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Mit der Festnahme des Hauptbeschuldigten in der Affäre Elf, Alfred Sirven, Anfang Februar in einem Vorort von Manila, seiner Überführung nach Frankfurt am Main und seiner baldigen Auslieferung von dort aus an die französischen Behörden tritt der Elf-Skandal in eine neue Phase ein. Sirven, der als Leiter der "allgemeinen Angelegenheiten" die Nummer 2 der Erdölgruppe war, war seit 1996 auf der Flucht, zunächst in der Schweiz, dann in den Philippinen . Er wird von den französischen Untersuchungsrichtern und auch von der schweizerischen Justiz verdächtigt, das verstrickte Korruptionsnetz des staatlichen Konzerns gedeckt zu haben. Seine Verhaftung fand während des sogenannten "Dumas-Prozesses" statt, der Ende Januar vor dem Pariser Appellationsgericht begonnen hat und nun für mehrere Monate vertagt werden sollte, damit Sirven seine Verteidigung mit seinen Anwälten vorbereiten kann.
Unter dem "Dumas-Prozeß" versteht man in Frankreich den ersten Prozeß im Zusammenhang mit der Elf-Affäre, in dem der ehemalige Außenminister und treue Weggefährte Francois Mitterrands, Roland Dumas, sich mit sechs anderen Nebenangeklagten (darunter seine ehemalige Freundin Devier-Joncour) wegen Geldunterschlagung zu verantworten hat. Der Prozeß lief bislang etwas schleppend, mit ziemlich konfusen Äußerungen der Beschuldigten, da die Schlüsselpersönlichkeit der Affäre, also Alfred Sirven, abwesend war. Seine Verhaftung und sein vorgesehenes Auftreten vor dem Pariser Appellationsgericht sorgen deshalb für Schlagzeilen in der gesamten französischen Presse und regelmäßige Meldungen der Rundfunksender. Vermutet wird, daß zwischen 1989 und 1995 rund drei Milliarden Francs (etwa 850 Millionen Deutsche Mark) unterschlagen wurden. Davon sollen anderthalb Milliarden Francs auf Bankkonten geflossen sein, die von Alfred Sirven kontrolliert wurden. Sirven war in Paris und Genf tätig.
Für den deutschen Leser ist es aufschlußreich zu wissen, daß im Zusammenhang mit dem Leuna-Minol-Vertrag getarnte Provisionen in Höhe von 300 Millionen Francs (rund 85 Millionen Mark) gezahlt wurden. Im Zusammenhang hiermit sind ein deutscher Geschäftsmann, der der CDU nahesteht, Dieter Holzer, und ein ehemaliger französischer Geheimdienstler, Pierre Lethier, auf der Flucht. Im Gegensatz zu früheren Vermutungen hat es den Anschein, daß die gezahlten Provisionen sowohl in der Sache Leuna-Minol als auch in anderen Angelegenheiten nur in geringem Umfange nach Frankreich zurückgeflossen sind.
Seit Juli 1994 beschäftigen die Finanzen des Erdölkonzerns drei Untersuchungsrichter: Eva Joly, Laurence Vichnievsky und Renaud Van Ruymbeke. Anfänglich klang die ganze Affäre ziemlich harmlos: die französischen Börsenaufsichtsbehörden hatten die Art und Weise kritisiert, wie eine Textilgruppe (Bidermann) von Elf-Aquitaine unterstützt worden war. Im Rahmen dieser reinen Börsenangelegenheit wurde eine ganze Reihe von Unregelmäßigkeiten entdeckt, deren Nutznießer Verwandte oder Bekannte des Vorstandsvorsitzenden von Elf, Loik Le Floch-Prigent, Alfred Sirvens oder führende Manager des Konzerns waren. Im März 1997 kam die Affäre um den Verkauf von Fregatten an Taiwan ans Tageslicht, und in Paris begannen Gerüchte über einen Mangel an Durchschaubarkeit beim Fregattenverkauf zu kursieren. Bislang weiß niemand, ob Roland Dumas beim Verkauf der Fregatten Hilfestellung geleistet hat, was er immer geleugnet hat, oder ob die Entscheidung von anderen Stellen getroffen wurde, obgleich man mit dem Mißbehagen der Volksrepublik China zu rechnen hatte. Die einzige Sache, derer man sich sicher ist, ist die, daß Sirven und seine Einflußnahmenetze mit am Werk waren.
Alfred Sirven hat immer betont, er könne die Republik durch seine Enthüllungen sprengen. Die weltumspannenden Verzweigungen der Elf-Affäre und die Tatsache, daß die Delikte während der zweiten Amtsperiode Francois Mitterrands stattgefunden haben, lassen argwöhnen, daß die Aufdeckung der Affäre erst an ihrem Anfang steht. Francisco Lozaga
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