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Bei einer Bluttransfusion im Stadtkrankenhaus von Neukuhren wurde ein Dienstreisender aus der Nähe von St. Petersburg mit dem HI-Virus infiziert. Gegen die diensthabenden Ärzte wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Wie der Chefarzt des Stadtkrankenhauses, Michail Schischlow, gegenüber der Presse erklärte, handelte es sich um einen unglücklichen Zufall. Der Patient sei mit großem Blutverlust um zwei Uhr nachts eingeliefert worden. Er war mit dem Notarztwagen in dieses Krankenhaus gebracht worden, weil es das nächstgelegene gewesen sei. Bei dem Patienten war ein chronisches Leiden in ein kritisches Stadium getreten, und so mußte er nach Angaben des Arztes sofort für eine Operation vorbereitet werden. Wie sich herausstellte, hatte er eine seltene Blutgruppe. Da in den Beständen des örtlichen Blutspendedienstes die Vorräte an Blut dieser Gruppe und dieses Rhesusfaktors zu Ende gingen, sei eine frische Blutspende notwendig gewesen, um den Patienten zu retten. Um Blutkonserven aus Königsberg anzufordern, habe man keine Zeit mehr gehabt. Die Ärzte sahen keinen Ausweg. Sie wollten das Leben des Patienten retten. Wenn es nicht zu einer direkten Bluttransfusion gekommen wäre, hätte der Patient wohl die nächsten anderthalb Stunden nicht überlebt, mutmaßte der Chefarzt. Deswegen könne er seine Kollegen auch nicht verurteilen, die zum schnellen Handeln unter Hintanstellung der Vorschriften gezwungen waren. Die Sicherheitsbestimmung, nur überprüftes Blut zu verwenden, habe es schon immer gegeben. Nur in Ausnahmefällen sei es erlaubt gewesen, Blutspenden von geschlossenen Personenkreisen anzunehmen - wie Militär, Polizei und ähnlichen Einrichtungen. In diesem Fall wandten sich die Ärzte an die Marine.
Der Mann kam durch. Anschließend wurde das Spenderblut untersucht, und nach zwei Tagen stand das schreckliche Ergebnis fest. Der infizierte Patient kam für eine Woche in eine Spezialklinik.
Bei den Blutspendern handelte es sich um drei Matrosen der Baltischen Flotte, die sich auf einer Übung befanden. Einer der Matrosen war der Überträger des Aids-Virus. Er stammt aus der Gegend von St. Petersburg, durchlief alle medizinischen Untersuchungen, die vor einer Wehrübung durchgeführt werden, ohne daß seine Erkrankung aufgefallen wäre.
Der Matrose wurde unmittelbar nach dem Vorfall vom Dienst suspendiert und nach Hause geschickt. Es heißt, daß er von seiner Erkrankung gewußt und trotzdem Blut gespendet habe. Die Polizei ermittelt nun gegen ihn. Sollte sich der Verdacht erhärten, wird er sich vor Gericht verantworten müssen.
Wahrscheinlich ist nicht nur der sorglose Umgang der diensthabenden Ärzte Grund für die Übertragung des Virus, sondern auch der schlechte medizinische Standard im Stadtkrankenhaus Neukuhren. Wie die Komsomolskaja Prawda in Kaliningrad schreibt, sind die Bedingungen hier weit entfernt von dem, was man "normal" nennen könnte. Es seien dringend Renovierungen notwendig, die medizinische Ausstattung sei veraltet, das Personal reiche vorne und hinten nicht. Die Bezahlung sei so miserabel, daß es besser sei, auf dem Markt Zigaretten zu verkaufen, heißt es in dem Artikel. Viele Ärzte hätten das Krankenhaus schon verlassen, weil in Kurorten wie Rauschen mehr bezahlt werde und die Arbeit angenehmer sei.
Im Stadtkrankenhaus Neukuhren würden mindestens alle 14 Tage schwere Fälle eingeliefert, weil auf der Strecke Königsberg-Rauschen ständig Unfälle passieren. Blutspenden würden ständig benötigt - und Krankenbetten. Doch statt das Krankenhaus auszubauen und zu modernisieren, wurde die Bettenkapazität nach einer Umstrukturierung von 200 auf 130 reduziert. Von den verantwortlichen Politikern in Neukuhren würde sich wohl niemand in solch ein Krankenhaus begeben!
Julian Mühlbacher
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