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Macht und Mächtigkeit

 
     
 
Kein Arzt werde jemals "einen Tarifvertrag akzeptieren, der nicht vom ,Marburger Bund unterzeichnet wurde", drohte selbstbewußt der Vorsitzende der Mediziner-Gewerkschaft, Montgomery. Darum also geht es beim neuerlichen Streik, diesmal an den kommunalen Krankenhäusern: nicht um einen sinnvollen, auch den berechtigten Anliegen des medizinischen Personals genügenden Beitrag zur Sanierung des Gesundheitswesens
, sondern um Macht. Genauer: um die Mächtigkeit. Dieser Begriff spielt nämlich eine zentrale Rolle bei der Frage, ob eine Organisation überhaupt als Gewerkschaft, sprich: Tarifpartner, anerkannt wird. Die unabhängigen Christlichen Gewerkschaften hatten damit schon oft Probleme; vor Betriebsratswahlen versucht der übermächtige DGB gern, lästige Konkurrenz auszuschalten, indem er deren angeblichen Mangel an "Mächtigkeit" einklagt.

So hat es in den letzten Monaten zwischen dem "Marburger Bund" und der DGB-Gewerkschaft ver.di "mächtig" gekriselt. Nachdem es Montgomerys Mannen aber durch massive Rücksichtslosigkeit gegenüber den Patienten gelungen ist, die Länder zum Tarifabschluß zu nötigen, dürfte die "Mächtigkeit" - und der Gewerkschafts-Status - außer Zweifel stehen.

Offensichtlich will Montgomery mit dem neuen Streik diesen Status festigen - in der irrigen Annahme, er und seine Mitstreiter könnten sich weiterhin auf wohlwollende Begleitung der veröffentlichten Meinung und die Solidarität des sonstigen medizinischen Personals verlassen.

Diese Rechnung aber, so zeigen schon die ersten Streiktage, geht nicht auf. Der Berufsverband der Pflegeberufe kritisiert den Streik als "unsolidarisch"; zu Recht fürchtet er, daß die Kommunen, so sie den Ärzten mehr zahlen müssen, das Geld, das sie eh nicht haben, beim Pflegepersonal einsparen werden. Auch in den Praxen der niedergelassenen Ärzte wird massive Kritik artikuliert: Montgomery diskreditiere mit seinem mutwillig vom Zaun gebrochenen Streik die nichtangestellten, frei praktizierenden Ärzte mitsamt ihren berechtigten Forderungen nach einem unbürokratischeren und leistungsgerechteren Honorarsystem.

Je mehr Details den streikgeplagten Patienten bewußt werden, umso unglaubwürdiger wird der "Marburger Bund". Lohnsteigerungen von bis zu 30 Prozent zu fordern wird zunehmend als unanständig empfunden, zumal wenn man weiß, von welcher Ausgangsbasis aus: In welcher anderen (nicht nur akademischen) Branche erhalten Berufsanfänger bereits mehr als 3000 Euro monatlich - und das soll auch noch zu wenig sein? Wie will man das den Bürgern - gesunden wie kranken - plausibel machen, die Tag für Tag mit Nullrunden, Leistungskürzungen, Abgaben- und Steuererhöhungen konfrontiert sind?
 
     
     
 
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