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Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und die ihm zu 100 Prozent gehörende Bank für Arbeit und Wirtschaft (BAWAG) sind in einen Finanzskandal verstrickt, der sie weit über eine Milliarde Euro kostet und sowohl in Österreich als auch in den USA die Gerichte beschäftigen wird.
Die Anfänge liegen 15 Jahre zurück: Der damalige BAWAG-Chef Flöttl, der es vom Maler und Anstreicher über Gewerkschaftsfunktionen bis zum "Banker" gebracht hatte, verschaffte seinem in den USA lebenden Sohn BAWAG-Kredite in Höhe von etwa 1,7 Milliarden Euro für Spekulationsgeschäfte. Wenn man den Zinsvorteil auch nur mit zwei Prozent per anno annimmt, kann man sich den Wert dieser Begünstigung ausrechnen. Als die Sache 1994 aufflog, zahlte Flöttl junior den Kredit kurzfristig zurück - woher das Geld stammte, ist unbekannt. Flöttl junior und seine Gattin, eine Enkelin des einstigen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower, gehören zur New Yorker "High Society".
Daß Fritz Verzetnitsch, ÖGB-Chef seit 1987, über all das nicht voll informiert war, ist unwahrscheinlich: Er und Flöttl senior sind sogar Nachbarn - in (preisgünstigen) Luxusappartements mit Panoramablick und "Swimming-Pool" in einem der BAWAG gehörenden Haus in der Wiener Innenstadt. Bereits ab 1995 nahm der Nachfolger von Flöttl senior in der BAWAG die Geschäfte mit Flöttl junior und dessen karibischem Firmengeflecht wieder auf. Nach Anfangsgewinnen gab es Ende 2000 Verluste von 600 Millionen Euro. Dazu kamen Verluste von 400 Millionen aus "PIPE-Geschäften". Das sind genau jene Transaktionen, deren Betreiber Franz Müntefering als "Heuschrecken" bezeichnete.
Die Verluste wurden zunächst bei Briefkastenfirmen in Irland, Liechtenstein und den British Virgin Islands "geparkt" und in den Folgejahren von der BAWAG häppchenweise "wertberichtigt", also abgeschrieben. Für die Zwischenfinanzierung der Milliarde haftete der Streikfonds des ÖGB! BAWAG-Aufsichtsratspräsident und ÖGB-Finanzchef Weninger, der darüber weder seine Aufsichtsratskollegen (meist Gewerkschafter) noch den damaligen BAWAG-Miteigentümer BayernLB informierte, rechtfertigt sich heute damit, daß ein Bekanntwerden Ende 2000 die BAWAG in die Insolvenz geführt hätte. Und da muß man ihm und Verzetnitsch durchaus "verantwortungsbewußtes Handeln" zubilligen - die Machenschaften davor sind ein anderes Kapitel. Im Oktober 2005 der nächste Schlag: Phillip Bennett, Chef der US-Maklerfirma Refco, hatte Refco-Vermögen in andere seiner Firmen verschoben und Refco in Konkurs geschickt. Und wenige Stunden vor dem Konkurs hatte Refco von der BAWAG einen Kredit von 375 Millionen Euro erhalten! Teils direkt, teils über diverse Töchter und Beteiligungen unterhielten Bennett, Flöttl junior und die BAWAG bis zuletzt intensive Beziehungen - unter anderem zur Verschleierung der BAWAG-Spekulationen. Zeitweilig war die BAWAG sogar an Refco beteiligt.
Interessant ist auch, wie der ÖGB den 46-Prozent-Anteil zurückkaufte, den die BayernLB 2000 bis 2004 an der BAWAG hatte: Der Kredit für die nie veröffentlichte Kaufsumme (rund 700 Millionen) wurde wie die erworbenen BAWAG-Anteile bei "Töchtern" verstaut. Der ÖGB ist teils direkt, teils über die BAWAG und den als "Privatstiftung" organisierten Streikfonds Allein- oder Miteigentümer zahlreicher Firmen - darunter der Nationalbank, der Casinos Austria und der Lotto-Toto-Holding. Abzuschreiben sind nun auch 120 Millionen für die Beteiligung am Spielkasino in Jericho, dessen Wiedereröffnung die neue Hamas-Regierung untersagt. Der Wert des Streikfonds ist übrigens Österreichs bestgehütetes Geheimnis.
Den BAWAG-Verantwortlichen drohen zivil- und strafrechtliche Konsequenzen: Bei den Großkrediten könnte das Bankwesengesetz verletzt worden sein. US-Behörden ermitteln sogar wegen Mittäterschaft beim betrügerischen Refco-Konkurs. Und die Verpfändung des Streikfonds könnte die ÖGB-Statuten verletzt haben. Der Eindruck ist jedenfalls verheerend. Verzetnitsch, der noch am Sonntag einen Rücktritt kategorisch ausgeschlossen hatte, trat in einer Krisensitzung der ÖGB-Führung am Montag dann doch zurück und legte auch sein Parlamentsmandat nieder. Wenn man bedenkt: Er war in den Wahl-Spekulationen sogar als Vizekanzler einer etwaigen ÖVP-SPÖ-Koalition gehandelt worden.
Die enge Verflechtung mit dem ÖGB könnte der SPÖ, die in Umfragen zuletzt immer vor der ÖVP lag, den erhofften Wahlsieg im Herbst kosten. Die dialektischen Windungen von SPÖ-Chef Gusenbauer dürften da wenig helfen, denn die Glaubwürdigkeit der SPÖ-"Wirtschaftskompetenz" hat ebenso gelitten wie die "Streikfähigkeit" des ÖGB. |
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