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Der Plan klang so gut: Gegen Kriegspräsident Bush, der nur bei der Nationalgarde diente, tritt John Kerry als mehrfach hoch dekorierter Vietnamveteran an. Kerry schien immun gegen Vorwürfe mangelnden Patriotismus - zugleich schien er durch seine Tätigkeit für die Organisation "Vietnam Veterans against War" (VVAW) und seine Kritik an der US-Intervention im Irak moralisch integer.
Schnell wurde seinem Team jedoch bewußt, daß es sich bei seiner Kritik am Vietnam- und Irakkrieg um eine riskante Gratwanderung handelte. Bei Pazifisten und Linken kam seine Haltung gut an, in Europa wurde er gar Hoffnungsträger aller Amerikakritiker und -hasser von ganz links bis ganz rechts. Nur in den USA ließen sich so keine Mehrheiten gewinnen, weshalb er peinlichst darauf bedacht war, den kämpfenden Truppen nicht in den Rücken zu fallen. Dies kulminierte in seiner Ankündigung, er würde als Präsident noch mehr Soldaten, vor allem Spezialkräfte, in den Irak und nach Afghanistan schicken. Auch konnte er kaum in den Chor der Bush-Hasser einstimmen, die dem jetzigen Präsidenten vorwerfen, er habe die Öffentlichkeit über Massenvernichtungswaffen und Al-Kaida-Kontakte getäuscht. Immerhin hatte er selbst für den Irakkrieg gestimmt. Nahezu alle Verantwortungsträger der Clintonära vertreten bis heute die Position, daß es sehr wohl Kontakte zwischen Terroristen und dem Irak gab und daß die 1998 durch die UN festgestellten verbotenen Massenvernichtungswaffen noch irgendwo sein müßten.
Wachsende Probleme und Verluste der US-Truppen im Irak entwerteten die Kritik am Krieg schließlich vollends, und Kerry nahm den Rat an, sich möglichst nicht in Verbindung mit dem linken Regisseur Michael Moore bringen zu lassen. Die Wahlkampfhilfe Moores brach nach Meinung vieler Kommentatoren bereits dem Kandidaten Wesley Clark im Vorwahlkampf das Genick. Vom allgemeinen verbalen Bush-Prügeln linker Gruppen wie der Organisation Move on distanzierte sich Kerry nicht, wohl in der Hoffnung, daß bei der Dauerberieselung mit deren "privat" finanzierten Fernsehspots und Internetkampagnen schon etwas beim Wähler hängen bleibe. Erst die gegen Kerry gerichteten Fernsehspots einer Initiative namens "Swift Boat Veterans for Truth" lösten Proteste bei den Demokraten gegen diese Form privater Propaganda aus. Die Organisation gruppiert sich um ehemalige Vietnamkameraden Kerrys. Angeführt wird sie vom Veteranen John O Neill, der seit 30 Jahren eine Art Privatkrieg gegen Kerry führt. Erst der Wahlkampf löste ein landesweites Interesse an den Vorwürfen der Veteranen aus, und so fanden sich bald konservative Sponsoren, die zur Finanzierung des Buches "Unfit for Command" ("Unfähig zu kommandieren") und der Fernsehspots bereit waren. Über Verbindungen dieser Gönner zur Repu- blikanischen Partei brauchte sich niemand zu wundern, obgleich dieser Vorwurf juristisch ins Leere geht, da Privatpersonen unbeschränkt private Initiativen finanziell unterstützen dürfen. Ein Trick, durch den sich auch zahllose Anti-Bush-Initiativen finanzieren.
Während linke Initiativen meist Verschwörungstheorien vom Schlage Michael Moores verbreiten und sich über die angeblich geringe Bildung und die Physiognomie Bushs lustig machen, stützen sich die "Veterans for Truth" auf eine umfangreiche Sammlung von Fakten und Beweisen, die den Plan des Kerry-Wahlkampfes kräftig durchkreuzen könnten. Mittlerweile von seinen direkten Vorgesetzten und seinen Kameraden in seiner Einheit und auch auf seinem Schnellboot bis auf eine Ausnahme alle negativ über die Rolle Kerrys in Vietnam geäußert. Die Aussagen münden in zwei Vorwürfen: Kerry habe sich durch erfundene und ausgeschmückte Gefechtssituationen Orden erschlichen, und seine Rolle als personifiziertes moralisches Gewissen basiere auf einer Lüge.
Umstritten sind unter anderem seine Auszeichnung mit dem Bronze Star und dem Purple Heart, die Kerry als junger Bootskommandant verliehen bekam. Ein Verleihungsgrund war, daß er einen Soldaten rettete, laut Kerry unter feindlichem Feuer. Ein Veteran stützt Kerrys Aussage, die meisten anderen können sich an den Beschuß nicht erinnern, oder wollen es zumindest nicht. Umstritten ist auch sein Verwundetenabzeichen. Von der entsprechenden Verwundung behaupten die Veteranen, das es sich bei ihr in Wirklichkeit um eine von Kerry durch Ungeschicklichkeit sich selbst zugefügte Verletzung handelt. Er soll sich später mit einer erfundenen Geschichte selbst für die Auszeichnung vorgeschlagen haben. Zweifel bestehen auch hinsichtlich einer angeblichen Grenzverletzung im Jahre 1968. Der demokratische Kandidat behauptet, am Heiligabend auf Patrouille durch kambodschanischem Territorium in das "friendly fire" südvietnamesischer Truppen geraten zu sein. Obwohl Kerry behauptet, daß derartige Grenzverletzungen alltäglich und gewissermaßen "von oben" abgesegnet gewesen wären, wirft er andererseits Nixon vor, gelogen zu haben, als er die Anwesenheit von US-Soldaten in Kambodscha bestritt. Dies habe ihm, John Kerry, die Augen über das unmoralische Washington geöffnet, das seine Soldaten in einen schmutzigen Krieg und Völkerrechtsverstöße getrieben habe. Erst kürzlich fiel Kerry, der von November 1968 bis März 1969 in Vietnam diente, wohl auf, daß Nixon im Dezember noch nicht Präsident der USA war, weshalb er einen Historiker beauftragte, eine glaubwürdigere Variante des Vorfalls zu schreiben.
Was bleibt vom Mythos des Hoffnungsträgers, der für beide Seiten der USA stehen sollte, die der Kriegshelden und die des moralischen Amerika? Das Hauptstandbein seines Wahlkampfes bricht weg, er weiß, daß er Normalbürger gewinnen muß, die schon wegen seiner Haltung in Fragen wie Abtreibung, Homosexuellenrechte und Steuererhöhung lieber auf Bush setzen. Während der Wahlkampf der christlichen Fundamentalisten nicht mal richtig angelaufen ist, kommen neue Details über Kerrys Wirken in der radikalen Organisation der Vietnamkriegsgegner (VVAW) ans Licht, was nicht gerade dazu beiträgt, das Vertrauen der Wähler in Kerry zu fördern.
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