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Ariel Scharon kehrt nur langsam ins Leben zurück. Noch sind die Folgen der Notoperationen nicht absehbar. Aber ein Professor der Klinik meinte: „Sein Zustand war eigentlich der klinische Tod. Wenn er die Rückkehr überlebt, ist das ein erstes Wunder. Wenn er dann stabil am Leben bleibt, wäre das das zweite Wunder. Und wenn er dann noch ohne Schäden weiterleben würde, wäre das das dritte Wunder. Das sind ziemlich viele Wunder, auch für einen Premierminister.“ Mit anderen Worten: Man muß mindestens davon ausgehen, daß Scharon die Operationen mit dem Skalpell in der Tiefe des Gehirn s nicht ohne bleibende Schäden überlebt hat. Die Lage war so aussichtslos, daß man zu neuen, noch nicht zugelassenen Medikamenten griff. Scharon wird, so sehen es die meisten Neurochirurgen in Israel, nur ganz begrenzt das Amt des Premiers wieder übernehmen können, wenn überhaupt. Das bedeutet: Es wird nach den Wahlen zur Knesset einen neuen Premier geben in Israel. Die Ära nach Scharon hat schon begonnen.
Das gilt auch für die von Scharon gegründete neue Partei Kadima. Selbst wenn sie durch einen Mitleidseffekt ihre Popularität halten kann, ohne die Integrationsfigur Scharon wird sie auf Dauer wieder zerfallen. Sie hat noch kein Programm, keine Tradition, keine feste Struktur. Sie ist ohne Scharon nur die Hälfte wert. Viele Wähler werden das erkennen und schon jetzt zu ihren alten Parteien zurückkehren. Die Polarisierung zwischen links und rechts dürfte wieder zum beherrschenden Element der israelischen Politik werden. Scharon hatte sie durch die Koalition der nationalen Einheit praktisch überwunden und seine Partei der Mitte hätte diesen Zustand auch strukturell verfestigt. Dafür wird Kadima nun auf jeden Fall zu schwach sein.
Der Trend zur Polarisierung wird um so stärker durchschlagen als aus den Wahlen zuvor in den palästinensischen Autonomiegebieten nächste Woche aller Voraussicht nach die Hamas als Sieger hervorgehen wird. Das bedeutet eine Vollbremsung für den Friedensprozeß, denn die Hamas hat nie auf die Vernichtung Israels verzichtet. Es könnte sogar sein, daß dann der nationalistische Likudblock unter Netanjahu wieder zur Mehrheitspartei avanciert, daß der Siedlungsbau wieder forciert und daß möglicherweise der Gaza-Streifen wieder besetzt wird. Auf jeden Fall wird man den Bau des Grenzzauns vorantreiben. All das droht, den Haß auf beiden Seiten nur zu verstärken.
Es sieht nicht gut aus für den Frieden in Nahost. Wahrscheinlich braucht es ein viertes Wunder, damit er eine neue Chance erhält. Unmöglich ist das nicht. Als Scharon zum Premier gewählt wurde, malte man den Krieg an die Wand. Es kam anders. So wie mit Begin, Shamir und Rabin. Sie alle sahen schließlich ein: Zum Frieden gibt es keine Alternative.
Davon sind die Radikalen vom Schlag der Hamas allerdings noch weit entfernt. Sie freuen sich über das Ende der Ära Scharon und wünschen den israelischen Premier „zur Hölle“. Golda Meir drückte es einmal so aus: „Wenn die Araber einmal ihre Kinder mehr lieben werden als sie uns hassen, dann hat der Frieden eine Chance.“ Solange werden beide Völker mehr oder weniger friedlich oder martialisch als Nachbarn koexistieren müssen.
Palästinenser in Aufruhr: Vor allem Kinder sind beteiligt. |
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