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Dieses Buch beginnt mit einem Paukenschlag: "Das 21. Jahrhundert wird ein Zeitalter der Religion. Gott kehrt zurück, und zwar mit Macht - im doppelten Sinne des Wortes." Daß das Pendel wieder zurück schlägt und die Religion selbst im agnostischen Europa wieder zu neuer Blüte kommt, davon legt Wolfram Weimer Zeugnis ab in seinem Buch "Credo - Warum die Rückkehr der Religion gut ist". Weimer ist der Kopf der Zeitschrift "Cicero" und war zuvor unter anderem Chefredakteur der "Welt". Sein neues Werk nennt er selbst ein "Traktat". Sicher, den Weg zum Glauben wird man bei der Lektüre nicht finden. Weimer liefert keine Begründung dafür, warum es Gott oder ein Leben nach dem Tode gibt. Er argumentiert pragmatisch und untersucht, welche Bedeutung es für uns alle haben kann, wenn die Religion sich im politischen Raum zurückmeldet.
Die Rückkehr der Religion in den islamisch en Ländern ist mit Vorsicht zu genießen, da sie oft gepaart ist mit Antisemitismus, Feindschaft gegenüber Israel, Intoleranz gegenüber anderen Religionen und politischer, wirtschaftlicher und technologischer Rückständigkeit. Es ist wohltuend, daß Weimer nicht für den fragwürdigen "Dialog der Kulturen" oder Religionen eintritt, wie ihn die Islamisten und die westlichen Friedensfreunde verstehen. Oft läuft das nämlich nach dem Motto: Die Christen tolerieren alles, während die Muslime sich mit Vorliebe in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen.
Das Europa des 20. Jahrhunderts hat die Welt gelehrt, daß "ohne Gott die politischen Katastrophen noch teuflischer geworden" sind. Weimer spielt hier auf die großen Gegenreligionen des Faschismus / Nationalsozialismus und des Kommunismus an. Deutlich wird die politische Wiederkehr der Religion vor allem in Amerika. Vielleicht hätte der "Cicero"-Chef etwas deutlicher darlegen können, daß die "christliche Rechte" in den USA zwar nicht mit Islamisten in einen Topf geworfen werden darf. Es gehört jedoch auch zur Wahrheit, daß man das Glaubensbekenntnis dieser Gruppierung häufig mit den Worten Bigotterie, Arroganz und Provinzialismus umschreiben kann, ohne gleich in den Chor des Antiamerikanismus einzustimmen. Auch den Siegeszug evangelikaler Sekten in Südamerika sollte man durchaus mit einer gewissen Distanz betrachten und nicht sogleich als Mehrwert abbuchen. Ob der deutsche Katholizismus der Weisheit letzter Schluß ist, darf hinterfragt werden.
Weimer formuliert sehr plastisch, daß die Religion "den politischen Raum durch die Tür Amerikas wieder betrat". Schon für Tocqueville sei Amerika "ein Ort der Welt" gewesen, "wo die christliche Religion am meisten wirkliche Macht über die Seelen bewahrt hat ... hier verschmilzt die Religion mit allen nationalen Gewohnheiten und vaterländischen Gefühlen; das verleiht ihr eine besondere Kraft". Selbst im "alten" säkularisierten Europa tut sich was, und zwar nicht nur in Mittel- und Osteuropa. Das Verhältnis der religionsoffenen Europäer - das sind natürlich nicht durchweg fleißige Kirchgänger - zu den Ablehnenden ist heute bei 80 zu 20. Ohne die christlichen Impulse würden unsere "großen Ethos-Debatten der Medizin und der Naturwissenschaften" verarmen. Ob menschliches Klonen oder "Euthanasie": Gott sei dank wird unser Umgang mit diesen Fragen nicht nur von häufig engstirnigen Forschern bestimmt, die in Bezug auf die Religion völlig unmusikalisch sind. Würden sich die Kirchen in Deutschland nicht mit Vehemenz für die sogenannten "Schwachen" in der Gesellschaft einsetzen, sähe es um die Rechte der Behinderten und alten Menschen anders, und zwar schlechter aus. Dazu Weimer: "Die Deutungsmacht der Naturwissenschaften und die zivilisatorische Gewalt des Materialismus werden auf Dauer nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Grundfragen unserer Identität nicht wissenschaftlicher oder ökonomischer Natur sind, sondern aus Religion, Ethik, Tradition und Kultur gebildet werden."
Die christliche Religion verträgt sich gut mit der westlichen Lebensform und der Demokratie. Nietzsches Schmähung "Die Demokratie ist das vernatürlichte Christentum" sollten wir also als unfreiwilliges Kompliment verstehen. Außerdem gewähre sie, so argumentiert der Verfasser, einen sichern Halt in Zeiten stürmischer Veränderungen. Religion im Zeitalter der Globalisierung bietet Heimat und Schutz. Unsere irdischen Sorgen sind nicht alles, so die beruhigende Erkenntnis. So ist es längst erwiesen, daß "gute" Christen in der Regel auch die "besseren" und gesetzestreueren Bürger und die gesünderen und fröhlicheren Menschen sind. Wer das für banal oder lächerlich hält, kann sich ja weiter in seiner religionslosen Miesepetrigkeit ergehen. Die Vorgänge hinter dem Eisernen Vorhang haben außerdem gezeigt: "Religion läßt Angst überwinden und kann Diktaturen zu Fall bringen."
Den Dialog der Kulturen entlarvt Weimer denn auch als ein "Alles-wird-gut" für die Weltpolitik, als einen Fetisch der Selbstberuhigung. Dem Dialog der Kulturen müsse folgerichtig eine Mobilisierung der eigenen Kultur vorausgehen.
Weimers Streitschrift liest man mit Gewinn, ob man nun an Gott glaubt oder nicht. Kritik im einzelnen ist angebracht. So ist der Satz, wonach die Islamisten allen anderen ihre Gottheiten zurückbomben, doch sehr mißverständlich. Wer nur glaubt, um gegen die neuen Feinde der Freiheit bestehen zu können, sollte es besser bleiben lassen. Religion sollte das eigene Leben bereichern und die Menschen glücklicher machen. Wenn es sie auch noch politisch vernünftiger und demokratisch wehrhafter macht: Wer kann etwas dagegen haben?
Wolfram Weimer: "Credo - Warum die Rückkehr der Religion gut ist", Deutsche Verlags-Anstalt, München 2006, 80 Seiten, 9 |
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