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Globalstrategie: Albright auf die Prager Burg?

 
     
 
Die amerikanische Außenministerin besuchte anläßlich des 150. Geburtstages des ersten tschechoslowakischen Präsidenten T. G. Masaryk Prag. Ihrem Besuch wurde große Aufmerksamkeit geschenkt, da seit einiger Zeit Informationen verbreitet werden, wonach die in der Tschechei geborene Chefin der amerikanischen Diplomatie in der Zukunft das Amt des tschechischen Präsidenten anstreben werde. Die Hauptquelle dieser Gerücht
e ist der amtierende tschechische Präsident Vaclav Havel.

Schon vor anderthalb Jahren nannte er Albright unter den Namen von fünf möglichen Nachfolgern. Das amerikanische Magazin "Time" berichtete, daß Havel vor einem halben Jahr Albright ersucht habe, sie solle seine Nachfolgerin werden. Ein eindeutiges Dementi ist aus den USA nie gekommen. Erst am 1. März, unmittelbar vor dem Prag-Besuch, ließ Albright durch den US-Botschafter in Prag verlautbaren: "Ich fühle mich sehr geehrt durch die Spekulationen, daß man meine Kandidatur für das Amt des Präsidenten der Tschechischen Repulik erwägt. Ich bin aber zur Zeit keine Kandidatin und beabsichtige auch nicht, für dieses hohe Amt zu kandidieren, dafür wird es sicher genug qualifizierte tschechische Männer und Frauen geben."

Unter den tschechischen Politikern gibt es aber einige, die trotzdem ihre Kandidatur befürworten. Neben dem jetzigen Amtsinhaber Havel äußerte sich in diesem Sinne z. B. der ehemalige tschechische Botschafter in den USA, Michael Zantovsky. Zantovsky gehört der gleichen Religionsgemeinschft wie Albright an.

Beide großen Parteien würden lieber einen einheimischen Politiker auf der Prager Burg sehen. Dem jetzigen Parlamentspräsidenten Klaus wird nachgesagt, daß er dieses Amt gerne übernehmen würde. Auffallend war, daß Albright während ihres Besuches Politiker aufwertete, die sich als Klaus-Kritiker präsentieren und eher dem Einflußbereich der amerikanischen Demokraten zuzuordnen sind. Klaus selbst vermied das Treffen: er fuhr in die USA. Entscheidend für die Frage, ob Albright kandidieren wird, ist das Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen. Sollten die Demokraten mit Al Gore an der Macht bleiben, wird sich die tschechische politische Szene danach orientieren. Als frischgebackenes Nato-Mitglied will Prag beweisen, daß es Washington besonders innig liebt. Vor 15 Jahren war es auch nicht anders, damals schickte man die Liebesgrüße nach Moskau.

Während ihres Besuches erntete Madeleine Albright (geborene Körbel, Tochter eines tschechoslowakischen Diplomaten) nicht überall nur Zuspruch. In Brünn wurde sie beim Verlassen des Universitätsgebäudes mit Eiern beworfen. Trotrdem empfahl sie, von Exporten sensibler Ware in den Iran abzusehen. Noch während ihres Besuches trat das Parlament zusammen und beriet über ein Exportverbotgesetz. Auch für ein Treffen mit Zigeuner-Vertretern nahm sie sich die Zeit, danach vergaß sie nicht zu belehren, daß man zu Toleranz verpflichtet sei. Mit ihrem tschechischen Kollegen Kavan besprach sie noch das Problem der tschechischen Fernsehstation NOVA, die sich vom amerikanischen Partner trennte und selbständig wurde. Dem amerikanischen Partner gefiel dies nicht, und so wurde ein Firmenstreit zum diplomatischen Problem.

Michael Opoczenski

 
     
     
 
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