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Die Eskalation in Nahost bleibt kontrollierbar. Ein neuer Krieg ist vorerst nicht zu befürchten, auch wenn Israel mit dem Schlag gegen ein Lager des Islamischen Dschihad auf syrischem Boden den Terrorkrieg auf die internationale Ebene gehoben hat. Aber sowohl die Beratungen in der Uno als auch die Reaktionen in Damaskus zeigen, daß Israel das Risiko wohl kalkuliert hat. Es bleibt beim Empörungsritual in der arabischen Welt und bei besorgten Äußerungen der Europäer. Und beim zustimmenden Schweigen der Regierung Bush.
Damaskus ist zu einem offenen Waffengang derzeit nicht in der Lage. Zwar verfügt das Land über das größte Arsenal an B- und C-Waffen in der Region, und es hat auch Trägersysteme mit Reichweiten bis nach Ägypten, aber die Armee ist unzureichend für einen Einsatz dieser Waffen ausgebildet, und die Wirtschaft des Landes, Rückgrat eines Krieges, liegt am Boden. Die Einnahmequelle des illegalen Ölgeschäfts mit dem Irak ist versiegt, auch die Subventionen aus Saudi-Arabien fließen spärlicher. Damas-kus kann sich eine größere Auseinandersetzung schlicht nicht leisten. Es wäre der Selbstmord des Regimes. Niemand würde Syrien beistehen. Man kann sogar davon ausgehen, daß in Amman und Kairo klammheimliche Freude herrscht über die Warnung an den ungeliebten arabischen Bruder, der offensichtlich nach wie vor mit Terrororganisationen liebäugelt, die auch die moderaten Regime der Region im Visier haben.
So ist nicht verborgen geblieben, daß etliche Gefolgsleute Saddam Husseins im syrischen Lattakieh Unterschlupf gefunden haben und daß die Allianz mit Teheran nach wie vor funktioniert. Das Lager des Dschihad lag in Syrien, es wurde aber von Iranern geleitet. Insofern ist der Schlag der israelischen Luftwaffe auch ein Signal an das Re- gime der Mullahs. Israel würde nicht zögern, Lager in Iran oder auch Atom-Reaktoren anzugreifen, wenn es dadurch seine Sicherheit gefährdet sähe, ganz gleich, was die Völkergemeinschaft im Glaspalast von New York dazu sagt.
Israel hat die Eskalationsschraube in der Hand. Vorerst optiert man in Jerusalem für militärische Aktionen, und an der Entschlossenheit zur immerwährenden Vergeltung besteht kein Zweifel. An der der Terroristen aber auch nicht. Es ist die mittel- und langfristige Eskalation, die unvorhersehbar bleibt. Mit ihr auch der Schauplatz des Kleinkriegs. Schon das Attentat in Haifa, einer Stadt, die vorwiegend von arabischen Israelis bewohnt wird, zeigte, daß die Islamisten auch über eigene Leichen gehen, wenn sie nur ein paar Juden treffen können. Sie werden auch in Europa und Amerika ihre Opfer su-chen. Darin liegt die Unberechenbarkeit dieses asymetrischen Krieges. Die terroristische Phantomarmee schlägt vorzugsweise in Israel zu, kann aber auch weltweit operieren. Dem können das Völkerrecht und die Staaten, auch Israel, nur begrenzt - im wahrsten Sinn des Wortes - begegnen. Deshalb bleibt es im Interesse Israels und der Völkergemeinschaft, einen Weg zum Frieden in Nahost zu finden, um den Sumpf des Terrors trockenzulegen. An dieser Einsicht kommt auf Dauer auch die Regierung Scharon nicht vorbei. Auch für sie gilt die Warnung, die schon Bismarck mit Blick auf den blutgetränkten Balkan an die Regierungen in Europa richtete: "Hütet Euch vor den Verzweifelten!" Ohne Aussicht auf Frieden wächst auch in der palästinensischen Bevölkerung die Verzweiflung, und das ist die beste Saat für den Terrorismus. |
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