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Schatten aus der Vorwendezeit

 
     
 
Der November war kein guter Monat für die rumänische Politik. Es wird immer klarer, daß die Freigabe der persönlichen "Securitate"-Akten, dem rumänischen Pendant zur DDR-Staatssicherheit, durch den 1999 gegründeten "Nationalrat für das Studium der Securitate-Akten" (CNSAS) politischen Sprengstoff birgt. 60 Mandatsträger sollen Mitarbeiter der "Securitate" gewesen sein, die vorläufig letzte in der langen Reihe ist die Senatorin Rodica Stanoiu, die sich mit Händen und Füßen gegen die Anschuldigungen wehrt und beanstandet, daß der CNSAS keiner parlamentarischen Kontrollinstanz unterstellt sei. Vor kurzem gab es dann den Paukenschlag: Der ehemaligen "Securitate"-Offizier Liviu Turcu veröffentlichte in der Tageszeitung "Jurnal national" eine Liste mit den Namen hochrangiger Politiker, die für die "Securitate" tätig gewesen sein sollen. Vielen Lesern muß wohl der Kinnladen heruntergeklappt sein, als sie erfuhren, daß die Ex-Premiers Adrian Nastase und Radu Vasile, Spitzenpolitiker wie Teodor Melescanu, Viorel Hrebenciuc und Vasile Voican Voiculescu für die "Securitate" gearbeitet hätten. Liviu Turcu war es auch, der die Gerücht
e um eine mögliche "Securitate"-Tätigkeit des für Rumänien als EU-Kommissar vorgesehenen Varujan Vosganian ausgelöst hatte, der danach seine Kandidatur zurückzog. Zwar liegt der CNSAS keine Akte über Varujan Vosganian vor, aber eine fehlende Akte ist noch kein Persilschein.

Keinen Persilschein gab es auch für die populäre Kulturministerin Mona Musca, eine der ersten Top-Politiker, die es erwischte. Sie verkündete sofort ihren Rücktritt.

Die Gauck-Behörde und der CNSAS verfolgen zwar das gleiche Ziel, aber sie unterscheiden sich in Art und Tempo ihrer Arbeit. Die Gauck-Behörde zählt bisher rund zwei Millionen Akten-Einsichten, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung haben in Rumänien rund 6000 Personen Einsicht in ihre Akte angefordert, und nur ein Bruchteil davon hat sie auch erhalten.

Die Meinungen der Leser in Rumänien sind gespalten, wenn es um die Akten geht. Sie sind aufgerufen, unter Decknamen Stellung in den Publikationen zu nehmen. "Mich wundert, daß keiner der von Herrn Turcu Beschuldigten gerichtliche Schritte unternommen hat", heißt es da beispielsweise. Seltsamerweise richten sich die meisten Angriffe aber gegen den Nationalrat: "Verlaß dich nicht auf die umgekehrte Logik dieser Parasiten vom CNSAS! Dort haben nur Zuträger und Verräter von gewissem Niveau Zugang." Auch die USA werden ins Spiel einbezogen.

Nun kommen auch auf Bulgarien ähnliche Zeiten zu, und zwar gleich mit einem Hammer: Kurz bevor Bulgarien seine diesbezüglichen Geheimakten öffentlich zugänglich machen will, ist der Leiter der Geheimarchive Bozdihar Doychen tot in seinem Amtsbüro aufgefunden worden.

Es war vermutlich Selbstmord. Schon wird der Tod des Beamten mit der umstrittenen Veröffentlichung in Zusammenhang gebracht. Bis 2001 existierte in Bulgarien die sogenannte Kommission "Andreev", die mit der Öffnung der Archive beauftragt war. Sie wurde aufgelöst und durch die "Staatliche Kommission für die Sicherheit der Information" ersetzt. Doch auch diese vollzog nicht die vollständige und uneingeschränkte Öffnung der Archive. Grund dafür ist, daß sich die Politiker nicht einig waren und es immer wieder aufschoben.

Seit einigen Monaten ist die Diskussion wieder entfacht. Die Politiker sind sich nun einig, ein Gesetz zu verabschieden, das die völlige Öffnung gewährleistet. Die treibende Kraft sind Medienvertreter und Oppositionspolitiker.

Die ganze Diskussion läßt die bulgarische Gesellschaft allerdings ziemlich ungerührt. 16 Jahre nach der Wende drängen die Bulgaren die Sorgen des Alltags und der Zukunft mehr als die vollständige Öffnung der Archive aus kommunistischer Zeit.
 
     
     
 
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