A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Münteferings Rohrkrepierer

 
     
 
Unter Medienexperten gilt es als wenig ratsam, journalistische Attacken mit juristischen Mitteln zu kontern. In den weitaus meisten Fällen nämlich schätzen deutsche Gerichte Meinungs- und Pressefreiheit höher ein als Persönlichkeitsrechte und Ehrenschutz. Mit den Großen der Branche, zumal wenn sie politisch korrekt an der Seite des Zeitgeist
es stehen, legt der "normale" Bürger sich besser nicht an; in aller Regel zieht er vor Gericht den Kürzeren.

Franz Müntefering müßte das eigentlich wissen. Schließlich gilt der SPD-Generalsekretär spätestens seit der von ihm inszenierten "Kampa" vor der Bundestagswahl 98 als Medienexperte. Damals hatte er die Kanzlerkandidatur Gerhard Schröders höchst medienwirksam "vermarktet", hatte es mit großem Geschick (und ebenso großem Erfolg) verstanden, die breite Mehrheit der Meinungsmacher zu rot-grünen Wahlkampfhelfern umzufunktionieren. Deutschland erlebte eine - auch durch Schwächen und Verschleißerscheinungen der damaligen Bundesregierung begünstigte - Kampagnen-Wahlschlacht, und Müntefering war der unbestrittene Kampagnen-Zeremonienmeister.

Aber was ist aus Schröders "Mann fürs Grobe" heute geworden? Ausgerechnet er, der Kampa-Erfinder, klagt weinerlich über angeblich bösartige und einseitige Kampagnen und verklagt deren Urheber nach dem Motto: "Haltet den Dieb!". Die Folgen hätte der erfahrene Medienexperte sich eigentlich ausrechnen können. Es gab einen Solidarisierungseffekt, wie ihn dieses Land so noch nicht erlebt hatte (allenfalls ansatzweise, als der "rechten" Jungen Freiheit die Konten gekündigt wurden und selbst stramm "linke" Blätter sich vehement gegen diesen Angriff auf die Pressefreiheit verwahrten). Daß die Chefredakteure nahezu aller auflagenstarken Publikationsorgane so einmütig und eindeutig Münteferings Strafanzeige gegen Bild verurteilten, das ist schon ein spektakulärer, ja einmaliger Vorgang.

Letztlich wurde die Freiflug-Affäre erst durch Münteferings juristischen Gängelungs- und Einschüchterungsversuch zu einem richtigen Skandal. Und zugleich zu einem Rohrkrepierer. Vor allem die elektronischen Medien waren gerade auf die Beschwichtigungslinie zugunsten der ertappten Bonusmeilen-Sünder eingeschwenkt. "Alles halb so schlimm" - "Hat doch niemandem geschadet" - "Machen doch alle so" - "Politiker sind ja auch nur Menschen wie du und ich" - solch verharmlosende Banalitäten waren immer öfter zu lesen und zu hören. Rein "zufällig" gehören die von Bild bloßgestellten Nulltarif-Reisenden fast ausnahmslos der SPD, der PDS oder den Grünen an.

Vermutlich hätte sich bald schon die breite Öffentlichkeit der veröffentlichten Meinung angeschlossen, es handele sich vielleicht nur deshalb um eine rein rot-grüne Affäre, weil die anderen bei ihren Reisekostenabrechnungen geschickter - "kreativer" - vorgingen und sich nicht erwischen ließen oder weil Bild wahlkampfbedingt nur selektive Sünderlisten abdrucke.

Genau an dieser Stelle schlug Müntefering zu. Allerdings nicht mit einer jener Keulen, mit denen er vor vier Jahren noch so effektvoll hantieren konnte, sondern mit einem der letzten Strohhalme, an die er und seine Genossen noch Hoffnungen für den 22. September knüpfen. Daß sich ein so erfahrener Mann wie der SPD-Generalsekretär bei der Wahl der Wahlkampfwaffen so gründlich vergreift, zeigt vor allem eines: wie blank bei Schröder & Co. inzwischen die Nerven liege
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Chevènement im Aufwind

Gegen Doppelmoral

Die mit den Pflanzen spricht

 
 
Erhalten:
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv