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Wer kein "Twen" mehr ist, aber noch im Berufsleben steht, wird den größten Teil seines Lebens mit der Quadriga ohne Kreuz und Preußenadler verbracht haben, und wer gar nur von 1958 bis 1990 lebte, den begleitete die Figurengruppe im kreuz- und adlerlosen Zustand sein ganzes Leben.
Im Rahmen der Vorbereitungen des Deutschlandtreffens der FDJ 1950 und der Weltjugendfestspiele 1951 war das, was der Zweite Weltkrieg von dem Kunstwerk übriggelassen hatte, vom Brandenburger Tor gestoßen und der Verschrottung zugeführt worden. Sechs Jahre später beschloß Ost-Berlins Magistrat im Rahmen des "Planes zur Verschönerung des demokratischen Berlins" das Brandenburger Tor zu restaurieren und dessen Krönung zu rekonstruieren. Für die Rekonstruktion wünschte der Magistrat auf die in West-Berlin befindlichen Gipsabgüsse aus dem Jahre 1942 zurückzugreifen, doch diese händigte der West-Berliner Senat nicht aus. Das Ergebnis war eine Arbeitsteilung. Der Osten restaurierte das Tor, und der Westen rekonstruierte dessen Krönung. Gerne hätte der Westen auch die neue Quadriga auf dem Tor aufgestellt, doch das lag im Ostteil, und so mußte der Senat dem Magistrat diesen symbol- und prestigeträchtigen Akt überlassen.
Am 2. August 1958 wurde die neue Quadriga in der Form, die sie ab 1814 besessen hatte und seit 1991 wieder besitzt, dem Ost-Berliner Oberbürgermeister Friedrich Ebert feierlich übergeben. Das Werk wurde jetzt jedoch nicht etwa von dort auf das Brandenburger Tor gehievt, sondern in der darauffolgenden Nacht in den Hof des Marstalls des Berliner Schlosses verbracht.
Nun wurde die dem Westen und der eigenen Öffentlichkeit bisher verschwiegene geplante Veränderung des Kunstwerkes propagandistisch vorbereitet. Am 31. August veröffentlichte die in Ost-Berlin erscheinende Berliner Zeitung einen Artikel mit dem Tenor, daß man "nicht nur der historischen Treue wegen ... zum ersten Siegesstab zurückkehren" solle, "sozusagen zum Ur-Schadow", und forderte ihre Leser zur Stellungnahme auf. Es wurden in den folgenden Ausgaben auch Gegenstimmen veröffentlicht, aber die Masse der abgedruckten Leserbriefe schlug in die Kerbe des Artikelverfassers Hans Ludwig.
Scheinbar reagierte der Ost-Berliner Magistrat auf diesen Protest, als er am 15. September den Beschluß faßte, daß "entsprechend den von Bürgern in beiden Teilen der Stadt gegebenen Anregungen und Vorschlägen ... die Symbole des preußisch-deutschen Militarismus - der Preußische Adler und das Eiserne Kreuz - nicht zur Aufstellung" gelangen. In der übernächsten Nacht wurde dieser Beschluß mit der Nummer 282/58 insoweit umgesetzt, als die beanstandeten Symbole entfernt wurden. Am 27. September wurde die Figurengruppe in der so veränderten Form auf das Brandenburger Tor gesetzt. Am 30. November 1958 wurde das Tor als "Mahnmal für das Streben nach Einheit" feierlich eingeweiht. Nachdem das Bauwerk durch den Bau der Berliner Mauer zum Sinnbild der Spaltung Deutschlands und Berlins geworden war, wurde hinter dem Siegeswagen noch ein Fahnenmast montiert und am 31. August 1961 die DDR-Staatsflagge gehißt. In dieser Form, sprich ohne Kreuz und Adler und statt dessen mit Hammer-und-Zirkel-Flagge, blieb das Brandenburger Tor bis zur Demokratisierung der DDR durch die ersten (und letzten) freien Volkskammerwahlen vom 18. März 1990. D. Beutler
Die Quadriga im Marstall des Berliner Stadtschlosses: Hier wurden Karl Friedrich Schinkels Beigaben aus dem Jahre 1814 entfernt. /font>
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