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Ruhepole abseits der Zentren

 
     
 
Barbizon, Worpswede, Ahrenshoop und naürlich auch Nidden sind noch heute bekannte Namen, die für den Begriff Künstlerkolonien stehen. Maler wie Gauguin, Vogeler, Rousseau oder Pechstein haben ihnen einen festen Platz in der Kunstgeschichte gesichert. Zum ersten Mal in einem Lexikon erwähnt wurde der Begriff „Künstlerkolonie“ im Jahr 1902. Im Brockhaus verstand man darunter „die zum Zwecke des Naturstudiums
besonders von Malern seitab von den großstädtischen Kunstcentren gemeinsam gewählten Heimstätten“. Wie jeder Künstler aber seine eigene Handschrift entwickelt hat, so hat auch jede Künstlerkolonie ihre ganz besondere Eigenart. Eine repräsentative Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg will nun vom 15. November an zeigen, welche Gemeinsamkeiten diese Künstlerorte dennoch hatten (dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr, mittwochs 10 bis 21 Uhr; mittwochs 18 bis 21 Uhr freier Eintritt, sonst 8/6 DM; bis 17. Februar 2002, Katalog). Partner aus 15 europäischen Ländern und aus den USA haben zu dieser Schau rund 300 Werke und Dokumente zur Verfügung gestellt, so daß ein umfassendes Bild der Künstlerkolonien in Europa entstanden ist.

Seit 1995 beschäftigen sich die Mitarbeiter des Archivs für Bildende Kunst im Museum mit diesem Thema. 1997 fand in Nürnberg eine internationale Tagung statt, auf der Wissenschaftler aus Europa das Phänomen der Künstlerkolonien diskutierten. Man kam dabei zu der Erkenntnis, daß in den Künstlerkolonien ein reger grenzübergreifender Gedanken- und Erfahrungsaustausch stattgefunden hat. Immer wieder findet man in den Motiven der Kunstwerke wie auch in der Motivation der Künstler erstaunliche Übereinstimmungen. Doch waren es nicht nur Maler, die abseits der großen Kunstzentren „Im Zeichen der Ebene und des Himmels“, so auch der Titel der Nürnberger Ausstellung, arbeiten wollten. Auch Komponisten, Schriftsteller und Schauspieler fanden ihren Ruhepol in Künstlerkolonien. Man denke nur an Thomas Mann, der sich in Nidden ein Haus bauen ließ, oder an Rainer Maria Rilke, der von Worpswede so begeistert war, daß er von der unvergleichlichen Landschaft schwärmte: „Wo sie (unsere Vorfahren, d. Verf.) den Mund auftaten, um zu gähnen, da tun wir die Augen auf, um zu schauen; denn wir leben im Zeichen der Ebene und des Himmels.“

Worpswede oder Nidden, Ahrenshoop oder Ekensund, Skagen oder Barbizon - sie alle werden in dieser Ausstellung wieder gegenwärtig, in Gemälden der großen Künstler, aber auch in Prospekten, Postkarten, Plakaten und Fotografien, denn schließlich kamen auch bald Touristen in diese meist abgelegenen Winkel der Erde - meist zum Leidwesen der Künstler, die doch die Ruhe gesucht hatten. Wirtshausschilder, Innendekorationen der damaligen Künstlerherbergen, aber auch Dokumente vom Alltag der Künstler machen das Leben in den Künstlerkolonien deutlich. So sind als Beispielhaft für Nidden auf der Kurischen Nehrung neben Gemälden von Richard Birnstengel, Ernst Bischoff-Culm, Arthur Degner, Gerhard Eisenblätter, Ernst Mollenhauer, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff, Waldemar Rösler, Hermann und Edith Wirth, um nur die bekanntesten zu nennen, auch Hausprospekte des Hotels Hermann Blode oder zwei Kurenwimpel ausgestellt. Von Frankreich bis Finnland, von Rußland bis Rumänien reicht die Reihe der Künstlerkolonien; eines haben sie alle gemeinsam: sie sind Geburtsorte wichtiger Kunstströmungen geworden. Peter van Lohuizen

 
     
     
 
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