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Königsberg: Gezerre um Jubiläum

 
     
 
Es sollte ein großes, grenzüber-schreitendes Ereignis von Weltbedeutung werden, bei dem die "Achtung gegenüber der tragischen Geschichte der Stadt" ge-würdigt werden sollte: Im vergangenen Jahr traf sich das Kulturforum Königsberg, bestehend aus Angehörigen der Universität und Privatpersonen, um die Feier des Stadtjubiläums im Jahr 2005 zu organisieren. Von den hehren Absichten ist heute, knapp ein Jahr später, allerdings nicht viel übriggeblieben.

Viel wurde inzwischen über das Thema geschrieben, widersprüchliche Meldungen erscheinen in der Presse, werden widerrufen. Die Bürgerinitiative "Für Königsberg", die anläßlich des bevorstehenden Stadtjubiläums die Rückbenennung der Stadt in Königsberg forderte, wurde von Bürokraten
und Kommunisten angefeindet, ja sogar ein gesetzliches Verbot für die Umbenennung wurde von ihnen angestrebt, dem Moskau allerdings nicht zustimmte.

In einer bislang unbestätigten Meldung eines Numismatiker-Magazins stand zu lesen, daß die Zentralbank Rußlands dem Vorschlag eines Abgeordneten der Gebietsduma, Wladimir Joschikow, zugestimmt habe, zur Feier eine Jubiläumsmünze in der Reihe "Alte Städte Rußlands" für Königsberg/ Kaliningrad zu prägen.

Eine Meldung des Online-Informationsdienstes "Regnum", nach der der Königsberger Gouverneur Wladimir Jegorow aus Moskau einen Rüffel erhalten haben soll und dahingehend zurechtgewiesen worden sei, daß das Jubiläum "Kaliningrads" und keinesfalls das Königsbergs gefeiert werde, wies dieser aufs schärfste zurück und forderte eine Gegendarstellung des Informationsdienstes.

Er bestritt, eine solche Äußerung jemals getan zu haben, und vermutete, daß Journalisten eine solche "Ente" verbreitet hätten. Noch zu Beginn des Jahres sprach Premierminister Michail Kassjanow während einer zweitägigen Dienstreise ins Königsberger Gebiet vom 750jährigen Jubiläum "Kaliningrads-Königsbergs" und betonte, daß es sich um ein "großes Ereignis von Weltbedeutung handelt" und "Rußland dieses würdig feiern sollte".

Der Premierminister gab dem Kulturministerium auf, gemeinsam mit der Gebietsverwaltung Königsbergs einen Plan für die "Feier des Jubiläums der Stadt Kants" aufzu-stellen. Damit versuchte Kassjanow, der Diskussion, ob es sich lohne, das 750jährige Stadtjubiläum überhaupt zu feiern, ein Ende zu setzen. Seiner Ansicht nach ist die deutsche Geschichte der Stadt sehr eng mit der russischen verflochten.

In neuesten Pressemeldungen wurde verbreitet, die Administration des Präsidenten habe Gouverneur Jegorow in einem Brief mitteilen lassen, daß sie die Feierlichkeiten für das 750jährige Stadtjubiläum "Kaliningrads-Königsbergs" als "unzweckmäßig" erachte. In der Begründung des Schreibens hieß es, die notwendi-gen historischen Voraussetzungen für die Feier der Gründung "Kali-ningrads" seien nicht gegeben: Königsberg wurde im Jahr 1255 gegründet, die Stadt "Kaliningrad" am 4. Juli 1946.

Deshalb schlage die Administration vor, lieber das 60jährige Jubiläum "Kaliningrads" zu feiern. Für diesen Brief aus Moskau zeigte Jegorow zunächst Verständnis, bezeichnete ihn als "normale politische Entscheidung".

Kritiker faßten die Befehle der Präsidentschaft jedoch als Zugeständnis an die sich aus Veteranenverbänden und Alt-Kommunisten zusammensetzenden neokonservativen Kreise auf. Die Zeitung "Iswestija" bezeichnete die ganze Dis-kussion um das Stadtjubiläum als Skandal, der tiefe politische Hintergründe hat. Außer den Veteranenverbänden sei es möglicherweise Präsidentengattin Ludmila Putina, gebürtig aus Königsberg, zu verdanken, wenn die Feierlichkeiten nur in veränderter Form stattfinden könnten. Ludmila Putina gehört dem inoffiziellen Organisationskomitee an.

Der Historiker Igor Dowschen-kow hält es für unmöglich, ein Stadtjubiläum zu begehen, ohne an den Namen zu erinnern, den die Stadt die längste Zeit seit ihrem Bestehen getragen hat. "Wie kann man behaupten, Immanuel Kant hätte in Kaliningrad gewirkt?" gibt er zu bedenken. So sieht es auch der Duma-Abgeordnete Solomon Ginsburg. "Einerseits sprechen wir davon, daß Kaliningrad das russische Fenster nach Europa ist, andererseits gibt es Leute, die es eng geschlossen halten möchten." Einer neuen Meldung zufolge soll Gouverneur Wladimir Jegorow in einer Presseerklärung bekanntgegeben haben, daß er auf jeden Fall das 750jährige Jubiläum begehen wolle, notfalls auch ohne Unterstützung Moskaus. Allerdings legt Jegorow sich nicht genau fest, indem er von einem "komplizierten Schicksal der Stadt" spricht, und in seinem Wortschatz kommt die Bezeichnung Königsberg nicht vor. Er meinte lediglich, daß das Jubiläum "auf die eine oder andere Weise" gefeiert werde, daß aber auf jeden Fall der 750jährigen Geschichte der Stadt gedacht werden solle. Die Presseerklärung erweckt den Anschein, als wolle Jegorow sich vor dem Organisationskomitee nicht die Blöße geben, die von ihm in Auftrag gegebenen Vorbereitungen zurück-nehmen zu müssen.

In Anbetracht all dieser Presse-meldungen macht sich die Befürchtung breit, die 750-Jahr-Feier in Königsberg könne zur Farce geraten. Die allgemeine Verunsicherung wächst angesichts des ewigen Hin und Her. Niemand kann genau sagen, welche Meldungen echt und welche gezielte Desinformationen einer Partei sind.

Bleibt nur zu hoffen, daß die Verantwortlichen rechtzeitig ein Einsehen haben und ein historisch so bedeutsames Ereignis wie das Königsberger Stadtjubiläum nicht als Spielball für politisches Geplänkel benutzen, sondern die Chance zur kulturellen Annäherung zwischen Rußland und dem Westen ergreifen, wozu auch eine ehrliche Aufarbeitung der jüngsten (Sowjet-) Geschichte und der Vertreibungen gehörte!

Verbunden mit den Feierlichkeiten zum Stadtjubiläum böte sich die Gelegenheit, die Verflechtungen der Stadt mit russischer und deutscher Geschichte, die ja nicht nur die des unseligen Zweiten Weltkriegs, sondern auch die Preußens und Zarenrußlands ist, aufzuzeigen und die gegenseitigen kulturellen Einflüsse in der Geschichte darzustellen.
 
     
     
 
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