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Nur 30 Millionen an die Opfer

 
     
 
"Die JCC allein ist verantwortlich dafür, daß die vielen Opfer, auch die Sklavenarbeiter, nie entschädigt wurden", so der angesehene US-Historiker Norman Finkelstein in einem Interview der "Berliner Zeitung". Diese schwerwiegenden Vorwürfe erhob der Wissenschaftler, selbst familiär Betroffener in Sachen rassischer Verfolgung, gegenüber der "Jewish
Claims Conference", jener Organisation, die seit geraumer Zeit die jüdische Seite bei den Entschädigungsverhandlungen für Fremdarbeiter gegenüber der deutschen Industrie vertritt.

Finkelstein beschuldigt die Organisation, ein schon in den fünfziger Jahren abgeschlossenes Abkommen der deutschen Bundesregierung erneut zu unterbreiten, obwohl schon damals ein breit gefächertes Netz von Entschädigungsleistungen ausgehandelt worden war: "Es ist tragisch, aber die gleichen Verhandlungen wie heute fanden schon einmal statt – und das mit den gleichen Leuten", meint Finkelstein. "Umgehend, nachdem die ersten Zahlungen Deutschlands auf den Konten der JCC eingingen, fing man an, ihren Verwendungszweck neu zu definieren. Ein Großteil der Gelder floß dann an jüdische Gemeinden in arabische Länder." Dabei habe bei den von deutscher Seite genannten Bedingungen unverrückbar festgestanden, daß die Gelder allein "Opfern der Nazis im engsten Sinne, die ungerecht oder ungenügend entschädigt wurden", zufließen sollten.

Doch entgegen den damals offenbar sehr umsichtig geführten bundesdeutschen Verhandlungen begann man seitens der JCC , den Verwendungszweck neu festzulegen: "Die Wiederherstellung des jüdischen Gemeinwesens" habe plötzlich im Mittelpunkt gestanden. In einer internen Studie heißt es gar, so Finkelstein, daß "die direkte Weiterleitung an Individuen" untersagt sei. Als Ausnahmen hätten nur Rabbiner und sogenannte Führungspersönlichkeiten gegolten.

Als die damalige Bundesregierung nach Beschwerden von Opfern bei der JCC insistierte, zeigte man sich pikiert. Bonn wolle offenbar die Integrität der Organisation in Zweifel ziehen. Die JCC argumentierte später pragmatisch: Fragten Opfer nach, verwies man auf vermeintliche deutsche Auflagen des Abkommens. Norman Finkelstein dazu: "Es sind mehrere Reden dokumentiert, in denen Paul Sagan, damaliger JCC-Vorsitzender, erklärt, die von Deutschland festgelegten Richtlinien … verhinderten die Weitergabe an die Opfer." "Aber was er sagt, ist unwahr.  … Deutschlands Richtlinen waren fair." Als Beweis für die schwerwiegenden Argumente führt der Wissenschaftler an, daß die JCC selbst in zwei wissenschaftlichen Abhandlungen über diesen Sachverhalt berichtet habe. "Jetzt", so Finkelstein, "würde die JCC die Bücher am liebsten verschwinden lassen."

Finkelstein wirft der Organisation aber auch vor, mit falschen Zahlen zu operieren. So sei 1945 von einer Zahl von 100 000 überlebenden jüdischen KZ-Häftlingen ausgegangen worden, wobei klar sei, daß heute aus biologischen Gründen nur noch etwa 25 000 Betroffene am Leben seien könnten. Doch die JCC gehe davon aus, im "Namen von 135 000 noch lebenden Sklavernarbeitern zu verhandeln". Nach den Gründen für diese unterstellte Manipulation befragt, antwortete Finkelstein: "Von den zehn Milliarden Mark des Entschädigungsfonds wird voraussichtlich die Hälfte auf den Konten der JCC landen." Insgesamt werde die JCC also nur "etwa 30 Millionen Mark an die Opfer verteilen".

Finkelstein ist der Meinung, daß die Anwälte der JCC ihre Sammelklagen zuvor "an der wirtschaftlich schwächeren Schweiz erprobt" hätten. Nach dem Umweg über die Bundesrepublik werde, so Finkelstein, in Osteuropa das große Finale" dieser Aktion eingeleitet. "Länder wie Polen, Ungarn oder die Slowakei werden nacheinander mit Klagen überzogen werden." So würden bereits jetzt von "Polen 60 Milliarden Dollar für Immobilien" gefordert, was naturgemäß zum "wirtschaftlichen Bankrott des Landes" führe. Schon liefen deswegen Forderungen um, Polens Eintritt in die EU zu blockieren, "sollte das Geld nicht gezahlt werden".

Es liegt nunmehr entscheidend an der Bundesregierung, den massiven Anschuldigungen Finkelsteins nachzugehen und daraus entsprechende politische Schlußfolgerungen zu ziehen. So oder so. Müller

 
     
     
 
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