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Die Verengung der deutschen Vergangenheit auf „die zwölf Jahre“ liegt Geschichtsbewußten seit langem schwer auf dem Magen. Schön, daß die Stadt Magdeburg mit einer großen Ausstellung nunmehr Otto den Großen ehrt - mithin ein erhabenes Stück deutscher Geschichte.
Deutscher Geschichte? „Otto der Große, Magdeburg und Europa“ nannten die Ausstellungsmacher ihre Veranstalt ung, die noch bis zum 2. Dezember läuft. Auf ihren Internetseiten taucht der Name Deutschland praktisch nicht auf. Otto, König der Deutschen seit 936, der 962 die römische Kaiserkrone in unser Land holte, versinkt im Nebel „europäischer“ Verallgemeinerung. Da sind selbst Vorträge wie „Otto der Große, Magdeburg und der Euro“ nicht zu peinlich, um politisch korrekt die deutsche Nationalität des Sohnes von Reichsgründer Heinrich I. zu übermalen.
Offenbar erst alles Deutschen penibel entkleidet darf Otto als Lichtgestalt erstrahlen.
Der „Spiegel“ jedoch macht da nicht mit. Zum Ärger der Magdeburger hat das Magazin herausgefunden: Otto der Große war doch Deutscher. Was daraus geschlossen wird, ist so bezeichnend wie vorhersehbar. Statt „großer Europäer“ wird der König und Kaiser hier mit Attributen wie böse, zynisch, heimtückisch oder prahlerisch übergossen. „Analphabet“ sei er gewesen, der „unterjocht“ und „niedergemetzelt“ habe.
Triumphierend stellt der „Spiegel“-Autor fest: „Nicht ein Porträt von Otto ist überliefert.“ Bevor er das schrieb, hätte er sich lieber mit seinem Layout-Redakteur kurzschließen sollen: Auf derselben Seite nämlich erblickt der verwirrte Leser gleich drei zeitgenössische Otto-Darstellungen, zwei gemalte und eine Skulptur.
Das Otto der Große europäische, d. h. das gesamte Abendland betreffende Ambitionen hatte und mit der Erlangung der Kaiserkrone auch realisierte, ist unbestritten. Kontinentale Bedeutung indes hatte auch Adolf Hitler. Der aber bleibt in der Historiographie ein ganz und gar deutsches Phänomen. Bei positiven Figuren der deutschen Vergangenheit wird überhaupt stets darauf gedrungen, daß sie „eigentlich Europäer“ gewesen seien - so auch geschehen im Falle von Goethe, Beethoven oder Kant. Auf den Verdammten der Geschichte hingegen sollen die Deutschen gefälligst alleine sitzen bleiben. Europäisches Genie oder deutscher Wahn, dazwischen verläuft die Trennlinie.
Wie willkürlich sie gezogen wird, bekommt Otto der Große nun über tausend Jahre nach seinem Tode zu spüren. Sein Beispiel enthüllt den Deutschen jedoch überdies, auf welch durchsichtige, platte Weise versucht wird, ihnen einen positiven Zugang zu ihrer Nationalgeschichte unmöglich zu machen. Ausgerechnet der erste deutsche Kaiser, dessen Name für eine der glorreichsten Epochen dieses Landes steht, läßt uns das faule Spiel deutlich erkennen. Ein später Tritt des Monarchen gegen alle, die sich an seinem Erbe vergehen? Elisa Wachtner
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