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NATO-Hauptquartier in Pommern

 
     
 
Multinationale Militärverbände sind in Deutschland und in einigen anderen europäischen NATO-Mitgliedsländern im letzten Jahrzehnt in Mode gekommen. Nach der Bildung von zwei deutsch-amerikanischen Korps, einem deutsch-französisch-belgischen "Eurokorps" (Hauptquartier: Straßburg), des unter britischer Führung stehenden "Schnellen Reaktionskorps", eines deutsch-dänischen Großverbandes sowie eines deutsch-niederländischen Korps gibt es demnächst auch ein deutsch-dänisch-polnisches "Korps Nordost".

Im O-Ton des Bundesverteidigungsministeriums
heißt es zu dieser Entwicklung, mit der auf der Ebene der Korps die alleinige deutsche Befehlsgewalt beseitigt wird: "Multinationale Entscheidungs-,

Kommando- und Streitkräftestrukturen sind auch wichtige Zwischenschritte auf dem Weg zu einer europäischen Verteidigung und verstärken zugleich die Verklammerung mit den nordamerikanischen Partnern." Oder anders ausgedrückt: All diese Kooperationen sollen nicht nur symbolisch die Auffassung unterstreichen, daß die Zeiten kriegerischer Rivalitäten zwischen den beteiligten Ländern vorbei sind, sondern darüber hinaus bewußt alle organisatorischen Voraussetzungen für eine militärisch gestützte eigenständige nationale Außenpolitik beseitigen.

Allerdings muß auch festgehalten werden, daß bislang bei der Einbindung der eigenen Armee in multinationale Führungsstrukturen nur die Niederlande und Dänemark ähnlich weit gegangen sind wie die Bundesrepublik Deutschland.

Lange Zeit war das 1962 gegründete Hauptquartier "Landjut" (Hauptquartier der Alliierten Landstreitkräfte Schleswig-Holstein und Dänemark) in Rendsburg das einzige multinationale Korps in der NATO. Nun muß es Ende April zugunsten des neuen Korps Nord-ost weichen, das erstmals Soldaten aus dem Nordatlantikpakt und aus einem früheren Warschauer-Pakt-Staat unter einem gemeinsamen Kommando zusammenfaßt.

Die letzten Umzugsvorbereitungen in der Eiderkaserne in Rendsburg laufen auf Hochtouren. Am 26. April ist es so weit, dann beginnt die Verlegung des Kerns des künftigen Stabes des trinationalen "Hauptquartiers Multinationales Korps Nordost" (Headquarters Multinational Corps Northeast) in die pommersche Hauptstadt Stettin.

Die feierliche Aufstellung der aus 160 Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften bestehendenKommandozentrale ist für den 26. Juni geplant. Erster befehlshabender General wird der Däne Hendrik Hovard Ekmann. Als Stellvertreter steht ihm der deutsche Brigadegeneral Hans-Joachim Stachau zur Seite. Alle drei Jahre werden die Führungspositionen abwechselnd von polnischen, dänischen und deutschen Offizieren neu besetzt. Als nächster Kommandant ab 2001 steht bereits der polnische Generalmajor Edward Pietrzyk fest.

Der Stab mit seinen 108 Offizieren (im Spannungsfall 252) bezieht im Nordwesten von Stettin in der Lukaszinskiego-Straße in einer ehemaligen Wehrmachtskaserne Quartier, die zur Zeit noch renoviert wird. An den Vorbereitungskosten des Umzugs in Höhe von etwa 25 Millionen Mark beteiligen sich alle drei Länder zu gleichen Teilen. Der laufende Unterhalt der Truppe soll jeweils in der nationalen Zuständigkeit verbleiben. Dienstsprache ist auch hier das Englische, obwohl eine Einigung auf die deutsche Sprache wohl praktikabler gewesen wäre.

Da das Korps Nordost zwar den NATO-Verteidigungsstreitkräften zugeordnet wird, aber nicht fest in die Struktur der Allianz eingebunden ist, wurde im Wappenschild auf den üblichen Stern des Nordatlantikpakts verzichtet. Das Wappen zeigt drei Schwerter vor Ostseewellen und darüber einen gekrönten Adlerkopf.

Im Ernstfall rekrutieren sich die Korpstruppen aus der in Neubrandenburg stationierten 14. Panzergrenadierdivision, der 12. Polnischen Division Stettin und der Dänischen Division Fredericia. Im Unterschied zu der 1988 gebildeten, in Müllheim/Baden stationierten Deutsch-Französischen Brigade und anders als beim Deutsch-Niederländischen Korps mit Sitz in Münster ist nur der Stab national gemischt, während die zu führenden Kontingente voneinander getrennt bleiben.

Die Standortentscheidung der Verteidigungsminister der drei beteiligten Staaten für Stettin fiel im August 1997. Erste Pläne für das trinationale Korps hatte es in Bonn und Kopenhagen bereits vor dem Madrider NATO-Gipfel im Juli 1997 gegeben, auf dem die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik beschlossen wurde. Aus der Hardthöhe verlautete damals, daß das Vorhaben eines gemeinsamen Heereskorps mit Polen "unabhängig von der NATO" zu betrachten sei.

Schon bald nach den Weichenstellungen des Sommers 1997 begannen die Vorbereitungen für den Umzug der deutschen und dänischen Soldatenfamilien vom Nord-Ostsee-Kanal ans Oderhaff. Während von dänischer Seite eine spezielle Siedlung mit 43 Häusern errichtet wurde, entschied man sich bei der Bundeswehr dafür, daß sich die Familien ihre Bleibe auf dem freien Wohungsmarkt zu suchen haben.

Mitte 1998 wurde eigens ein Vorauskommando für die schwierige Wohnungsbeschaffung nach Stettin entsandt. Die Mietangebote in der 400 000-Einwohner-Stadt sind rar, und besonders größere Wohnungen mit westlichem Standard oder gar Einfamilienhäuser sind kaum zu bekommen.

Für die Erziehung der Kinder der deutschen Soldaten wurde in Ermangelung geeigneter eigener Alternativen die renommierte Britische Schule Warschau ausgewählt, die ab dem kommenden Schuljahr eine eigene Abteilung in Stettin unterhält. Für die Offiziere und Mannschaften selbst laufen in Rendsburg schon seit längerem Intensivkurse in der polnischen Sprache.

Auf polnischer Seite üben ausgewählte Offiziere bereits seit November 1997 in Rendsburg die Zusammenarbeit mit ihren deutschen und dänischen Partnern. Zuletzt kamen im März dieses Jahres 20 polnische Offiziere nach Schleswig-Holstein, um an der Aufstellung des neuen Korpsstabes mitzuwirken.

Mit dem Krieg der NATO gegen Jugoslawien, der dazu geführt hat, daß die Nerven der russischen Politiker blank liegen und die gedemütigte "russische Volksseele" kocht, wird die Gründung des Korps Nordost in Stettin erst recht zum Politikum. Der russische Verteidigungsminister Sergejew hatte bereits anläßlich seines Besuchs im  "Landjut"-Hauptquartier  in Rendsburg am 29. Januar 1998 die eigenen Ängste in eine drohende Frage gefaßt: "Wie wäre die Reaktion in Bonn, wenn wir ein gemeinsames  russisch-weißrussisches Korps aufstellten und weit nach Westen verlegten?

 
     
     
 
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