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Einmal ist es Noriega, dann Gaddhafi, dann Saddam Hussein. Und in diesem Monat heißt der Feind zufällig Milosevic. Die Truman-Doktrin sagt deutlich, worum es den USA seit dem Zweiten Weltkrieg ging: Die Kontrolle über die gesamte Erde zu erreichen ... Ein kleiner Krieg ist immer gut fürs Geschäft. Ganz beiläufig erinnert er die Europäer daran, wer der Chef in der Firma ist. "Mich wundert, daß die Deutschen so naiv sind, daß sie nicht einmal merken, was wir da tun. Glauben Sie im Ernst , daß wir Milosevic hassen?", fragt der US-Schriftsteller Gore Vidal, verschwägert mit den Kennedy s, verwandt mit Jimmy Carter und Vizepräsident Al Gore, kürzlich in der "Süddeutschen Zeitung".
Noch ist das Geschehen auf dem Balkan nicht vollständig zu übersehen, doch schon zeichnen sich tatsächliche Motive für den Kriegseintritt ab. Gore Vidal nannte einige, weitere dürften bald erkennbar werden. Die Fragen, die sich bald auch stellen könnten, dürften im Zusammenhang mit der gerade in Hamburg unter sattsam wohlwollender Beteiligung der offiziellen Politik parallel laufenden Antiwehrmachtsausstellung stehen: Ist ein politisches Geschehen so angelegt, daß die Beteiligten gewissermaßen von vornherein jenen moralischen Ansprüchen genügen können, mit denen die Initiatoren der Schau insbesondere die ehemaligen deutschen Kriegsteilnehmer belegen möchten? Denn diese wohlweislich unausgesprochene Frage anzunehmen, hieße, das gesamte spätere Kriegsgeschehen bis zum Ende hin zu überschauen? Ein Narr, der dies annähme. Umgekehrt kann man für die Gegenwart kaum ausschließen, daß der Feldzug auf dem Balkan nicht der Bundesregierung entgleitet? Kann man sich als Otto Normalbürger so verhalten, daß man moralisch unangefochten aus einer aktiven Kriegsbeteiligung herauskommt?
Nein, denn wie werden Bundeswehrsoldaten nächtliche Überfälle von Partisanen erdulden? Wird der Schlüssel zur Vergeltung 1 : 30 oder 1 : 10 lauten? Die von der Tabakfirma Reemtsma finanzierte Schau, nach den Worten des Publizisten Rüdiger Proske "die raffinierteste Darstellung historischer Irreführung", könnte nämlich alsbald in die Verlegenheit geraten, unangenehme Vergleiche mit dem ohne Kriegserklärung geführten Balkan-Feldzug heraufzubeschwören. Das erste Gefecht beim Einzug der Bundeswehr in Prizren mit Freischärlern läßt das künftige Spannungsfeld bereits ahnen. Und eine Besetzung, die auf Jahre angelegt ist, birgt nicht nur militärischen Sprengstoff, sondern auch politischen.
Parallelen: Es sollte doch niemand annehmen, daß bis in die damaligen Generalstabsränge hinauf, jemand den 1939 zunächst als Polenfeldzug benannten Kampf schon als Auftakt für den späteren Weltkrieg wertete, selbst ein Hitler nicht. Er setzte auf ein dem Reich gewogenes, einsichtiges England und ließ bekanntlich Teile der Wehrmacht 1940 demobilisieren.
Wenn heute noch die großen Moralkeulen geschwungen werden, dann schlagen sie doch nur auf jene zurück, die einst mit Anti-Nato-Parolen, Pazifismus und phantastischen Thesen die politische Macht zu erobern vermochten, und die bei der jetzigen Europawahl eine satte Rechnung quittiert bekamen. Es war der Abgesang an Phrase und Demagogie.
Die Intention der Antiwehrmachtsschau ist in ihrer vordergründigen Wirkung von der Wirklichkeit jäh überrollt worden. Dazu Bedarf es keiner weiteren Spiegel-Berichte, wie sie nun viel zu spät der Potsdamer Historiker Rolf-Dieter Müller der Illustrierten nachliefern darf: "Über drei Viertel der Bilder sind Aufnahmen aus dem Partisanenkrieg. Die Toten im Partisanenkrieg an der Ostfront sind nicht unbedingt zu den Opfern von Kriegsverbrechen zu rechnen". Die Erfahrung mit der Wirklichkeit, wie der Zusammenbruch des Bolschewismus, die kleine Wiedervereinigung, die sozialen Gefahren der von der Hochfinanz angestrebten Globalisierung, der Werteverfall des Euro, sind gleichsam die erratischen Blöcke der Jetztzeit. Die leichtfertige Zustimmung der Bundesregierung zu dem jetzigen Balkanfeldzug dürfte ein weiterer Block sein, der zum Eckstein wird. Er muß zwangsläufig zu uns zurückführen, und Begriffe wie Selbstbestimmung, Mittellage in Europa, wirtschaftliche Autarkie und vorurteilsfreie Geschichtsforschung mit neuem Geist erfüllen.
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