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Plötzlich zwangsvereint

 
     
 
Seit der Diskussion um die Bundespräsidentenkandidaten ist auch die "Viadrina" ins Blickfeld der Öffentlichkeit gelangt. Die Kandidatin von Rot-Grün, Gesine Schwan, ist Rektorin der Universität in Frankfurt/Oder, an der ein Drittel der Studenten aus Polen stammt. Die "Viadrina" ist vor allem für viele Politiker ein Symbol für ein allmähliches Zusammenwachsen von Deutschland und Polen.

Nun, wo es feststeht, daß Polen am 1. Mai in die EU kommt, soll die Oder/Neiße-Grenze plötzlich von einem trennenden zu einem verbindenden Element werden, wie eine Art Reißverschluß sollen nun Ost und West
zusammengefügt werden, doch wie sieht es an der Grenze inzwischen aus? Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist einiges geschehen, sind die Menschen sich näher gekommen und zugleich auch voneinander abgerückt. Uwe Rada, Re-dakteur der taz und schon seit längerem Beobachter der Entwicklungen in der Region, hat nun in seinem Buch "Zwischenland" einen Überblick über die Befindlichkeiten der dortigen Bewohner, ihre Ängste, Nöte und Taten in den nicht gerade vom Schicksal begünstigten Städten und Dörfern vorgelegt.

In literarischen Reportagen berichtet er über die Gegenwart, aber auch über die Vergangenheit, die vor allem die ältere Generation trennt. So nehmen viele Deutsche den Polen übel, daß sie manche ihrer seit Ende des Zweiten Weltkriegs zu Polen gehörenden historischen Städte verwahrlosen ließen, die Polen wieder-um zeigen sich manchmal über- raschend bockig, wenn es um die gemeinsame Geschichte geht. So verweigerte sich Slubice 2003, an der Frankfurter 750-Jahr-Feier teilzunehmen. Die Stadt, die bis vor wenigen Jahrzehnten Vorstadt von Frankfurt/Oder war, betonte, daß sie schließlich erst 58 Jahre alt werde.

Uwe Rada interviewte junge und alte Grenzbewohner, nennt die Sor-ge der Polen vor Überfremdung und die Sorge der Deutschen vor vermehrter Billigkonkurrenz auf dem sowieso schon bescheidenen Arbeitsmarkt. Während Westpolen immerhin noch eine junge Bevölkerung vorweist, wird der jetzige Osten Deutschlands immer älter, da die Jungen im raschen Tempo aus den öden Gegenden wegziehen. Zurück bleiben nur die "arbeitslosen Stadtdeppen", während vor allem die gebildeten jungen Frauen die Flucht in den Westen ergreifen. Bis zu 40 Prozent Wohnungsleerstand ist in manchen Orten nicht selten.

Uwe Radas "Zwischenland" zeichnet im Grunde ein trostloses Bild. Zwar kommen sich die Menschen beider Länder vor allem in Kunstprojekten näher, doch die vielen sozialen Probleme auf beiden Seiten werden durch die EU-Osterweiterung noch verstärkt. Der Glaube, daß freundschaftliche Beziehungen, wie der Autor sie propagiert, bei der Lösung der Konflikte den Hauptfaktor darstellen, scheint aber in der Gesamtbetrachtung zu naiv. Fritz Hegelmann

Uwe Rada: "Zwischenland - Euro-päische Geschichten aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet", be.bra verlag, Berlin 2004, 254 Seiten, 19,90 Euro

 
     
     
 
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