figuren, die durch das Bild "wandern". Überhaupt ist die Natur Ausgangspunkt der Arbeiten; sie sind von der Natur angeregt, dann aber mit dem Verstand geformt. Es ist eine abenteuerliche Entdeckungsreise, auf die der Maler die Betrachter seiner Bilder mitnimmt, eine Reise aber, auf der man Harmonie spürt und die man nicht so schnell beenden möchte. Peter van Lohuizen |
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