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Ellingen Mit der "verlorenen deutschen Kultur Ostdeutschlands, geschaffen von Deutschen jüdischen Glaubens" so Landrat Georg Rosenbauer befaßt sich eine Sonderausstellung, die derzeit im Kulturzentrum Ostdeutschland in Ellingen zu sehen ist.
"In den seit 1231 vom Deutschen Orden in ,Heidenmission eroberten Landstrichen wurde zu dieser Zeit keine Ansiedlung von Juden geduldet" so beginnt die Einleitung auf der ersten Geschichtstafel zur Ausstellung "Juden in Ostdeutschland", zu der Kulturzentrumsleiter Wolfgang Freyberg unter anderen Landrat Georg Rosenbauer, seinen Vorgänger Karl-Friedrich Zink, Ellingens Bürgermeister Karl-Hans Eißenberger sowie Baronin und Baron von Aretin begrüßen konnte.
Seit dem 15. Jahrhundert drängten die Juden aber immer stärker in den osteuropäischen Raum und somit auch in den Deutschordensstaat, so daß Albrecht von Brandenburg, der erste Herzog Preußens, die Niederlassung zuließ. An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert lassen sich so die ersten Ansätze von jüdischem Gemeindeleben in Königsberg nachweisen. Diese Gemeinde wuchs von 50 Mitgliedern um 1700 auf 900 um 1800. Innerreligiöse Spannungen zwischen den Traditionalisten und Reformern sowie sozial-kulturelle Differenzen zwischen den alteingesessenen Bewohnern und um Integration bemühten Juden einerseits sowie sich durch Sprache und Kleidung abhebenden Ostjuden andererseits prägten die Entwicklung der Gemeinde in dieser Zeit.
Erst das Emanzipationsedikt von 1812 erklärte die Juden zu Staatsbürgern und gewährte ihnen Gewerbefreiheit, Niederlassungsrecht und auch Waffenfähigkeit. Da dieses Edikt zuerst nicht für Westpreußen und das Posener Gebiet galt, ergab sich eine zusätzliche Wanderungsbewegung in Richtung Ostdeutschland. Innerhalb von fünf Jahren verdreifachte sich die Zahl der Juden in Ostdeutschland, und zählte man 1816 noch 1000 jüdische Mitbürger, waren es 1871 schon 4000, die damit 3,5 Prozent der Einwohner stellten. Dies war auch Folge des aufblühenden Rußlandhandels sowie die Verbesserung der Verkehrswege, vor allem des Eisenbahnnetzes durch den "europäischen Eisenbahnkönig", den aus Neidenburg stammenden Bethel Henry Strousberg. Die gehobeneren Schichten der jüdischen Bevölkerung zeigten starke Assimilationsbewegungen zum evangelischen Glauben, der vorherrschenden Glaubensrichtung in Ostdeutschland. Meilenstein der Integration war ein Gesetz des Norddeutschen Bundes von 1869, das 1871 als Reichsgesetz übernommen wurde und die vollständige gesetzliche Gleichberechtigung der jüdischen Bevölkerung garantierte.
Die Zeit des Kaiserreiches von 1871 bis 1918 war die Periode der freiesten Entwicklung, 416 000 Deutsche jüdischen Glaubens lebten nun in Preußen, 13 000 davon in Ostdeutschland wiederum ein Drittel davon in Königsberg. Führende Stellen in Wirtschaft, Handel, Wissenschaft, Kultur und Vereinen wurden von ihnen besetzt, und Höhepunkt der Harmonie war 1896 die Einweihung der Neuen Synagoge in Königsberg. Bereits 1880 hatte sich ein Verband der Synagogengemeinden gegründet, dem sich 43 Gemeinden anschlossen.
Die ersten Anzeichen des Niedergangs des Gemeindewesens waren in der Weimarer Republik zu spüren: Der Wegfall des Memellandes an Litauen, der wirtschaftliche Rückgang durch die Errichtung des polnischen Korridors, der Wegzug von Gemeindemitgliedern in aussichtsreichere Gegenden sowie ab 1920 die anschwellende nationalsozialistische Bewegung waren dafür die Ursachen. Ab 1928 gab es unter NSDAP-Gauleiter Erich Koch die ersten Übergriffe auf jüdische Einrichtungen und Personen. Nach der staatlichen Sanktionierung dieser Vorgänge im Jahre 1933 folgten Boykotte, Entlassungen aus akademischen und juristischen Ämtern sowie die Verdrängung aus dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Der jüdische Bevölkerungsanteil in Königsberg sank von 3200 im Juni 1933 auf 2100 im Oktober 1938. Nach der Reichskristallnacht, in der auch die Neue Synagoge zerstört wurde, verließen weitere 500 Juden Königsberg. Für den Rest folgte die Deportation 1942/43.
Die Ausstellung mit über 100 Schautafeln und einigen Exponaten wurde vom Ostdeutschen Landesmuseum in Lüneburg anläßlich des 60. Jahrestages der Reichskristallnacht 1998 konzipiert und dort erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Silke Straatman, Museumspädagogin in Lüneburg, ging bei der Eröffnung auf die erste Gesamtdarstellung dieses Themas überhaupt ein; zahlreiche Exponate, die in Lüneburg zu sehen waren, wurden aber inzwischen den Eigentümern wieder zurückgegeben.
Offiziell eröffnet wurde die Sonderschau, in der auch bedeutende Persönlichkeiten jüdischen Glaubens aus allen Bereichen von Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik sowie Einzelschicksale dargestellt werden, von Landrat Georg Rosenbauer, einem Kenner der jüdischen Geschichte und zudem offizieller Kontaktmann der CSU zu den Juden. Er sagte, die Ausstellung lade zur Auseinandersetzung mit der reichen Geschichte jüdischer Menschen in Ostdeutschland ein, welche dort die Kultur der Region nachhaltig geprägt hätten. In diesem Zusammenhang wies Rosenbauer auf das geistig-kulturelle Potential hin, welches die Nationalsozialisten mit der Judenverfolgung im Dritten Reich zerstört haben, und nannte als Beispiel, daß immerhin von 20 deutschen Nobelpreisträgern, die diesen Preis bis 1933 erhalten haben, zwölf jüdischen Glaubens waren.
Die Ausstellung im Kulturzentrum Ostdeutschland in Ellingen ist bis zum 12. März täglich außer Montag von 10 bis 12 und von 14 bis 16 Uhr zu sehen. Mef
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