|
Die Heftigkeit des Konflikts um das Kernkraftwerk Temelin ist nicht bloß damit zu erklären, daß es in beiden Ländern neben sachpolitischen auch parteitaktische Motive für die harte Gangart gibt. Wenigstens teilweise liegt es am Thema selbst, denn wie immer man zur Kernenergie stehen mag, das traumatische Faktum Tschernobyl ist ein politischer Faktor: Es waren gesundheitliche Ängste und die wegen Tschernobyl in der Landwirtschaft erlittenen materiellen Schäden, deretwegen man in Österreich beschloß, aus der Kernenergie auszusteigen und ein schlüsselfertiges, hochmodernes Kernkraftwerk (KKW) westlich von Wien definitiv nicht in Betrieb zu nehmen.
Daß Prag nach der Wende darauf beharrte, ein noch zu KP-Zeiten geplantes „sowjetisches“ KKW zu errichten - in unmittelbarer Nähe zur österreichischen Grenze -, mußte also Folgen haben: Die anfänglich sehr große Sympathie der Österreicher für ihre befreiten Nachbarn erhielt einen argen Dämpfer, und so kam auch die „Geschichte“ wieder hoch. Nun erst konnten Benesch-Dekrete (und AVNOJ-Beschlüsse) zu einem über die Heimatverbände hinausgehenden Thema werden - Jahrzehnte sozialistischer Vorherrschaft und großkoalitionärer Abwiegelungspolitik hatten sie weitgehend aus dem öffentlichen Bewußtsein verdrängt. (Einen wesentlichen „Denkanstoß“ lieferte übrigens Fürst Karl Schwarzenberg, der sich als „Tscheche“ deklarierte und den riesigen Familienbesitz zurückerstattet bekam.)
Ein österreichisches Veto gegen den tschechischen EU-Beitritt war zunächst undenkbar gewesen. Der wendekommunistische Ministerpräsident Zeman konnte sich da voll auf Viktor Klima verlassen - seinen Amts- und Parteikollegen sowie Quasi-Landsmann. Doch nach dem Regierungswechsel in Wien sah alles anders aus, und die Tschechei entschloß sich als einziger EU-Beitrittskandidat, an den EU-Sanktionen teilzunehmen: Zeman glaubte offenbar, Österreich damit endgültig ausschalten zu können.
In der EU als sozialistischer „Wertegemeinschaft“ hatte man tatsächlich überlegt, das unsozialistische Österreich auszuschließen oder - noch rentabler - dem Netto-Zahler alle Mitspracherechte abzuerkennen! Die Sanktionsbeteiligung Israels und der USA war zwar nur „entschädigungstaktischer“ Natur, sie harmonierte aber auffällig gut mit Zemans Plan, Madeleine Albright als Nachfolgerin des unsozialistischen Präsidenten Vaclav Havel zu installieren. Nun, Zeman hat sich verrechnet, und national wie international ist man sich heute der Temelin-Problematik und der Benesch-Dekrete stärker bewußt denn je zuvor.
Auf Druck aus der Ecke Verheugen kam es voriges Jahr zu einem bilateralen Abkommen, dem „Melker Prozeß“, einer Art „Friedensprozeß“, denn daß es sich um ein taktisches Manöver handelte, ist offenkundig und wurde von Rot und Grün entsprechend kritisiert. Aber selbst wenn „alle“ gegen Temelin sind, das von der FPÖ ins Spiel gebrachte „Anti-Temelin-Volksbegehren“ wird von der Opposition und von den meisten ÖVP-Politikern ebenso heftig abgelehnt! Das Volksbegehren, vom 14. bis 21. Januar tatsächlich abgewickelt, erzwingt die parlamentarische Behandlung der Temelin-Frage und soll in ein Gesetz münden, mit dem die (beziehungsweise jede) Regierung unter bestimmten Bedingungen zu einem Veto gegen den tschechischen EU-Beitritt verpflichtet wird.
Aufschlußreich war jedenfalls die Agitation gegen das Volksbegehren: Wieder zeigten sich „Synergien“ zwischen der linken „Intelli-gentsija“ und dem Ausland, und just jene, die eine Wiener Regierung hatten verhindern wollen, sprachen von „Einmischung in innere Angelegenheiten“ der Tschechei. Die Grünen, die ihren Bundeskongreß slowenisch „svesni kongres“ nannten, taten sich besonders hervor, denn was sind schon „Atome“, wenn es gegen Haider geht. Einsame Spitze war jedoch Zeman, der in mehreren Steigerungsstufen „Nazi“-Beschimpfungen gegen Haider, FPÖ und Österreich aussstieß - offensichtlich inspiriert durch den Kärtner Ortstafelstreit und durch Meldungen, daß einige Verfassungsrichter mittels NS-Verbotsgesetz gegen Haider vorgehen wollen. Die reflexartige „Be- nesch-AVNOJ-Solidarität“, die stalinistische Taktik, Deutschen-Haß als Antifaschismus zu verkaufen, jede Gegenwehr aber als „antislawisch“ zu diffamieren - all das stellte wieder unter Beweis, daß die einstige Agitprop-Schulung diesseits und jenseits der Grenzen weiter ihre Blüten treibt.
Nun, das Volksbegehren erhielt 915.000 Unterschriften, das sind 15,5 Prozent der Stimmberechtigten, wobei laut Meinungsforschung Zemans Attacken einen „Jetzt-erst-recht!“-Reflex ausgelöst und mindestens 100.000 Unentschlossene zur Unterschrift veranlaßt hatten. In der Sache ist allerdings noch nichts erreicht, und die Regierung in Wien steht weiterhin unter Entscheidungsdruck. Sicher scheint nur, daß Zemans Partei bei den bevorstehenden Wahlen ein Fiasko erleben wird.
Jörg Haider: Der Initiator des Volksbegehrens |
|