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Alles schon dagewesen", pflegte der Rabbi Ben Akiba in Karl Gutzkows "Uriel Acosta" wiederholt festzustellen, wobei sich der Autor eigentlich auf den Text im Prediger Salomo 1,9 bezog, der lapidar bekannte "... und es geschieht nichts Neues unter der Sonne". Die in Hamburg erscheinende Illustrierte "Stern" hielt es in ihrer letzten Ausgabe abermals für angezeigt, sich mit einem Beitrag unter dem Titel "Bundeswehr / Braune Kameraden" in die Herzen ihrer Leser mit der Intention einzuschreiben, alleinig befugte Gralshüterin der historischen Wissenschaft und gestrenge Wächterin jenes in Deutschland so raren und gefährdete n Pflänzchens namens Wahrhaftigkeit zu sein.
Was macht das "Stern"-Autorenkollektiv, unter ihnen der stets auf diesem Sektor in besonderer Weise beflissen agierende Anton Maegerle, so unduldsam? Nun, zunächst nicht anderes, als daß der Historiker Dr. Franz Uhle-Wettler, nebenher auch Generalleutnant a. D., die These aufstellt, daß nach der Quellenlage der deutsch-sowjetische Krieg, der 1941 offen ausbrach, nicht allein aus der Sicht des Hitlerschen Überfalls gedeutet werden kann. Die Autoren machen daraus kurz, bündig und polemisch: "Hitlers blutigen Überfall auf die Sowjetunion dichtet Uhle-Wettler schlicht zu einem Präventivschlag um." Nun mag für manche, die es offenbar gewohnt sind, in einem Krieg insbesondere nur klassenkämpferische Zielvorstellungen gelten zu lassen, schwer sein, auch weltwirtschaftliche Rangordnungskämpfe oder Präventivschläge gelten zu lassen. Aber jenseits davon, was spricht dagegen?
Zunächst aus militärischer Sicht: die massive Stationierung sowjetischer Artillerie in den Frontstellungen und nicht im Hinterland, die Konzentration der Sowjettruppen an der Grenze, die Auflösung der Stalinlinie und eine Vielzahl inzwischen bekanntgewordener Äußerungen sowjetischer Politiker, die allesamt die Stalinsche Zielvorstellung bestätigen. Auch der Historiker Courtoise mit seinem Schwarzbuch wäre hier zu nennen, der Stalin schlüssig zum Herrn über Europa deklarierte. Freilich sind Argumente in diesem Zusammenhang zweitrangig, es geht hier vielmehr um die Verteidigung eines durch das Grundgesetz gesicherten Rechts von ungehinderter Meinungsäußerung und um die Freiheit von Forschung und Lehre.
Man wird heute über die Ursachen des russisch-japanischen Krieges anders urteilen als 1905. Man weiß heute, etwa durch eine ZDF-Dokumentation, daß John F. Kennedy nicht nur "ein Berliner", sondern auch ein führender US-Mafiote war. Insofern kann weder eine Illustrierte noch eine Behörde historische Ereignisse von den Umständen und dem Verlauf her gleichsam amtlich fixieren, was eine staatliche Einrichtung auch vernünftigerweise nicht tut. Wieso nun ausgerechnet die Illustrierte "Stern" auf jene oben angeführte dogmatische Fixierung beharrt und zudem noch der Verbindungen zu Neonazis bezichtigt, bleibt im Zusammenhang mit der Kriegsursachenforschung völlig unklar.
Es scheint bei Durchsicht alter Akten aber fast zwingend, ob die Frühgeschichte jener Illustrierten und ihres einstigen Herausgebers und Chefredakteurs nicht etwas geradezu zwanghaft Kompensatorisches aufweist, um Vergangenheit zu bewältigen. So erinnert das famose Logo jener Illustrierten, das Sternzeichen, fatal an das Verbandsabzeichen einer der SS zugeteilten Propagandakompanie namens "Südstern", in der Henry Nannen das große Schreiben hatte. Jener Henry Nannen war es nämlich, der einst für den Endsieg schrieb und der "jüdisch-bolschewistischen Zersetzung" den erbitterten Kampf ansagte und der in der Zeitschrift "Kunst und Volk" (Nr. 7/1939) schwülstig notierte: "Die Erneuerung des deutschen Menschen aber ist das Werk des Führers ... Und wie der Führer gleichsam als Verdichtung unseres gesamten Volkes wunderhaft aufgestiegen ist, so hat er unser Volk wieder fest gegründet auf dem unerschütterlichen Grund der Herkunft und des Blutes." So aber, wie dieses Zitat in der Bewertung durch Gegenwärtige anders ausfällt als 1939, so kann über die Ursachen jenes Krieges von 1941 anders geurteilt werden als 1947 oder 1998 im "Stern".
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