|
Die Lage der Patrioten (oder "Rechten") in Deutschland ist mies: Kaum Mitglieder, fluktuierende Wähler, kein Geld und vor allem: geistig - moralisch - konzeptionell - programmatisch äußerst schwach auf der Brust.
Handeln ohne Theorie sei blind, werden wir belehrt. In der Tat kann nur eine weiterhelfende Theorie das hilflos-nostalgische Kleben an der Vergangenheit überwinden. Die Patrioten sollten endlich einsehen, daß Begriffe wie Volk, Staat, Vaterland, Souveränität heute anderes bedeuten als vor Jahrzehnten. Das gilt auch von "Partei" und "Demokratie". Es gilt auf zwei Bücher hinzuweisen, deren Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Wird hier doch endlich einmal eine Gegenwartsanalyse von zukunftweisender Bedeutung vorgelegt.
Es handelt sich um zwei Studien zur Kritik und Weiterentwicklung der Demokratie: Hans-Hermann Hoppes "Demokratie. Der Gott, der keiner ist. Monarchie, Demokratie und natürliche Ordnung" und Josef Schüßlburner "Demokratie - Son-derweg Bundesrepublik Analyse der Herrschaftsordnung in Deutschland".
Hoppe, Professor der Ökonomie in Las Vegas (USA), bekennt sich offen als Demokratiekritiker. Er tritt massiv für die Zurückdrängung, wenn nicht gar die Abschaffung des Staates und die Privatisierung aller öffentlichen Aufgaben ein. Das ist an sich eine alte, vor allem von Anarchisten vertretene Forderung. Das Bemerkenswerte ist hier, daß auch traditionell staatshörige Rechte sich dies zu eigen machen. Das ist allerdings sehr richtig, denn der moderne Parteienstaat ist ein anderer als der, dem die Loyalität traditioneller Konservativer gehörte. Umdenken, geistige Anpassung ist eine Notwendigkeit für eine moderne Rechte. Nur dann verdient sie die Bezeichnung "neue" Rechte, nur dann hat sie Zukunft, nur dann müssen die Etablierten sie fürchten, weil eine echte "Neue Rechte" die Chance zur Meinungsführung hat. Den Nostalgikern wird sie immer verwehrt bleiben. Man wird die Darstellung und die Forderungen Hoppes mit großem Interesse, aber auch mit Skepsis diskutieren müssen. Abschaffung des Staates? Privatisierung seiner Aufgaben? Wäre nicht eine Mafia-Ordnung das Resultat? Und wie steht es mit seiner Demokratie-Kritik? Wenn heute jemand für die Monarchie plädiert, erregt er sicher zunächst Befremden. Hoppe will aber darlegen, daß ein Monarch ein anderes Verhältnis zum Staate hat als die nur auf Zeit gewählten demokratischen Funktionäre. Der Monarch werde wie ein Eigentümer maßvoll und verantwortlich handeln, während die auf Zeit gewählten demokratischen Vertreter doch eher den eigenen Vorteil im Auge haben. Auch in einer Demokratie herrsche keineswegs das Volk, sondern eine dünne Schicht von Repräsentanten. Außerdem nehme die Regelungswut in demokratischen Ordnungen zu, so daß man geradezu von totalitären Tendenzen in der Demokratie sprechen könne. Diese unerfreuliche Bestandsaufnahme führt zum Lösungsvorschlag einer "anarchischen Privatrechtsgesellschaft", eines "Anarchokapitalismus". In dieser neuen, staatsfreien Gesellschaft beruht das Zusammenleben ausschließlich auf privatrechtlichen Abmachungen zwischen den Individuen. "Reichlich utopisch", wird der an den fürsorglichen, aber auch vormundschaftlichen Wohlfahrtsstaat gewöhnte europäische Bürger sagen. Allerdings erleben wir gegenwärtig das Ende, die Grenzen des Wohlfahrtsstaates. Hoppes Ideen sind ein Ausdruck dieser Krise und verdienen Aufmerksamkeit, auch wenn sie sicher nicht im Sinne des Autors verwirklicht werden können.
Lassen wir diese Frage offen und wenden uns dem Buch von Josef Schüßlburner zu. In der deutschen Geistes- und Kulturgeschichte hingen Politik und Religion schon immer eng zusammen. Die Auffassung, Politik sei nicht eine Methode zur Bewältigung praktischer Lebensprobleme, sondern es handele sich um Weltanschauungskampf, hat Tradition. Das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" war kein Nationalstaat, sondern ein sich religiös definierendes Gebilde, Schüßlburner offenbart die zivilreligiösen Elemente heutiger deutscher Politik. Auch in der BRD ist Politik nicht ein nüchtern-pragmatisches Abwägen zwischen mehr oder weniger zweck-mäßig, sondern ein Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen den "Anständigen" (Schröder) und denen, die nicht dazu gehören und "ausgegrenzt" werden müssen. Schüßlburner sieht eine quasireligiöse Verfassungssouveränität als Legitimation staatlichen Handelns. Es versteht sich, daß ein solches Verfassungsverständnis die Freiheitsrechte der Bürger einschränkt. Kritik - selbst wenn sie der bewahrenden Fortentwicklung der bestehenden Ordnung dient - kann als "falsches Grundrechtsverständnis" von den Etablierten gedeutet werden, so daß kritische Bürger zu "Verfassungsfeinden" erklärt und einer Gesinnungskontrolle und -zensur durch Inlandsgeheimdienste unterworfen werden. Es dürfe aber nicht die Aufgabe von Geheimdiensten sein, eine "geistig-politische Auseinandersetzung" zu führen, wie dies in der BRD durch die Verfassungsschutzberichte geschieht. Diese setzen sich mit oppositionellen Äußerungen nicht argumentativ auseinander, sondern bekämpfen die Opposition als solche. Dies wird an den sogenannten "Propagandadelikten" deutlich, die es nur auf der "rechten" Seite des politischen Spektrums gibt. Hier handelt es sich um den Versuch eines "Ideenverbotes". Im Gegensatz zu Hoppe erstrebt Schüßlburner keine Fundamentalrevision der BRD-Verfassungsordnung, sondern deren Verbesserung durch Entideologisierung.
Mit dem Hinweis auf den quasireligiösen Charakter des bundesrepublikanischen Verfassungsverständnisses wird auch scheinbar unverständliches Verhalten klar, wie etwa im Falle Hohmann und der Entdeckung einer tatsächlich gar nicht vorhandenen "rechten Gefahr": Es handelt sich um dogmatisch hergebetete Glaubenssätze, die sich, eben weil es sich um Glauben handelt, rational weder belegen, noch widerlegen lassen.
Leider ist es unmöglich, alle Anregungen dieses umfangreichen Buches vorzustellen. In unserer Schnellebigen Zeit wird sich mancher an kurze Mitteilungen gewöhnte Leser vom Riesenumfang dieses Buches - 798 Seiten - abschrecken lassen. In sieben Kapiteln liefert der Autor zunächst eine ausführliche Kritik der bundesrepublikanischen Verfassungsordnung und ihrer geistigen Grundlagen. Im achten Kapitel folgen dann die Verbesserungs- und Lösungsvorschläge. Hier werden zwei Möglichkeiten angeboten: die Reform des Grundgesetzes in zahlreichen Details oder - radikaler - die Ersetzung des Grundgesetzes durch die Wiedereinführung der Weimarer Reichsverfassung.
Lassen wir die Frage nach den Chancen auf eine Verwirklichung offen. Auf jeden Fall sind beide Bücher ein Symptom für den schleichenden Verfassungswandel. Äußerungen sind nötig. Gerade, weil sich die Ideologen der Diskussion verweigern, sei die kritische Lektüre dieser Bücher nachdrücklich empfohlen. Hans-Helmuth Knütter
Hans-Hermann Hoppe: "Demokratie. Der Gott, der keiner ist. Monarchie, Demokratie und natürliche Ordnung", Manuscriptum Verlag, Leipzig 2003, 547 Seiten, 24,80 Euro
Josef Schüßlburner: "Demokratie - Sonderweg Bundesrepublik. Analyse der Herrschaftsordnung in Deutschland", Lindenblatt Media Verlag, Fulda 2004, 798 Seiten, 39,80 Euro
|
|