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Opfer vergessen verhöhnt

 
     
 
Das ganze Ausmaß wurde mir erst nach der Wende klar", gesteht Johanna Wanka (CDU), Brandenburgs Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Daß zahlreiche NS-Konzentrationslager ab 1945 weiterbetrieben worden waren, blieb bis 1989 für viele Deutsche eine echte Überraschung. Und selbst in den 90er Jahre
n, als die ersten Massengräber ausgehoben wurden, war die Gedenkkultur an die Opfer der Sowjetherrschaft noch eine Art verschämtes Anhängsel an die Erinnerung der NS-Zeit.

"Inzwischen", so beteuert Wanka, "verfolgt die Landesregierung das Ziel, die Gedenkkultur unter besonderer Berücksichtigung der Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft auszubauen."

Das Erinnern hat jedoch erbitterte Gegner. Frühere Angehörige der DDR-Nomenklatura wollen die rote Schuld verdrängen. Als Jörg Schönbohm im April 2006 auf einer Gedenkfeier für die Insassen des KZ Sachsenhausen sprach, erwähnte er auch jene, die nach dem Mai 1945 hier litten und starben - und riskierte damit eine Regierungskrise. Die von den Sowjets Inhaftierten dürfen mit denen, die die Nazis eingesperrt haben, nicht "gleichgestellt" werden, lautete die vorgeschobene Kritik.

In Wahrheit ging es darum, die Opfer des kommunistischen Terrors ganz zu verschweigen, oder gar noch schlimmeres: Der Generalsekretär des "Internationalen Sachsenhausen-Komitees", Hans Rentmeister, charakterisierte die KZ-Opfer allesamt als "Mörder". Wörtlich sagte er: "Die ideologisch geprägte Gleichsetzung setzt die Mörder auf eine Stufe mit unseren Kameraden."

Schönbohm hatte das Unglaubliche gewagt, er hatte ein Tabu angekratzt. Rücktrittsforderungen aus den Reihen des Koalitionspartners SPD konnte Schönbohm nur abwiegeln, indem er sich von seinen eigenen Worten distanzierte und einen "Fehler einräumte".

Im August gedachte die CDU-nahe "Konrad-Adenauer-Stiftung" in Potsdam der Wiederinbetriebnahme des KZ Sachsenhausen vor 61 Jahren. Wieder war Schönbohm dabei. Vor dem Rathaus demonstrierten junge Linksextremisten. Als die Veranstaltung im proppenvollen Rathaussaal begann, machte sich ein sogenanntes Bündnis "Madstop" lautstark bemerkbar und entrollte ein Transparent. Der Vorwurf an die 400 Teilnehmer, darunter viele Opfer der roten Gewaltherrschaft: "Die Internierung von Teilnehmern am Vernichtungskrieg und Unterstützern des Nationalsozialismus soll in eine Linie mit den Verbrechen von SS und Wehrmacht gestellt werden."

Das ist genau die Sichtweise, die in der Zone offiziell vertreten wurde: In den Lagern säßen Alt-Nazis und Werwölfe. Grundlage war der "Befehl 315" vom 18. April 1945, der zentrale Haftbefehl. Er diente "tschekistischen Maßnahmen zur Sicherung des Hinterlandes" nach der Eroberung von Reichsgebiet.

Deswegen richteten die Russen Lager ein oder verwendeten gleich die der Nazis. Die bekanntesten Lager waren Fünfeichen, Sachsenhausen, Weesow, Hohenschönhausen, Ketschendorf, Jamlitz, Bautzen, Mühlberg, Torgau und Buchenwald. Jenseits von Oder und Neiße lagen noch einmal geschätzte 36 weitere Lager, von denen Landsberg das bekannteste war. MS
 
     
     
 
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