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Wenn man regiert, ist das Regieren die Hauptsache." Mit diesem bemerkenswert simplen Satz begründete Franz Müntefering den Wechsel an der SPD-Spitze. Der Regierungschef soll also jetzt regieren und sonst gar nichts - nach allem, was man bislang mit Schröders "Chefsachen" erlebt hat, wird mancher das als Drohung empfinden. Und mancher wird auch fragen: Was hat Schröder eigentlich in all den Jahren seit dem Wahlsieg von 1998 getan? Wieso hat er so lange gebraucht, um endlich dahinterzukommen, daß "das Regieren die Hauptsache" ist?
Schröders Rückzug vom Amt des Parteichefs ist natürlich nicht eine Stärkung, sondern eine Schwächung, läutet die Kanzlerdämmerung auf Raten ein. Aber ist das auch schon der "Anfang vom Ende" der rot-grünen Macht, wie es nun aus Oppositionskreisen tönt?
Dieser Koalition ist - man mag es bedauern - im Herbst 2002 für vier Jahre der Regierungsauftrag erteilt worden. Sie hat diesen Auftrag angenommen, nun hat sie ihre Pflicht und Schuldigkeit zu tun - Fahnenflucht gilt nicht. Und auch jene, die Schröder und Fischer nach vier Jahren ziemlich schlechter Politik wieder ihre Stimme gaben, müssen lernen, daß man nicht nach eineinhalb Jahren sagen kann: "War nicht so gemeint; jetzt mögen wir euch nicht mehr". Das sollte man sich vor der Wahl etwas genauer überlegen, von wem man die nächsten vier Jahre regiert werden will.
Zudem: Was sollte ein Regierungswechsel zum jetzigen Zeitpunkt für Deutschland denn bringen? Die Opposition, insbesondere die Union, hat derzeit keine wirklich überzeugenden Alternativen zu bieten, weder personell noch inhaltlich. Daß die Erben Ludwig Erhards sich nicht einmal auf ein einheitliches Konzept einer Steuerreform verständigen können, ist schon blamabel genug. Und wenn eine große Volkspartei sich so schwertut, einen überzeugenden Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu finden, dann wirkt der Gedanke, nun müsse plötzlich ein Kanzlerkandidat hervorgezaubert, zumindest also zwischen Merkel und Stoiber entschieden werden, geradezu beunruhigend. Hinzu kommt die höchst überflüssige Desavouierung des konservativen Lagers durch die CDU-Spitze; Zeichen der Stärke waren da nicht zu erkennen.
Deutschland wird also weiter mit dieser Regierung und dieser Koalition leben müssen. Aus Sicht des Kanzlers bedeutet das: Die Reformpolitik, so wie er sie in seiner Agenda 2010 umschrieben hat, wird weitergeführt. Das wäre nicht unbedingt das Schlechteste für das Land, wenn man nur wüßte, in welche Richtung die Reise gehen soll.
Der noch amtierende und der designierte neue Parteichef sagen, sie wollten eigentlich weitermachen wie gehabt. Sie glauben, daß alles richtig läuft, nur leider das Volk, insbesondere das eigene Parteivolk, noch nicht alles richtig verstanden hat, daher jetzt die Doppelspitze als Nachhilfelehrer. Die Signale aus der Partei und den ihr nahestehenden Gewerkschaften deuten aber in eine andere Richtung. Korrektur der Reformen, mehr soziale Gerechtigkeit, Erbschaftssteuer, Ausbildungsplatzabgabe - da wird tief in die Mottenkiste sozialistischer Neidkomplexe gegriffen.
Die erste Personalentscheidung des Duos Schröder/Müntefering spricht ebenfalls für einen Linksruck: Der neue Generalsekretär Klaus Uwe Benneter ist ein alter Kampfgenosse aus Juso-Tagen, einst wegen seiner Nähe zu kommunistischen Ideen und Bündnispartnern auf Betreiben des ebenfalls weit links orientierten Egon Bahr für mehrere Jahre aus der SPD ausgeschlossen. Die Freundschaft der beiden ehemaligen Juso-Vorsitzenden Schröder und Benneter hielt bis heute, was wohl auch einiges über den ideologischen Standort des Kanzlers aussagt. Seine Rolle als "Sozi im Nadelstreifen" und "Genosse der Bosse" wird dadurch nicht glaubwürdiger. Juliane Meier
Abgewatscht: Noch-Parteichef Schröder im Kreise seiner "Parteifreunde", unter deren Druck er das Amt des Vorsitzenden niederlegte. |
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