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Man war daran gewöhnt, daß es mit einem negativen Vorzeichen geschah, wenn über Schule gesprochen wurde: Pisa, unmotivierte Lehrer, prügelnde Schüler, uneinsichtige Eltern.
Da scheint selbst in Berlin ein Stimmungswandel eingetreten zu sein: Die Hoover-Schule wird mit dem Nationalpreis der (privaten) Deutschen Nationalstiftung ausgezeichnet. Hier hatten sich alle Beteiligten, Eltern, Lehrer und Schüler darauf geeinigt, bei allen die Schule betreffenden Anlässen und Orten, also auch auf dem Schulhof, nur Deutsch zu sprechen, unter anderem um so den Angehörigen von 15 an der Schule vertretenen Nationen die Möglichkeit der Verständigung untereinander zu ermöglichen. Die in die Schlagzeilen geratene Rütli-Schule mit ihrem engagierten kommissarischen Rektor punktet damit, daß die zuvor als Schläger verschrienen Schüler ein Musical aufführen. Das ist erfreulich, vor allem wenn die damit einhergehenden positiven Reflexe nicht nur von kurzer Dauer sind.
Entscheidend ist, daß die Lehrer nicht als die Deppen der Nation dargestellt werden, sondern ihre Wichtigkeit und ihre Leistung anerkannt und gewürdigt werden. Zugegeben, deren lautstarke Interessenvertretung, die „Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft“ (GEW), macht es manchen leicht, Vorurteile gegen einen ganzen Berufsstand zu kultivieren. Wenn man aber will, daß Lehrer ihre Aufgabe erfüllen können und auch von den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen ernstgenommen werden sollen, darf man sie nicht ständig attackieren. Ganz überwiegend leisten die Angehörigen des Lehrkörpers gute und verantwortungsvolle Arbeit. Wenn es hier und dort „faule Säcke“ gibt, wie ein früherer Bundeskanzler meinte, dann gehören sie gemaßregelt. Ebenso gehören aber die positiven Beispiele von engagierter Mehrarbeit und Erfolg herausgestellt, damit sie zur Nachahmung anreizen.
Dabei ergibt sich an den Grund- und Hauptschulen noch ein besonderes Problem, nämlich der hohe Anteil an weiblichen Lehrpersonen. Es kann vorkommen, daß Kinder bis zu ihrem zehnten Lebensjahr noch nie von einem Lehrer unterrichtet worden sind. Ein Wunder, daß nicht schon jemand auf die Idee gekommen ist, hier eine Quotenregelung einzuführen: Es müßten solange männliche Vertreter des Berufsstandes eingestellt werden, bis 50 Prozent erreicht sind. Auf einen solchen, unsinnigen, in anderen Zusammenhängen durchaus propagierten Gedanken verfällt glücklicherweise niemand. Um so wichtiger ist es, die Attraktivität dieses Bereichs auch für männliche Kandidaten zu erhöhen.
Damit ist man bei der generellen Frage nach der Ausbildung von Lehrern.
Von Spitzenfunktionären der Wirtschaft wurde vor nicht langer Zeit vorgeschlagen, die Lehrerausbildung grundsätzlich anders zu gestalten: Das Referendariat soll entfallen, an seine Stelle eine Trainee-Ausbildung treten, wie sie in der Wirtschaft üblich ist. Die Idee ist richtig, aber nicht radikal genug. Die Lehrerausbildung als solche sollte gänzlich abgeschafft werden.
Das Situation ist bekannt: Große Zahlen arbeitsloser Lehrer führen zu einem Rückgang der Studienanfänger; nach einigen Jahren fehlt es dann an Pädagogen; jetzt setzt eine Werbung für den Beruf ein; bald gibt es wieder zu viele Studierende und so weiter. Eine Erscheinung, die aus der Agrarpolitik beim sogenannten Schweinezyklus bestens bekannt ist. Das Problem liegt darin, daß Lehrer nur als Lehrer ausgebildet werden und damit grundsätzlich auf eine entsprechende Verwendung angewiesen sind. Dies läßt sich nur verhindern, wenn der Zusammenhang von Ausbildung und einseitigem Einsatz aufgelöst wird. Für die Übernahme (ob in den Vorbereitungsdienst oder in ein Trainee-Programm) kämen alle Kandidaten in Betracht, die Fächer studiert haben, für die Bewerber gesucht werden. Daß sie womöglich nicht Pädagogik belegt haben, kann ernsthaft nicht gelten. Warum soll das nicht während der praktischen Phase nachgeholt werden, gegebenenfalls sogar mit dem negativen Ergebnis, daß es an der Eignung fehlt? Auch der Einwand, der „Ein-Fach-Lehrer“ käme als Klassenlehrer nicht in Frage, weil er zu wenig Stunden in der betreffenden Klasse erteile, verfängt nicht. Dieses kommt auch jetzt schon vor. Im übrigen: Wer Kombinationen absolviert, wie sie in den bisherigen Magister-Studiengängen üblich waren und zukünftig mit Bachelor- oder Master-Abschluß möglich sein werden, verfügt über mindestens zwei Fächer.
Der Vorteil einer Neuerung für die Studierenden läge darin, daß sie sich nicht bereits vor Beginn des Studiums auf einen zukünftigen Beruf festlegen müssen. Haben sie später keine Möglichkeit Lehrer zu werden, haftet ihnen nicht der Makel an, sie hätten das, was sie eigentlich wollten, nicht erreicht. Für den Staat als Monopolist bei der Einstellung entfällt der Druck, ausgebildete Lehrer, für die keine Stellen vorhanden sind, zu beschäftigen. Es ist in solchen Fällen so wie in anderen auch: Juristen, deren Ziel es war, Richter oder Angehöriger des öffentlichen Dienstes zu werden, kommen nicht auf den Gedanken, daß für sie Stellen geschaffen werden müßten. Lehrer, wollen sie ihr Berufsziel nicht verfehlen, sind grundsätzlich auf den Staat angewiesen.
Die Entkoppelung von Ausbildung und Beruf ist der beste Weg, das Dilemma des Wechsels von Überangebot und Mangel zu lösen; außerdem tritt eine Entkrampfung insofern ein, als es denjenigen, die feststellen, daß der Beruf ihnen nicht unbedingt „auf den Leib geschrieben“ ist, ohne Gesichtsverlust davon Abstand nehmen können.
Klagen über zu viele oder zu wenige Kandidaten, nicht geeignete Stelleninhaber, zu früh ausgebrannte und nicht hinreichend motivierte Pädagogen kämen aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr in dem Maße vor, wie sie derzeitig immer wieder zu hören sind. Bei nüchterner Betrachtung spricht eigentlich nichts gegen eine solche Radikalreform der Lehrerausbildung. Und gerade deshalb kann der einhellige Protest der Lehrerverbände gegen diesen Vorschlag als sicher angenommen werden. Solange solche Stimmen gehört werden, wird sich nichts ändern. |
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