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Am 8. Mai, seit einiger Zeit auch im Bunde mit dem Zeitgeist gerne schon mal als "Tag der Befreiung" gerühmt, fand sich in Rendsburg in der bisherigen Rüdel-Kaserne eine erlauchte Gesellschaft zusammen: Der Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping, hatte die Spitzen von Parteien, Staat und Bundeswehr eingeladen, damit sie dem Festakt beiwohnen, der veranstalt et wird, um die bisherige Rüdel-Kaserne umzutaufen in "Feldwebel-Schmid-Kaserne". In dieser Kaserne ist die Luftabwehrschule der Bundeswehr untergebracht.
1964 wurde sie nach dem ersten Inspekteur der Flak-Artillerie, dem 1950 verstorbenen Generalobersten Günther Rüdel, benannt. Noch 1983 rühmte die Bundeswehr den Generalobersten, er habe "in der Waffentechnik Bahnbrechendes geleistet", nicht zuletzt, weil er bereits 1932 das Entwicklungsprogramm für eine Flugabwehrrakete einleitete. Daß die deutsche Flak-Artillerie im Zweiten Weltkrieg einen hohen Wirkungsgrad hatte, war nicht zuletzt Rüdel zu verdanken, dem "Vater der modernen Flugabwehr", wie vor 17 Jahren die Bundeswehr formulierte. Während des Krieges wurde der Generaloberst, der nach 1942 nach einer heftigen Meinungsverschiedenheit mit dem Generalluftzeugmeister Udet seine Verabschiedung aus dem aktiven Dienst beantragt und erhalten hatte, mit dem Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern ausgezeichnet.
All die Belobigungen, die die Bundeswehr noch vor kurzer Zeit über Rüdel verbreitete, sollen nun möglichst aus der Welt geschafft werden, denn im Rahmen der Säuberung der Kasernen von den Namen bewährter deutscher Soldaten ist Minister Scharping durch ein Gutachten aus dem Militärgeschichtlichen Forschungsamt darauf hingewiesen worden, daß Rüdel im August 1944 auf der Liste der ehrenamtlichen Richter (Beisitzer) des Volksgerichtshofes stand. Allerdings hat er nicht an einer einzigen Sitzung teilgenommen und demzufolge auch an keinem Urteil mitgewirkt. Auf dieser Liste standen zu jener Zeit 173 Offiziere und andere führende Persönlichkeiten jener Zeit.
Nun war in der Tat der Volksgerichtshof ein politisches, nationalsozialistisch ausgerichtetes Gericht, doch war Rüdel nie im Rahmen des Gerichts tätig geworden. Er kann also auch keine persönliche Schuld auf sich geladen haben. Trotzdem wird sein Name nun diskriminiert. Ob dabei eine Rolle spielt, daß Minister Scharping, der bekanntlich am liebsten Bundeswehrkasernen nach Winston Churchill benennen würde, dem politisch Verantwortlichen für die völkerrechtswidrigen Luftangriffe auf deutsche Zivilisten, in Rüdel den Mann treffen will, der Churchill mit Hilfe der deutschen Flak an eben diesen Massenmorden zu hindern unternahm, mag dahingestellt bleiben.
Nun soll die Kaserne "Feldwebel-Schmid-Kaserne" heißen. Schmid gehört zu den in Israel verehrten "Gerechten", d. h. zu jenen, die Juden unterstützt und gerettet haben. Näheres erfährt man aus dem 1992 im angesehenen Verlag Weidenfeld Nicolson, London, erschienen Buch "The Book of the Just", deutsch 1994 bei Hansen. Der Autor, John Silver, der sich auf Auskünfte aus der Gedenkstätte Yad Vashem, Jerusalem, stützt, nennt Schmid "eine Art Robin Hood des Wilnaer Ghettos".
Dort sei er als Feldwebel der Wehrmacht für jüdische Zwangsarbeiter zuständig gewesen. Schmid sei stolz gewesen, Österreicher und nicht Deutscher zu sein. "Am Neujahrstag 1942 stieß er heimlich mit zwei jungen Juden an." Er schmuggelte Juden aus dem Ghetto und führte sie der polnischen Untergrundarmee zu. Aus dem Ghetto transportierte er Hunderte von Juden heimlich ins weißrussische Lida, wobei er sich der Unterstützung Krimineller bediente. Dazu Silver: "Unter ihrem Einfluß verlangte Schmid ... von denen, die er herausbrachte, Juwelen und Pelze. Für ihre Dienste als Mittelsmänner bekamen auch die beiden Gauner ihren Anteil."
Aus diesem Grunde zögerte die israelische Gedenkstätte Yad Vashem, Anton Schmid in die Reihe der "Gerechten" aufzunehmen. Als aber einige Juden berichteten, Schmid habe die Juwelen und Pelze benutzt, um die Rettungsaktionen zu finanzieren, habe Yad Vashem schließlich den Widerstand aufgegeben.
Im Frühjahr 1942 sei Schmid verhaftet worden. Es kam heraus, daß er sich in den Werkstätten des Ghettos einen Anzug hatte nähen lassen. "Schmid wurde mit dem Beweis seiner Bestechlichkeit konfrontiert." Tage später wurde berichtet, daß Schmid als "Vaterlandsverräter" erschossen worden sei.
Am 8. Mai hat nun der Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, Prof. Stern, die Laudatio auf Feldwebel Schmid gehalten. Anschließend wurde die Nationalhymne gespielt, die deutsche nämlich. In der Vergangenheit hatten es drei Bundeswehreinheiten abgelehnt, ihre Kasernen nach Feldwebel Schmid, dem "Robin Hood des Wilnaer Ghettos", benennen zu lassen. In Rendsburg hatten sich bei einer Befragung durch den Personalrat ganze 5,7 Prozent für den Namen "Feldwebel-Schmid-Kaserne" ausgesprochen.
Martin Lüders |
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