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Wenn die Deutschen müde sind, dann sind sie parteien- und politikermüde, aber nicht politikmüde. So ergab unlängst eine Emnid-Umfrage, daß eine überwältigende Mehrheit von 84 Prozent für Volksentscheide auf Bundesebene ist. Das läßt für die Demokratie in Deutschland hoffen. Gerne wird der direkten Demokratie entgegengehalten, sie führe zur Todesstrafe oder habe zum Ende der Weimarer Republik beigetragen. Derartige Argumente zeugen häufig von einem antidemokratischen Geist und lassen sich ähnlich gut auch gegen andere Formen von Demokratie anführen. Immerhin sind es die USA und nicht die Schweiz, in denen Todesurteile sowohl ausgesprochen als auch verhängt werden, und es war die Mehrheit im Reichstag und nicht im Volke, die dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt hat. Mehr als ein halbes Jahrhundert nach der Kapitulation und über ein Jahrzehnt nach dem Rückerhalt der Souveränität sollten die Deutschen endlich selber entscheiden dürfen. Dann blieben dem Land in Zukunft auch nationalmasochistische Aktionen wie die Ablösung der D-Mark und die Entschädigung nur nichtdeutscher Zwangsarbeiter erspart. D. Beutler |
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