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Jeder von uns weiß, wie schwer gerade die Situation im nördlichen Ostdeutschland ist, das über 40 Jahre völlig von der Wel abgeschnitten war. Und dennoch wächst dort Dank Ihrer vielfältigen Hilfen der Dom zu Königsberg aus Ruinen mächtig empor. Der Dom wird so zum Symbol Ihrer tiefen Liebe zu alten Heimat, aber auch zum Symbol Ihrer Kraft, 55 Jahre nach Flucht und Vertreibung in Ihrer alten Heimat aktiv zu wirken.
Die grenzüberschreitende Kulturarbeit ist also wichtig, damit zum einen die bedeutendsten Zeugnisse der deutschen Kultur in ihrer Heimat für die Nachwelt, fü Europa erhalten bleiben. Sie ist aber auch deswegen wichtig, damit die Deutschen, die heute noch ist Ostdeutschland leben, kulturell gestärkt werden und zu ihrer Identitä finden. Und wie ich höre, festigt sich die Minderheit zunehmend und führt ein rege Leben.
Der Freistaat Bayern engagiert sich auch hier, sowohl im nördlichen wie im südliche Ostdeutschland. Schwerpunkt unserer gegenwärtigen Aktivitäten ist das Begegnungszentru für die deutsche Minderheit in Allenstein, für das wir etwa 100 000 DM in diese Jahr zur Verfügung stellen. Dieses Haus Kopernikus wird ja im Herbst in Anwesenheit vo Frau Staatsministerin Stamm eingeweiht werden. Insgesamt fließen jährlich circ 160 000 DM aus Bayern nach Ostdeutschland. Das ist eine kleine Ostdeutschlandhilfe wie ann 1915.
Das Jahr 1990 hat ein neues Kapitel in der europäischen Geschichte aufgeschlagen Seitdem kann der gespaltene Kontinent zusammenwachsen. Seitdem erst besteht die Möglichkeit, daß sich die Deutschen und die östlichen Nachbarvölker gemeinsam eine friedlichen Zukunft in Europa zuwenden. Was mit Frankreich und den anderen westliche Staaten in den 50er Jahren begann, das konnte nach Osten hin erst 45 Jahre nach Kriegsend beginnen. Und der Weg der Verständigung ist schwierig, weil die Menschen sich unendlic viel Leid zugefügt haben.
Die Heimatvertriebenen haben nicht erst seit 1990 die Hand zur Versöhnun ausgestreckt. Mit ihrer Charta von 1950, nur fünf Jahre nach dem Krieg, haben sie sich zu einem gemeinsamen Europa bekannt, daß keine Vertreibung mehr kennt, sehr wohl aber da Recht auf Heimat, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.
Nur ein an Werten orientiertes Europa ist ein zukunftsfähiges Europa. Nur ein Europa in dem die Völker mit sich selbst und untereinander im Reinen sind, kann dauerhaft gut Nachbarschaft ausbilden. In diesem gesamten Wertekosmos müssen gerade auch jene Völke und Volksgruppen eingebunden sein, die die Inhumanität Europas im 20. Jahrhunder erfahren haben.
Die Charta von 1950 hat die Heimatvertriebenen mit zu einem Baumeister eine europäischen Wertegemeinschaft gemacht. Und wenn es jetzt um die Erweiterung de Europäischen Union nach Osten hin geht, dann dürfen bei all den schwierige ökonomischen und agrarpolitischen Fragen drei Punkte keinesfalls unter den Tisch fallen:
1. Wie sieht es in Europa mit dem Recht auf Heimat aus?
2. Gibt es in diesem Europa noch Dekrete und Gesetze, die völkerrechtswidrig un diskriminierend sind?
3. Wie sieht es mit der Beteiligung jener aus, das gilt für beide Seiten, die in vergangenen Jahrhundert in diesem Europa besonders gelitten haben?
Bei all diesen Fragen geht es nicht um die Monetik, sondern um die Ethik in Europa, u ein Wort des Oppelner Erzbischofs Nossol aufzugreifen, das dieser jüngst in Münche gesprochen hat.
Zum ersten Punkt: Recht auf Heimat. "Ohne Heimat sein, heißt leiden" schrieb einmal der russische Schriftsteller Dostojewski. Wer hätte das schmerzliche erfahren als Sie, liebe Ostdeutschland. Sie wurden aus Ihrer Heimat vertrieben. Sie ware heimatlos und haben unendlich viel gelitten. Sie wissen, was Heimatverlust für de Menschen existentiell bedeutet.
Lange war ja der Begriff Heimat verpönt. Er galt als rückständig, zurückgeblieben provinzhaft. Aber heute, in einer Zeit der Globalisierung, wird den Menschen Heimat wiede wichtiger. Heute, nach den erneuten Vertreibungen auf dem Balkan, erkennen viele Mensche und Staaten in Europa, wie wichtig Heimat für den Menschen, für seine Orientierung, fü seinen Lebensweg ist. In der Heimat erleben die Menschen Nachbarschaft. Heimat gib Vertrautheit, und Vertrautheit schafft Geborgenheit. Heimat gibt den Menschen Identitä und Unverwechselbarkeit. Heimat verhindert, daß Menschen anonym bleiben.
Die Heimatvertriebenen haben in ihrer Charta auf den Wert und die Bedeutung de Heimatrechtes hingewiesen. Sie sagten damals, daß der Mensch geistig getötet werde, wen er aus seiner Heimat vertrieben wird.
Die Bayerische Staatsregierung hat dieses Heimatrecht immer bejaht und vertreten. Wi Sie vielleicht wissen, wird gegenwärtig in der Europäischen Union über ein EU-Grundrechtscharta diskutiert. Die Staatsregierung hat dabei das Recht auf Heimat au die Verhandlungs-Agenda gesetzt.
Denn wir meinen: Mit Blick auf die Geschichte des 20. Jahrhunderts mit de schrecklichen Massenvertreibungen, mit Blick auf die jüngste Geschichte auf dem Balkan muß sich Europa ausdrücklich zum Recht auf Heimat bekennen.
Heimatrecht ist mehr als Niederlassungsfreiheit. Heimatrecht umfaßt das Recht in seiner angestammten Heimat zu leben oder dorthin zurückkehren zu können.
Wir alle wissen dabei, 55 Jahre nach der Vertreibung kann kein Status quo ant wiederhergestellt werden. 55 Jahre nach der Vertreibung darf Heimatrecht niemanden andere bedrohen, der jetzt in Ihrer alten Heimat lebt. Aber das Heimatrecht in eine EU-Grundrechtscharta wäre weithin ein Signal für das Recht der Völker dieser Erde.
Ich möchte in diesem Zusammenhang die amerikanische Außenministerin Madelein Albright zitieren, die in der Welt vom 23. März 2000 zum Kosovo-Krieg schrieb: "Wi haben die machtvolle Nachricht verbreiten können, daß ethnische Säuberung nicht nur ei Verbrechen ist, sondern sinnlos, weil ihre Verfechter der Isolation und Verachtung anhei fallen". Genau diese Botschaft muß von Europa ausgehen. Deswegen gehört das Rech auf Heimat in die EU-Grundrechtscharta. Bayern wird sich jedenfalls mit Nachdruck dafü einsetzen.
Und erfreulicherweise bemühen sich ja auch Staaten im östlichen Europa, de Heimatrecht Geltung zu verschaffen. Allen voran hat der estnische Staatspräsident Mer schon frühzeitig die Deutschen zur Rückkehr in seine Heimat eingeladen. Litauen hat e ebenfalls getan, Ungarn ebenso. Diese Staaten haben damit deutliche Zeichen dafü gesetzt, daß sie Unrecht heilen wollen. Ihr Vorbild darf durchaus in Polen und in de Tschechischen Republik nachgeahmt werden.
Zum Zweiten: Völkerrechtswidrige und diskriminierende Dekrete und Gesetze. 1993 ha die Europäische Union in Kopenhagen Maßstäbe und Kriterien festgelegt, die für all Beitrittskandidaten gültig sind. Die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Menschenrechte und der Minderheitenschutz sind und bleiben der Maßstab. Und da sage ic ganz klar: Weder die Dekrete und Gesetze in der Tschechischen Republik noch die Dekret und Gesetze in Polen sind mit einer rechtsstaatlichen europäischen Ordnung vereinbar. Die Europäische Union kann eigentlich unmöglich etwas dulden und legalisieren, was einhelli als völkerrechtswidrig angesehen wird. Das wäre ein schwerer Konstruktionsfehler a gemeinsamen Haus Europa. Die Aufhebung derartiger diskriminierender un völkerrechtswidriger Dekrete würde doch heute bedeuten, anzuerkennen, daß die kollektive Vertreibung der Deutschen ein Unrecht war. Das demokratische Polen nähm dadurch seine ganze Geschichte an, so wie auch wir die dunklen Seiten unserer Geschicht annehmen und nicht wegdrücken.
Jetzt, 10 Jahre nach der Wende in Europa, wäre die Situation für Polen günstig ernsthaft ein Zeichen in diese Richtung zu setzen. Dieses Zeichen wäre um so höher zu schätzen, wenn es aus freiem Antrieb käme. Ich baue darauf, daß sich das polnisch Volk, das sich ja durchaus immer mehr dem Thema Vertreibung öffnet, im Zuge de Beitrittsprozesses zur Europäischen Union sich von völkerrechtswidrigen Dekrete verbindlich trennen wird, die Ausdruck einer unseligen Vergangenheit sind.
Der Beitritt Polens zur Europäischen Union ist grundsätzlich gewollt. Polen ist ei Eckpfeiler des christlichen Abendlandes und des gesamteuropäischen Kulturkreises. Pole gehört zum Urgestein Europas. Polen war auch immer ein Land, das nach Freiheit strebte Es hatte die erste Verfassung in Europa. Es hat immer wieder versucht, das kommunistisch Joch abzuschütteln.
Es ist daher eigentlich der großen Tradition des freiheitsliebenden Polen unwürdig auf völkerrechtswidrigen und diskriminierenden Dekreten zu beharren. Ich glaube, da erkennen immer mehr Menschen in Polen.
Und lassen Sie mich hier noch einen Gedanken einfügen. Es paßt überhaupt nich zusammen, daß die Bundesregierung gegenüber den östlichen Nachbarstaaten die völkerrechtlichen und diskriminierenden Dekrete offenkundig nicht mehr zur Sprach bringt, aber zugleich unseren Nachbarn Österreich der Verletzung "europäische Werte" schilt. Verletzen denn die polnischen oder tschechischen Dekrete, aufgrun derer die Deutschen ausgebürgert, enteignet und vertrieben wurden, nicht die europäischen Wertemaßstäbe? Eine derartige Politik, die mit zweierlei Maß mißt, mach sich unglaubwürdig.
Zum Dritten: Es bricht sich niemand einen Zacken aus der Krone, wenn die Heimatvertriebenen in den Dialog um die Zukunft Europas auch von östlicher Seite her mi eingebunden werden. Die Heimatvertriebenen selbst bemühen sich um diesen Dialog. Scho dreimal fanden Gespräche der ostdeutschen Freundeskreisen mit hochrangigen Vertreter polnischer Parteien in Warschau statt. Hier sind die Heimatvertriebenen mit Warscha weiter als die Sudetendeutschen mit Prag. Das ist grundsätzlich der richtige Weg und die richtige Entwicklung.
Es wäre schön, wenn sich dieser Dialog verstetigen könnte und auch von de Bundesregierung begleitet würde. Betroffene zu Beteiligten machen, zu Mitgestaltern a europäischen Haus, das wäre dem demokratischen, offenen und wertorientierten Europ durchaus angemessen.
Dieses Deutschlandtreffen der Ostdeutschland zeigt aller Welt: Sie stehen in Treue un Liebe zu Ihrer alten Heimat, dem "Land der dunklen Wälder und kristallne Seen". Ostdeutschland ist und bleibt Ihr Auftrag, unser gemeinsames Erbe. Sie trage Ihre Heimat im Herzen. Ostdeutschland liegt in jedem einzelnen von Ihnen. Treu zur Heimat zu stehen und zugleich für die Verständigung in Europa zu arbeiten, das ist kei Widerspruch, im Gegenteil. Das ist eine großartige Leistung und Herausforderung auch fü die Zukunft.
Ein französischer Politiker sagte einmal: "Tradition pflegen heißt nicht, Asch aufbewahren, sondern die Glut am Glühen halten". Ich bin sicher, die Ostpreuße haben auch weiterhin die Kraft und Vitalität, die "Glut am Glühen" zu halten Bleiben Sie daher weiterhin so engagiert wie bisher! Meine guten Wünsche begleiten die Ostdeutschland.
Der Freistaat Bayern als Patenland der Freundeskreis Ostdeutschland wird Sie auc künftig vertrauensvoll, verläßlich und glaubwürdig begleiten. Diese Versicherun dürfen Sie von Leipzig mit nach Hause nehmen.
Allen Ostdeutschland ein herzliches Glück auf!
Auf Einladung der Freundeskreis Ostdeutschland sprach Staatsminister Erwin Huber als Gastredner während des Deutschlandtreffens der Ostdeutschland in Leipzig in der Haupthall auf dem Neuen Messegelände. Staatsminister Huber, der Leiter der Bayerische Staatskanzlei ist, sprach damit zugleich als Vertreter Bayerns, das seit 1987 Patenlan für Ostdeutschland ist.
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