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Bis an die Grenze der Kunst gegangen

 
     
 
Ernst Mollenhauer wurde wie sein großer Landsmann Lovis Corinth in dem kleinen ostdeutschen Städtchen Tapiau geboren. Am 27. August 1892 erblickte er dort das Licht der Welt. Corinth war es auch, der ein Studium Mollenhauers an der Staatlichen Kunstakademie Königsberg befürwortete. Auf Wunsch des Vaters allerdings absolvierte der junge Ernst zunächst eine kurze Lehrzeit in einer Königsberger Reederei. Von 1913 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieg
es, den er als Kompanieführer miterlebte, studierte Mollenhauer u. a. bei Professor Richard Pfeiffer. Der Direktor der Akademie, Ludwig Dett- mann, hatte dem jungen begabten Mann das damals übliche Probejahr erlassen. Die Ferien verlebte Mollenhauer im Kreis von Waldemar Rösler und Freunden in Großkuhren, dazu gehörten auch die Maler Franz Domscheit und Olaf Jernberg. Nach dem Krieg kehrte Mollenhauer nach Königsberg an die Akademie zurück, wo er bis 1922 als Meisterschüler von Professor Arthur Degner blieb.

Schon 1920 fand man den Künstler, der bereits mehrfach in Ostdeutschland ausgestellt hatte, in dem kleinen Fischerdorf Nidden auf der Kurischen Nehrung, das dabei war, sich zu einer beliebten Künstlerkolonie zu entwickeln. Im selben Jahr heiratete er Hedwig Blode, die Tochter Hermann Blodes, jenes "Künstlervaters", der aus dem ererbten Gasthof einen Anziehungspunkt der Künstler-kolonie gemacht hatte. - Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff, Carl Zuckmayer und Thomas Mann waren damals häufige Gäste in Nidden. - 1922 ging Mollenhauer in die USA und stellte dort (Dudensing Galleries, New York) als erster deutscher Künstler nach dem Krieg seine Bilder aus. Durch Diebstahl und Brand verlor er Bilder zweier Ausstellungen. In einem Studio für Theatermalerei fand er dann schließlich Brot und Arbeit. Bald aber zog es den Ostdeutschland zurück nach Deutschland, wo Max Reinhardt ihn für sein Berliner Theater engagieren wollte. Mollenhauer lehnte ab und ging zurück auf die Kurische Nehrung, die als Folge des verlorenen Erstes Weltkrieges von Litauen annektiert war. Dort in Nidden hatte er sein Atelier, dort blieb er bis 1945 und baute die Künstlerkolonie weiter aus, kümmerte sich um das Haus Hermann Blode. Er wurde zum Mittelpunkt dieses Kreises, der sich weitgehend dem Expressionismus verschrieben hatte.

Während des Dritten Reichs wurde sein Werk wie das so vieler anderer als "entartet" abgestempelt, und Mollenhauer erhielt Ausstellungsverbot. Auch mußte er sich vehement wehren, als die große Bildersammlung des Hauses Hermann Blode zerstört werden sollte. Bis zum Schluß hielt er es in Nidden aus, konnte jedoch nicht verhindern, daß sein gesamtes, noch in seinem Besitz befindliches Werk wie auch die Gemäldesammlung beim Einmarsch sowjetischer Truppen zerstört oder verschleppt wurde. Das Kriegsende erlebte er in einem Kriegsgefangenenlager in Dänemark und später in einem englischen Lager in Schleswig-Holstein.

Einen Neuanfang gab es dann im Westen - zunächst in Kaarst bei Neuss, später in Düsseldorf. Studienaufenthalte führten Mollenhauer in die Eifel und die Lüneburger Heide, nach Österreich, Frankreich, Holland und in die Schweiz. Seine ganze Liebe aber galt der See. Auf der Insel Sylt fand er das, was er auf der Kurischen Nehrung zurücklassen mußte. Seit Anfang der 50er Jahre hatte er ein zweites Atelier in Keitum, das allerdings 1969 mit allen dort befindlichen Bildern einer Brandstiftungsserie zum Opfer fiel.

Ernst Mollenhauer starb am 3. April 1963 in Düsseldorf. Auf der Insel Sylt, deren Dünenlandschaft ihn so sehr an die Kurische Nehrung erinnerte, wurde er auf dem alten Friedhof in Keitum zur letzten Ruhe getragen.

Immer wieder sind Werke von Ernst Mollenhauer, die sich auch in bedeutenden deutschen Museen befinden, auf Ausstellungen zu sehen - nicht zuletzt dank des Engagements seiner Tochter Maja Ehlermann-Mollenhauer. So zeigt die Kölner Galerie Boisserée, Drususgasse 7-11, die den Nachlaß des Künstlers im deutschen Kunsthandel exklusiv vertritt, noch bis zum 31. Oktober neun Leinwände und 13 Arbeiten auf Papier (dienstags bis freitags 10 bis 14 Uhr und 15 bis 18 Uhr, sonnabends 11 bis 15 Uhr). Zur Ausstellung erschien ein Kata- log (64 Seiten mit 26 farbigen Abbildungen, 5 Euro). Die Bilder sind auch zu sehen auf der In-ternetseite der Galerie unter www.boisseree.com  .

Es war die tiefe Sehnsucht nach seiner künstlerischen Heimat, nach der Kurischen Nehrung, nach Nidden, die auch nach der Vertreibung immer wieder Bilder mit Motiven dieses einzigartigen Landstrichs entstehen ließ. In einem Brief an den Malerkollegen Alexander Kolde, der in Rastenburg aufwuchs, ebenfalls Schüler von Pfeiffer war und mit Mollenhauer zu den Gründungsmitgliedern der Künstlervereinigung "Der Ring" (1918) zählte, schrieb er 1947 über diese Sehnsucht: "Ich suchte mir dann bei Düsseldorfer Kollegen einige Pinsel zusammen und fing wieder an zu pinseln ... Und immer wandern meine Gedanken auf den Schlangenberg und nach Nidden zurück. Ich sehe dann den großen Bogen der Nehrung bis hin zu den Türmen Memels ..."

Mollenhauer ging es nicht darum, Details naturgetreu auf die Leinwand oder das Papier zu bannen, vielmehr wollte er "den Dingen das Beiläufige nehmen und ihnen jene stille Form verleihen, in welcher der Geist ausruhen kann und Entdeckungen macht", wie er selbst einmal sagte.

"Der Verlust von 25 Jahren seiner Arbeit bewirkt als tiefe existentielle Erfahrung im Spätwerk eigenständige und zeitlose Züge", liest man in einem Text der Galerie Boisserée. "Mollenhauer entwickelt eine kraftvolle, stark farbige, expressive Malerei mit festem Rhythmus. Die Farben haben nur noch wenig mit Objektgebundenheit zu tun, sondern dienen der Sichtbarmachung seiner emotionalen Zustände. Seine expressive Landschaftsmalerei wird zu einem Extrakt aus Beobachtung, Empfindung und formaler Erfindung."

"Ernst Mollenhauer gehört zu der von Rainer Zimmermann beschriebenen ‚verschollenen Generation , die zwischen den zum Teil zehn Jahre früher geborenen, den Expressionismus begründenden Künstlern wie Pechstein und Schmidt-Rottluff und jenen jungen Künstlern steht, bei denen nach dem Zweiten Weltkrieg eine Abwendung vom Gegenständlichen hin zur abstrakten, informellen Malerei im Vordergrund steht. Wie kein anderer deutscher Künstler der 50er und 60er Jahre stellt Mollenhauer Erde, Himmel und Natur zeitlos und allgemeingültig dar. Obwohl er häufig als Spätexpressionist bezeichnet wird, führt er tatsächlich mit seinen Arbeiten den Expressionismus bis zur letzten Steigerung, bis an die Grenze einer Kunst, die durch ihr Abgehen von der Wirklichkeit zu eigenen Begriffen und Metaphern führt. Mit der kontinuierlichen Verdichtung der geistigen Bildaussage führt Mollenhauers Werk über die Einflüsse der Akademie und Max Pechsteins hinaus - ein selbstsicheres und ausdrucksstarkes malerisches Werk voller Intensität, welches den expressionistischen Stil in einer persönlichen Variation erweitert." Peter van Lohuizen

Ernst Mollenhauer: Stilles Dorf am Kurischen Haff (Öl auf Karton, etwa 1952)
 
     
     
 
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